Coverstory: Nebenbei rund um die Uhr

Foto (C) Michael Mazohl
„Ich war 25 Jahre lang mit Leidenschaft ­Einkäufer und Winzer“, sagt Hannes ­Krauscher. So lange pendelte er zwischen Großhöflein bei Eisenstadt, wo sein Weingut liegt, und Wien, wo er in einer ­Pharmafirma arbeitete. Nun kehrt der ­gelernte Weinbauer zu seinen Wurzeln ­zurück.

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Die Mehrheit der LandwirtInnen in Österreich bewirtschaftet ihren Betrieb inzwischen im Nebenerwerb. Manche haben wie Josef Pfeiffer das Glück, dass sich ihr zweiter Beruf perfekt mit der Landwirtschaft verbinden lässt. Für andere Beschäftigte wie Hannes und Elke Krauscher bedeutet es viel Arbeit, anstrengendes Pendeln und Stress. Und doch machen sie ihre Berufe mit Leidenschaft. Zwei Nebenerwerbs-Familien im Porträt.
Schon wenn man sich der Sporthalle in Hartberg nähert, sieht man, dass an diesem Tag Anfang November etwas Besonderes los ist. Es ist Mittagszeit und der Parkplatz ist voll, Kinder und Jugendliche strömen auf den Eingang zu, in der Halle selbst wuselt es nur so von jungen Menschen. In mehreren Reihen sind Stände aufgebaut, an denen verschiedene Schulen Werbung für sich machen.

Etwas weiter hinten im Raum ist der Stand der Landwirtschaftlichen Fachschule Güssing. Dort spricht Josef Pfeiffer gerade mit mehreren Mädchen, die sich für den Schulzweig Pferdewirtschaft interessieren. Gut gelaunt steht er ihnen Rede und Antwort, verteilt Informationsmaterial und Gebäck. Pfeiffer ist Lehrer an der Schule, nebenbei hat er einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Gemeinde Eltendorf im südlichen Burgenland.

Pfeiffer weiß viel zu erzählen, denn schon seit 34 Jahren bestreitet er mit seinem Lehrergehalt und den Erträgen aus der Landwirtschaft seinen Lebensunterhalt. Wie man diese zwei Berufe unter einen Hut bringt, darauf hat er eine klare Antwort: „Man braucht ein sehr konsequentes Zeitmanagement, egal ob das in der Schule oder in einem anderen Beruf ist. Man muss einfach einen strikten Zeitplan haben.“

Dabei kommen ihm die Stundenpläne und Urlaubsregeln in der Schule entgegen, wie er gesteht: „Da tut man sich natürlich leichter.“ Der große Vorteil im Vergleich zu vielen anderen Nebenerwerbsbauern ist freilich auch, dass sich seine Aufgabe in der Schule und seine Tätigkeit als Bauer perfekt ergänzen. „Als Landwirt in der landwirtschaftlichen Schule zu unterrichten: Es gibt nichts Besseres!“, sagt er begeistert.

Nicht bei allen Nebenerwerbsbäuerinnen und -bauern lassen sich die beiden Berufe so gut vereinbaren wie bei Josef Pfeiffer. Zum Alltag gehört eine solche Doppelbelastung inzwischen für die knappe Mehrheit (53 Prozent) der österreichischen BäuerInnen, die ihre Landwirtschaft als Nebenerwerb betreiben. Der Hauptgrund: Die Landwirtschaft allein bringt nicht genug Geld, um davon den Lebensunterhalt bestreiten zu können.

In vielen Fällen aber müssen BäuerInnen die Landwirtschaft noch neben einem völlig anderen Beruf unterbringen, wie es etwa bei einigen MitarbeiterInnen der voestalpine der Fall ist, denen bisweilen der Volksmund die Mitverantwortung für lange Staus im Berufsverkehr nach Linz gibt.

PendlerInnen-Alltag

Eine solche Situation kennen Hannes und Elke Krauscher nur zu gut. Das Ehepaar betreibt in der direkt an die burgenländische Hauptstadt Eisenstadt angrenzenden Ortschaft Großhöflein ein Weingut. Fast 25 Jahre lang musste Hannes Krauscher den Weinanbau mit seinem anderen Job als Einkäufer bei der Pharmafirma Shire unter einen Hut bringen.

Die Firma hat ihren Sitz in Wien. Täglich pendelte er mit dem Auto in die Hauptstadt, seit elf Jahren gemeinsam mit seiner Frau Elke, deren Arbeitgeber nicht unweit der Pharmafirma residiert. „Ich mache Personalverrechnung in Wien. Und das halt auch nebenbei“, erzählt sie. „Nebenbei rund um die Uhr“, hakt ihr Mann ein.

Krauschers ganzer Stolz ist ein Süßwein namens „Otto“: ein Muskat Ottonel, der aber mit weniger Alkohol auskommt als andere Süßweine. Ansonsten produziert er einen Rosé Sankt Laurent und hat mehrere Rot-, Weiß- und Schaumweine auf der Weinkarte. Es ist kaum übersehbar, mit welcher Leidenschaft er am Werk ist.
Dass der gelernte Weinbauer in der Pharmaindustrie gelandet ist, ist eine Kombination aus Pech und Zufall. Denn an sich hat Krauscher die Höhere Schule für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg absolviert.

Doch dann kam das große Pech. „Ich habe einen super Start in die Berufslaufbahn gehabt“, sagt er mit zynischem Unterton und doch lachend. „Ich habe Anfang Juni 1985 maturiert und Mitte Juni ist der Weinskandal, die Bombe, geplatzt. Da denkst du dir: super Berufswahl!“

Der Traum von einer Laufbahn im Weinbau mit späterer Übernahme des familieneigenen Betriebs war also vorerst geplatzt. Nach ein paar Jahren im Burgenländischen Winzerverband machte er einen kurzen Ausflug in die Versicherungswirtschaft, als er eines Tages von einem Bekannten angesprochen wurde, dass bei Immuno, einer der Vorgängerfirmen von Shire, ein Einkäufer gesucht werde. Kaum hatte er vorgesprochen, war er auch schon engagiert, erzählt Krauscher und lacht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten fand er Gefallen an seinem Job.

Schmerzhafte Entscheidungen

Zu Beginn seiner Berufslaufbahn war das Weingut noch hauptsächlich in den Händen der Eltern. 2003 übernahm er dann von ihnen – und musste gleich eine wichtige wie schmerzhafte Entscheidung treffen, um seine beiden Jobs unter einen Hut bringen zu können. „Wir haben da 13,5 Hektar gehabt. Das ist irre nebenbei“, sagt er rückblickend. Also verkleinerte er die Anbauflächen zunächst auf 9,5 und dann auf 7,68 Hektar.

„Der Plan war: Wir fahren das Weingut von der Größe her so runter, dass es schnuckelig handelbar ist. Weil das Problem, das wir eigentlich über viele Jahre mitgeschleppt haben, war: Wir waren für nebenbei zu groß“, erzählt er. „Vor zwei Jahren haben wir das geändert, weil wir gesagt haben: Es ist immer noch zu viel. Wenn du 20.000 Liter in der Flasche nicht an einen Kunden bringst, weil du die Zeit für den Verkauf nicht hast – weil das ist das Um und Auf –, dann funkt es nicht.“

Seine Frau Elke Krauscher bestätigt: „Es war schon schwierig, die Weine an den Mann oder die Frau zu bringen, weil der Hannes in den letzten Jahren so wenig Zeit gehabt hat.“ Also verkleinerten sie noch einmal, seither hat ihr Weinbaubetrieb eine Größe von 5,5 Hektar.

Foto (C) Michael Mazohl
Josef Pfeiffer hat selbst die Fachschule Güssing besucht und danach eine pädagogische Ausbildung absolviert. „Ich wollte immer zu Hause den Betrieb übernehmen“, erzählt er. Im Jahr 1982 fragte ihn der ­damalige Direktor, ob er nicht ein Jahr als Lehrer einspringen wolle. „Aus dem einen Jahr sind dann mehr als 30 Jahre geworden“,
erzählt er schmunzelnd.

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