Sozial ist kein Mascherl
Anderen Staaten ist Österreich in Sachen soziales Handeln noch weit voraus, doch auch bei uns knabbern neoliberale Gedankenspiele am System.
Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter – der Sozialstaat steht uns bei. Gleichzeitig muss er die beste Ausgangssituation für die jüngere Generation sicherstellen.
Wie die Maßnahmen des Sozialstaats in Österreich wirken, zeigt u. a. die positive Verteilungswirkung: Haushalte im unteren Einkommensdrittel können ihren Anteil an den Gesamteinkommen von 12,5 auf 20 Prozent steigern.
Diese soziale Funktion wird bei der zunehmenden Ungleichheit der Markteinkommen immer wichtiger.Der Sozialstaat wirkt für alle BürgerInnen: „Pensionssystem und Arbeitslosenversicherungssystem können immer noch als Vorbild dienen, weil sie breiter angelegt sind als in anderen Ländern und mehr Menschen daran teilhaben können“, erklärt Emmerich Tálos, emeritierter Professor für Politikwissenschaft.
Neoliberale Diskurse sind der Gegenentwurf. Bei diesem Ansatz stehen Marktaktivitäten im Vordergrund, nur im Notfall soll es monetäre Transfers geben – der Bedarf wird genauestens nachgeprüft. Ziel ist es, Menschen eigenverantwortlich handeln zu lassen. „Poor services for poor people“, der Staat möchte nicht zu großzügig sein.
Auch in Österreich werden neoliberale Ansätze diskutiert. Tálos: „In der Pensionsversicherung gibt es neoliberale Vorstellungen, dass die individuelle Vorsorge mehr Gewicht bekommt.“
Deutschland ist hier ein schlechtes Beispiel: Dort hat die Riester-Reform das gesetzliche System der Lebensstandardsicherung abgelöst. Ein hoher Teil der Verantwortung für die Alterssicherung wurde den Betriebs- und Privatpensionen überantwortet. Mit drastischen Auswirkungen: Durchschnittliche Pensionen langjähriger Versicherter fallen in Österreich bei Männern um gut 70 Prozent höher aus, bei Frauen ist die Pension gar mehr als doppelt so hoch.