Ein Teufelskreis
Die Globalisierung hat nicht nur dem Mittelstand in Europa oder Nordamerika Wohlstandsgewinne beschert, sondern auch in Ländern wie China oder Brasilien. Dies ist wohl auch einer der Gründe, weshalb sich der Klimawandel zuletzt so beschleunigt hat. Denn der gestiegene Wohlstand wiederum geht mit Konsumgewohnheiten einher, die klimaschädlich sind. Und diese Konsumgewohnheiten wiederum stabilisieren ein Wirtschaftssystem, das Ulrich Brand gemeinsam mit seinem Kollegen Markus Wissen mit dem Begriff „imperiale Lebensweise“ beschreibt (siehe auch Heft 6/2019 „Einmal rund um die Welt“). Darunter fassen sie all diese Aspekte des heutigen Wirtschaftssystems zusammen, und sie weisen darauf hin, wie sehr die einzelnen Aspekte ineinandergreifen und einander geradezu bedingen.
Diese Lebensweise beruht auch darauf, dass viele Produktionsschritte in andere Teile der Welt ausgelagert werden. Dies wird gerne als internationale Arbeitsteilung verharmlost. Oder aber man spricht abstrakt von der Wertschöpfungskette, was ebenfalls verschleiert, dass Menschen aus anderen Regionen der Welt die Drecksarbeit erledigen, wobei die Verschmutzung ihrer Umwelt oftmals billigend in Kauf genommen wird. So zynisch es klingen mag, aber der positive Nebeneffekt der Globalisierung ist, dass viele Produkte hierzulande billig sind, was wiederum gerade Menschen zugutekommt, die wenig Geld zur Verfügung haben.
Laut dem von ihm vorgelegten Sonderbericht ist die Nahrungsmittelproduktion für ein Viertel der menschengemachten Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Die Gewinnung von Ressourcen für die Akkus, mit denen E-Autos betrieben werden, ist dafür ein Beispiel. Ein anderes Beispiel liefert die Landwirtschaft. Anfang August ließ der Weltklimarat aufhorchen: Laut dem von ihm vorgelegten Sonderbericht ist die Nahrungsmittelproduktion für ein Viertel der menschengemachten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Eine wichtige Rolle dabei spielt die industrielle Landwirtschaft, die erst die günstigen Preise für Lebensmittel ermöglicht. Für die Umwelt aber ist sie ein Problem, denn sie laugt die Böden aus und sorgt mit ihren großen Monokulturen für enormen Bedarf an Chemie. Für die Fleischindustrie wiederum werden riesige Mengen an Soja importiert, für das momentan der Regenwald in Brasilien gerodet wird.
Ein weiterer problematischer Aspekt sind Freihandelsabkommen. An sich kann Freihandel bzw. die zugrunde liegende Vorstellung einer internationalen Arbeitsteilung eine gute Sache sein. Die Realität ist aber leider, dass er zur Ausbeutung von menschlichen wie natürlichen Ressourcen beiträgt. Das Freihandelsabkommen etwa, das zwischen EU und den Mercosur-Staaten nun vorliegt, wird nicht umsonst folgendermaßen zugespitzt: Sie kaufen die in Europa produzierten Autos, dafür kaufen wir Soja und Fleisch von ihnen. Welche negativen Konsequenzen ein solch fragwürdiger Tauschhandel haben kann, zeigen die mutwilligen Rodungen im brasilianischen Regenwald.
Wenige gewinnen, viele profitieren
Kurzum: Es gibt durchaus einige GewinnerInnen der aktuellen Wirtschafts- und Lebensweise. Allerdings gibt es auch unzählige VerliererInnen. Denn es ist eine Illusion, dass die Globalisierung Wohlstand für alle bringt. „Wenn wir über Wohlstand sprechen, müssen wir über Kapitalismus sprechen. Und dieser hat kein Wohlstandsversprechen für alle“, hält Politikwissenschafter Brand fest. „Er ist wegen seiner expansiven Logik durchaus in der Lage, für manche Wohlstand zu schaffen. Nur ist die Frage, unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen. Wenn wir über Globalisierung sprechen, wäre immer meine Frage: Zu welchen Bedingungen findet sie statt?“, so Brand. Diese Bedingungen müssen entsprechend gestaltet werden. Genau dafür können sich etwa Freihandelsabkommen sehr wohl eignen – wenn sie denn als solches Instrument genützt werden.
Wenn wir über Wohlstand sprechen, müssen wir über Kapitalismus sprechen. Und dieser hat kein Wohlstandsversprechen für alle.
Ulrich Brand, Politikwissenschafter
Das Problem mit dem Klimawandel aber ist: Naturphänomene halten sich nicht an politische Grenzen. Allerdings ist es nicht so, dass sie alle Menschen gleichermaßen betreffen. Vielmehr sind die Folgen des Klimawandels ungleich verteilt, was sich auch für Österreich belegen lässt. Die Statistik Austria hat untersucht, wie die ÖsterreicherInnen die Umweltsituation einschätzen. „Für alle Umweltbereiche gilt, dass armutsgefährdete Personen diese deutlich schlechter einschätzen als alle anderen Einkommensgruppen“, erläutert AK-Experte Schnetzer. „Je höher das Einkommen ist, desto mehr Haushalte schätzen die Umweltsituation als gut ein.“ Dies hat mehrere Ursachen, eine davon ist sicherlich die Wohnsituation.
Global sehen wir eine Entkoppelung: Die oberen Einkommensschichten verursachen mehr CO2-Emissionen, aber die niedrigeren sind mehr von den Umweltbelastungen betroffen.
Matthias Schnetzer, AK-Verteilungsexperte
Denn wer weniger Einkommen zur Verfügung hat, wohnt öfter in Gegenden, in denen die Umweltbelastungen etwa durch Verkehr höher sind. „Global sehen wir eine Entkoppelung: Die oberen Einkommensschichten verursachen mehr CO2-Emissionen, aber die niedrigeren sind mehr von den Umweltbelastungen betroffen“, so der AK-Experte.
Zurück zu jenem heißen Junitag in Berlin und zur Frage der E-Mobilität. Für Ulrich Brand ist die Strategie der Automobilindustrie nur allzu durchsichtig. „Es ist ein Managementkampf, um die Profitraten zu halten, und nicht, um das Modell umzustellen“, befürchtet er vielmehr. Hält man sich die immer größer werdenden Autos vor Augen, die von den Bändern ebendieser Branche rollen – in Zukunft könnten Pick-ups die ohnehin schon immer riesiger werdenden SUVs ablösen –, so kommen in der Tat Zweifel auf, wie ernst man es mit der Nachhaltigkeit meint. Denn ressourcenschonend sind sie allein schon aufgrund ihrer Größe keinesfalls. Zusätzlich machen sie breitere Straßen und größere Parkplätze nötig, und das wiederum bedeutet weniger dringend benötigte Grünflächen. Und selbst wenn sie in Zukunft alle elektrisch betrieben sind: Von einer 100-prozentigen Abdeckung mit Ökostrom kann keine Rede sein – und das, obwohl der Energieverbrauch weltweit weiter im Steigen ist.