Populismus
„Populisten, wohin das Auge reicht“, leitet der Politikwissenschafter Jan-Werner Müller sein Buch „Was ist Populismus?“ ein. In der Tat ist das Wort in aller Munde. Dass es bisweilen willkürlich verwendet wird, hat seinen Grund nicht zuletzt darin, dass es keine eindeutige Populismus-Definition gibt. So bezeichnen manche auch linke Gruppierungen als populistisch, was von anderen kategorisch zurückgewiesen wird, denn Populismus sei notwenigerweise nationalistisch, was die Linke nie sein könne (siehe auch „Das schlechte Volk?“).
Kennzeichen populistischer Argumentation, darin sind sich die AutorInnen einig, ist die Differenzierung der Welt in „Wir“ und „die Anderen“ – „das Volk“ gegen „die Elite“, „die Ausländer“ usw. Der Politologe Anton Pelinka etwa meint, der Rechtspopulismus ergänze „den (anti-elitären) vertikalen Effekt des allgemeinen Populismus durch einen ‚xenophoben‘ horizontalen Effekt“.
In seiner Analyse der „Diskursstrategien“ von FPÖ und der schweizerischen SVP schreibt der deutsche Politologe Oliver Geden: „Der Rekurs auf ‚das Volk‘ steht im Zentrum (rechts-)populistischer Politik. ‚Das Volk‘ wird in einer Konstellation verortet, die es als ‚schweigende Mehrheit‘ sieht, die den politischen und kulturellen Eliten (sowie den von ihnen ‚protegierten‘ Minderheiten) in einer direkten Frontstellung gegenübersteht.“
Konkret führt Geden aus: „Während den Eliten vorgeworfen wird, nur die eigenen Partikularinteressen zu verfolgen, schlägt sich der Rechtspopulismus auf die Seite ‚des Volkes‘, stellt sich als dessen einziger legitimer Vertreter auf der politischen Bühne dar, als jene Strömung, die dem ‚Volk‘ wieder zu seiner Stimme verhilft.“ Jan-Werner Müller definiert den Kernanspruch von Populismus folgendermaßen: „Wir – und nur wir – repräsentieren das wahre Volk.“ Zugespitzt formuliert er: „Sie behaupten von sich nichts weniger, als die 100 Prozent zu repräsentieren.“
Buchtipp: Oliver Geden: Diskursstrategien im RechtspopulismusSystemparteien
Mit dem Begriff des „Systems“ wurde von den Nationalsozialisten die deutsche Weimarer Republik oder auch der österreichische Austrofaschismus bezeichnet. Er ist keinesfalls neutral gemeint, sondern vielmehr verächtlich.
Auch Begriffe wie Systempartei oder Systempresse gehörten zum Sprachgebrauch der Nazis. Auch heute verwenden RechtspopulistInnen diese Begriffe gerne, um sich von „der Elite“ abzugrenzen. So warb die FPÖ beispielsweise mit dem Wahlslogan „Volksvertreter statt EU-Verräter“, FP-Chef Strache bezeichnete den früheren Bundeskanzler Werner Faymann als „Staatsfeind“.
Buchtipp: Ingrid Brodnig: Lügen im Netz: Wie Fake News, Populisten und unkontrollierte Technik uns manipulierenWirtschaftsflüchtlinge
Gerne wird argumentiert, dass Europa sich dagegen wehren müsse, dass „Wirtschaftsflüchtlinge“ unter dem Vorwand, Asyl zu suchen, hierherkommen. Fakt ist, dass mehr als die Hälfte der Menschen, die in Österreich Asyl beantragt haben, aus den Bürgerkriegsländern Afghanistan, Syrien und Irak kommen.
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Sonja Fercher
Chefredakteurin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/17.
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