„Diese E-Mobilitäts-Debatte ist verantwortungslos“, ärgert sich Politikwissenschafter Ulrich Brand. Denn die große Hoffnung, dass E-Mobilität einen zentralen Beitrag zum Klimaschutz leisten könne, ist jedenfalls fragwürdig. Denn es ist zumindest kurzsichtig, auf eine Technik zu setzen, die weiterhin darauf beruht, Ressourcen auszubeuten, die endlich sind: „Alle wissen, dass Lithium als Grundstoff für Batterien weltweit nicht reicht, vielleicht noch 15 oder 20 Jahre, wenn man die Flotte komplett umstellen würde“, hält Brand fest. „Aber dann ist der Rohstoff auch weg – und was machen wir dann?“
Diese E-Mobilitäts-Debatte ist verantwortungslos. Alle wissen, dass Lithium als Grundstoff für Batterien weltweit nicht reicht, vielleicht noch 15 oder 20 Jahre, wenn man die Flotte komplett umstellen würde.
Ulrich Brand, Politikwissenschafter
Für den Politikwissenschafter steht die Debatte exemplarisch dafür, dass in der Klimadebatte Grundfragen nicht gestellt werden: „E-Mobilität ist die Fortführung des jetzigen Modells. Dabei wird auf ein Riesenproblem nur eine partielle Antwort gegeben.“ Für ihn geht es nicht um die Frage: E-Mobilität – Ja oder Nein? Vielmehr müsse man verstehen, dass es die bestehende Wirtschaftslogik ist, die uns überhaupt erst in diese schwierige Lage gebracht hat. Sich damit zu konfrontieren ist freilich unbequem – und es ist auch eine Machtfrage.
Deshalb ist es wohl nicht zufällig so, dass die Verantwortung für den Klimaschutz momentan herumgereicht wird wie die sprichwörtliche heiße Kartoffel: Die PendlerInnen seien schuld, weil sie dorthin gezogen sind, wo es keine Öffis gibt. Die KonsumentInnen seien schuld, weil sie Geiz eben geil finden. Die Industrie (inklusive der industriellen Landwirtschaft) sei schuld, weil sie Profite über alles stellt. Die Politik sei schuld, weil sie sich mit den Mächtigen nicht anlegen will. Nun, in all dem steckt das berühmte Körnchen Wahrheit, und doch ist die Welt natürlich komplexer.
Klimaschutz ist eine Verteilungsfrage
Jener des reichsten Prozent ist 277-mal so groß wie jener der ärmsten 10 Prozent.
Zahlen gibt es sehr viele, und es ist nicht immer leicht, den Überblick zu bewahren. Klar ist aber, dass vier Bereiche für die meisten CO2-Emissionen verantwortlich sind: Energie, Verkehr, Industrie und Landwirtschaft. Was den Verbrauch von Privatpersonen betrifft, so zeigen Berechnungen der britischen NGO Oxfam auf, wie sehr Klimaschutz eine Verteilungsfrage ist. Denen zufolge konsumiert klimaschädlicher, wer mehr Geld hat. Rund die Hälfte aller Emissionen werden von den reichsten 10 Prozent verursacht. Die Dimensionen sind nur schwer zu fassen: Der CO2-Fußabdruck der reichsten zehn Prozent ist zehnmal so groß wie jener der unteren 50 Prozent. Jener des reichsten Prozent ist 277-mal so groß wie jener der ärmsten 10 Prozent.
AK-Verteilungsexperte Matthias Schnetzer bestätigt auch für Österreich, „dass die über das Konsumverhalten verursachten CO2-Emissionen mit steigendem Einkommen zunehmen“. Dies habe eine Studie der Wiener Wirtschafts-Uni ergeben. Der AK-Experte kann auch mit Erklärungen aufwarten, warum dem so ist: „Mit steigendem Einkommen steigen auch die absoluten Konsumausgaben, also die Euro, die in den Konsum gesteckt werden. Die Konsumerhebung der Statistik Austria zeigt, dass die höheren Einkommensschichten einen deutlich höheren Teil ihres Konsums für Verkehr, aber auch für Freizeit und Hobbys ausgeben (können) als die unteren.“ Andere Datenquellen wiederum würden die Vermutung nahelegen, dass die unteren Einkommen deutlich öfter mit den Öffis unterwegs sind. „Oben steigt der Kfz-Anteil, aber auch jener der Flugreisen“, hält Schnetzer fest. Somit wird auch deutlich, dass insbesondere jene Menschen, die es sich leisten können, durch eine Veränderung ihrer Konsumgewohnheiten einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnten.
Mit steigendem Einkommen steigen auch die absoluten Konsumausgaben, also die Euro, die in den Konsum gesteckt werden. Die Konsumerhebung der Statistik Austria zeigt, dass die höheren Einkommensschichten einen deutlich höheren Teil ihres Konsums für Verkehr, aber auch für Freizeit und Hobbys ausgeben (können) als die unteren.
Matthias Schnetzer, AK-Verteilungsexperte
Für Politikwissenschafter Ulrich Brand es ist wichtig, die Analyse nicht auf die Oberschicht zu beschränken: „Man muss immer auch die Mittelschicht dazunehmen, sonst verkennt man viel“, betont er. Denn von Bedeutung ist der Statuskonsum, der auf alle ausstrahlt. Freilich gibt es in der Mittelschicht viele Menschen, die sich bemühen, umweltschonend zu leben. Aber es gibt auch eine andere Gruppe, „die ganz aggressiv schaut, dass sie sechsmal im Jahr ihren Kurzurlaub macht, und denen der Status wichtig ist“, beobachtet Brand. Und eben dieser Status wird durch Vergleiche definiert, ob mit NachbarInnen, FreundInnen, Familie oder ArbeitskollegInnen. „Jetzt haben die schon wieder ein neues Auto, sollten wir nicht auch ein neues kaufen? Jetzt haben die ein noch größeres Auto, sollten wir nicht auch ein größeres haben?“ So beschreibt der Politikwissenschafter einen Gedankengang, der wohl vielen Menschen vertraut ist, wobei sich das Auto durch andere Produkte wie Handy, Fernseher oder Computer ersetzen lässt oder aber durch diverse Fernreiseziele.