Das Papier wird ungeduldig

Wie ermöglicht man inklusives Arbeiten für Menschen mit Behinderungen? Indem Unternehmen und Politik Barrieren abbauen – auch die geistigen!

Standpunkt

Irene Steindl
Chefredaktion

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Für viele ist „Inklusion“ ein Reizwort, das inflationär für alles Mögliche im Zusammenhang mit Behinderung verwendet wird – oft mit vielversprechenden Worten auf geduldigem Papier.

Tatsächlich steht’s um die Inklusion auf dem Arbeitsmarkt wenig rosig: Nicht einmal ein Viertel der Unternehmen erfüllt ihre Pflicht, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen. 28.000 Menschen mit Behinderungen arbeiten abgesondert in Werkstätten – für ein Taschengeld von 35 bis 100 Euro monatlich. Obwohl ein Fünftel der österreichischen Bevölkerung mit Behinderung(en) lebt, gibt es im Alltag nur wenige Berührungspunkte zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen. Diese Trennung beginnt im Kindergarten und zieht sich bis zum Arbeitsmarkt durch.

Auch wir haben 48 Seiten Papier zum Thema Inklusion produziert. Denn Inklusion ist eine gute Idee für eine gerechtere Welt. Im Unterschied zu Integration muss sich bei Inklusion nicht der Mensch anpassen oder einer bestimmten Norm entsprechen, sondern die Mehrheitsgesellschaft muss die Bedingungen so gestalten, dass alle am gesellschaftlichen Leben teilhaben und mitwirken können. Langsam, sehr langsam kommt Bewegung in die Sache. So dürfen seit Jänner 2024 unter 25-Jährige nicht mehr als „arbeitsunfähig“ eingestuft werden und haben damit Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Regierung hat zudem angekündigt, 36 Millionen Euro für eine fairere Entlohnung in den Werkstätten bereitzustellen.
Mit dieser Ausgabe wollen wir Mut machen. Wir haben uns gefragt: Wie sollte eine Arbeitswelt gestaltet sein, damit alle gleichberechtigt zusammenarbeiten können? Was muss getan werden, damit Kindergärten und Schulen geeignete Plätze für alle schaffen? Wir haben Antworten bekommen – von Menschen mit Behinderungen, die im Supermarkt, in der Bibliothek, im Kaffeehaus oder in der Apotheke arbeiten, von Behindertenvertrauenspersonen, Vertreter:innen von Menschenrechtsorganisationen, von Eltern, die um inklusive Schulplätze kämpfen, von Inklusionslehrkräften, Jobcoaches und Geschäftsführer:innen. Manche Gesprächspartner:innen wollten ausdrücklich über ihre Behinderung sprechen, andere lieber über die Barrieren im Alltag. Die einen betonen ihre Behinderung sichtbar als etwas „völlig Normales“, für andere ist das ein Tabu. Das ist Vielfalt.

In dieser Ausgabe:

  • Lohn statt Taschengeld
    28.000 Menschen mit Behinderungen arbeiten in Österreich in Werkstätten. Bis heute bekommen sie dort nur Taschengeld statt Lohn und sind sozial kaum abgesichert. Das soll sich nun ändern. Sandra Gloning hat recherchiert.
  • Kommentar: „Ich will mein eigenes Geld verdienen“
    Nikolai Prodöhl fordert ein selbstbestimmtes Leben
  • Warum brauchen wir Inklusion auf dem Arbeitsmarkt?
    Die große Frage beantwortet Ursula Naue
  • Das höfliche Schweigen
    Beschäftigung ohne Berührungsängste und Wattebausch
  • Lernziele für die Politik
    Wie Familien um inklusive Bildung ringen
  • Alles inklusive?
    Fakten und Zahlen zu Behinderungen in Österreich
  • Neues Wagen
    Sandra Knopp und Udo Seelhofer haben vier Unternehmen aufgesucht, die inklusiv arbeiten. Beschäftigte mit Behinderungen, Arbeitgeber:innen, Behindertenvertrauenspersonen und Jobcoaches geben ehrliche Einblicke.
  • Im Aussondern ist Österreich vorne
    Die Behindertenanwältin Christine Steger und der Aktivist Martin Ladstätter werfen ein grelles Licht auf die Zustände der Behindertenpolitik in Österreich. Wo wir dringend anpacken müssen, hat sie Alexandra Rotter im Interview gefragt.
  • Der Wille zur Sichtbarkeit
    Frauen mit Behinderungen kämpfen gegen Diskriminierung
  • „Du bist doch behindert!“
    Lisa Steiner kommentiert sprachliche Barrieren
  • Vertrauen verbindet
    Wie Behindertenvertrauenspersonen vermitteln
  • Erste Schritte in Richtung Inklusion
    Drei Behindertenvertrauenspersonen in den Blitzlichtern
  • Hinter dem Lärm
    Zu Besuch in Österreichs erstem Gebärdensprach-Café
  • Union der Gleichheit: Inklusion jetzt!
    Der EU-Behindertenausweis bringt bedingt mehr Freiheiten
  • Ein „Ja!“ zur Arbeiterkammer
    Vor 30 Jahren retteten Arbeitnehmer:innen ihre AK
  • Stellen wir doch die richtigen Fragen!
    Das letzte Wort hat Patrick Berger
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