Verbinden
Auf diese Art und Weise hat sich das soziale Berliner Start-up Cucula finanziert, das gemeinsam mit jungen AfrikanerInnen eine Möbelmanufaktur gründete. Cucula bedeutet in der westafrikanischen Haussa-Sprache „etwas verbinden und gemeinsam machen“. Mithilfe einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne gelang es, ein Projekt mit Zukunft auf die Beine zu stellen. Neben der Herstellung von Designermöbeln bietet Cucula Geflüchteten Deutschunterricht, Rechtsberatung und Unterstützung im Alltag.
„Als wir mit unseren ersten Sachen zur Möbelmesse nach Mailand fuhren, wollten wir die Crowdfunding-Kampagne im Anschluss sofort starten. Wir merkten aber schnell, dass so etwas gut vorbereitet werden muss“, erzählt Cucula-Mitgründerin Corinna Sy. Sechs Monate dauerte es von der Planung bis zur Umsetzung. Eine gute Kommunikationsstrategie sowie regelmäßige Updates für die Crowd während der Kampagne sind „absolut wichtig, aber auch eine große Herausforderung“.
Doch den MacherInnen war es wichtig genug. „Wir hatten diese Utopie, Menschen Arbeit zu geben, die eigentlich nicht arbeiten dürfen. Damit wollten wir sie konkret dabei unterstützen, sich eine Perspektive zu schaffen“, betont Sy. Durch Crowdfunding wurde die Utopie zur Wirklichkeit. „Wir fanden es interessant, dass viel Geld durch viele kleinere Beträge zusammenkam und nicht durch wenige große“, so die Cucula-GründerInnen.
Internationale Anerkennung
Die Idee sprach sich bis Kalifornien herum: 2016 stattete Facebook-Chefin Sheryl Sandberg bei ihrer Berlin-Tour auch Cucula einen Besuch ab. „Wir freuten uns sehr über den Besuch. Das zeigt uns, dass wir absolut auf dem richtigen Weg sind. Das ist eine ganz eindeutige Unterstützung für unser Projekt“, sagt Sy.
Auch PolitikerInnen würden immer wieder in der Werkstatt vorbeikommen und lobend auf die Schulter klopfen. An der Flüchtlingspolitik hat das nichts geändert, bedauert Sy, im Gegenteil: „Wir haben hier fünf fähige Leute, die sofort in einem Handwerksbetrieb eingestellt werden könnten, aber keiner von ihnen hat bisher noch eine Arbeitserlaubnis bekommen.“
Mit dem Experiment „Mein Grundeinkommen“ hat Michael Bohmeyer seine Vision von Freiheit umgesetzt. Seine Netzgemeinde sammelt Geld, bis 12.000 Euro zusammen sind, das andere dann als Grundeinkommen erhalten. Bewerben kann sich jede/r, das Los entscheidet.
Seit Projektstart konnten bereits 89 Menschen für ein Jahr lang ein Grundeinkommen von monatlich 1.000 Euro beziehen. Derzeit wird für das 90. Grundeinkommen gesammelt.
Wie sich das Leben der Grundeinkommen-BezieherInnen verändert, kann man auf der Website www.mein-grundeinkommen.de nachlesen. Als selbstständiger Grafik-Designer freut sich Dominik über die neu gewonnene Freiheit, nur noch Aufträge annehmen zu müssen, die er gut findet. Janice ist umgezogen, kann nun entspannter studieren und endlich ihre Familie auf den Philippinen besuchen.
Jessica will weiterhin Friedensarbeit machen und friedensbildende Organisationen, Personen und Aktionen fördern und vernetzen. Ein anderer wiederum freut sich, Bio-Lebensmittel einkaufen zu können. Aber auch „simple Grundbedürfnisse“ wie „endlich ruhig schlafen können“, „weniger mit meiner Frau ums Geld streiten müssen“ oder „ein neues Zimmer und Hochbett für meine Tochter einrichten“ lassen sich leichter erfüllen.
Machtverhältnisse umdrehen
Bohmeyer ist überzeugt: Crowdfunding kehrt die Machtverhältnisse in der Produktion um. „Zugespitzt würde ich sagen: Klassischerweise sitzen alte Geldsäcke auf ihrem Kapital und denken sich aus, was sie den Menschen verkaufen könnten. Entweder sie liegen richtig und das Produkt wird verkauft. Oder sie liegen falsch, dann müssen sie viel Geld in die Hand nehmen, um mittels Werbung ein Begehren bei der Zielgruppe zu erzeugen“, so Bohmeyer. Crowdfunding hingegen würde alte Verkaufs- und Konsummodelle auf den Kopf stellen, indem es nur jene Projekte umsetzt, die auch wirklich gefragt sind. Dies zeige sich konkret darin, wie viele Menschen das Produkt unterstützen. „Damit bricht es nicht nur die Macht der klassischen Kapitalbesitzer, sondern hat auch das Potenzial, nachhaltiger Produkte zu schaffen. Provokant formuliert: Crowdfunding ist intelligente und transparente Planwirtschaft“, so der Berliner IT-Spezialist.
Österreichs erste Crowdfunding-Plattform für eine bessere Gesellschaft – www.respekt.net – wurde 2010 gegründet. Auf dem Online-Marktplatz tummeln sich engagierte Menschen, die Unterstützung für ihre Ideen suchen. Zuletzt rief respect.net dazu auf, den „Pensionshunderter“ der Regierung zu spenden. Das Geld wird dann für Sozialprojekte verwendet. Auch auf der Wiener Crowd-Investment-Plattform Conda werden Investoren für zahlreiche Projekte gesucht. Ab 100 Euro ist man dabei und kann etwa die Produktion von Öko-Jeans, nachhaltiger Energie in Deutschland oder den Anbau von hochwertigen Hanfpflanzen unterstützen.
Bei aller Innovation und Kreativität der Projekte, der KonsumentInnenschutz wirft ein kritisches Auge auf Crowdfunding. „Die Finanzierung von Unternehmen ist grundsätzlich die Aufgabe von Banken“, hält Gabriele Zgubic, Leiterin des AK-Konsumentenschutzes, fest. Im Konkursfall sehe man nämlich von dem so investierten Geld nichts mehr. Sie warnt zudem vor potenziellen Betrügereien.
Missbrauch der Crowd
Zuletzt etwas geriet ein Kitzbüheler Start-up in Verruf, das mit Veranlagungen in Start-ups Werbung machte. Ihm wird vorgeworfen, AnlegerInnen mit falschen Zinsversprechen in die Irre zu führen. Bis der Fall juristisch geklärt ist, muss das Unternehmen die Werbung sofort stoppen. „Man muss sich Versprechen und Verträge sehr genau anschauen. Denn da öffnen sich Türen für Finanzierungsmodelle, die sich sehr nachteilig für VerbraucherInnen auswirken können“, warnt Zgubic.
Gerade bei kleinen Start-ups, die ihre Ideen in medialen Kampagnen sehr gut präsentieren, sei das Risiko besonders hoch. Viele Start-ups überstehen die ersten zwei bis drei Jahre nicht. Für Investoren, die das Risiko bei Jungunternehmen nicht scheuen, sind daher 100 Prozent Verlust ebenso möglich wie im Erfolgsfall eben 100 Prozent Gewinn.Crowdfunding suggeriert laut AK eine Unabhängigkeit von einem durch die Finanzkrise in Misskredit geratenen Kapitalmarkt. Jene AnlegerInnen, die aus diesem Motiv heraus ihr gutes Geld in derlei Projekten anlegen, verzichten aber auf viele Sicherheiten. „Crowdfunding klingt hip, braucht aber auch Regeln“, so Zgubic. Vielen AnlegerInnen sei das Risiko nicht bewusst und sie würden auch nicht ausreichend darauf hingewiesen. Aus KonsumentInnenschutz-Perspektive sind noch „Informationsstandards und gut überlegte Maßnahmen notwendig, um Crowdfunding für KonsumentInnen auf eine sichere Basis zu stellen“.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft laut AK die fehlende Definition von Crowdfunding: Die Bandbreite reicht von Spenden über Genussscheine bis zu nachrangigen Darlehen und stillen Beteiligungen an Unternehmen, an denen sich AnlegerInnen über Internet-Plattformen beteiligen können. Crowdfunding bezieht sich nicht nur auf die Finanzierung von Start-up-Unternehmen und Projekten in unterschiedlichen Sparten, sondern auch auf Spendensammlungen im Internet. Hier bestehe ebenfalls noch Handlungsbedarf.
Linktipps:
www.cucula.org
www.mein-grundeinkommen.de
www.respekt.net
www.conda.eu
Irene Mayer-Kilani
Freie Journalistin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/17.
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