Verständlich und salopp
Die Arbeiterkammer tut gut daran, ihre Kommunikationsstrategie darauf einzustellen: in einer modernen Sprache zu sprechen, die alle verstehen. Auch ausreichend salopp. Und zu personalisieren: Die Arbeiterkammer hat großartige Expertinnen und Experten, die sich täglich in der Beratung und der Rechtsvertretung für die Mitglieder einsetzen. Diese Leute gehören vor den Vorhang. Einfach, weil eine gute Geschichte immer mit Personen zu tun hat: Opfern, HeldInnen, Schurken. Die geprellten ArbeitnehmerInnen sind die Opfer, die Unternehmen, die Gesetze nicht einhalten, die Schurken – und die AK-MitarbeiterInnen, die die Rechte der Opfer durchsetzen, sind die HeldInnen. Heldengeschichten erzählt man immer noch besser mit Personen in der Hauptrolle, die aus der Anonymität der Institution hervortreten.
Spricht man mit GewerkschafterInnen und progressiven PolitikerInnen aus anderen Ländern, wird sehr oft mit Bewunderung auf die Institution einer gesetzlichen Interessenvertretung geblickt. Oft aber wird dann die Frage nachgeschoben: Tritt damit die Arbeiterkammer nicht in Konkurrenz zu den Gewerkschaften? Denn: Vertretung und Beratung im arbeitsrechtlichen Einzelfall sind auch wichtige Elemente gewerkschaftlicher Arbeit. Wer sie benötigt, braucht aber keine Gewerkschaften, weil er bei der AK mindestens genauso gute Hilfe erhält. Nun könnte man daraus folgern, dass die Gewerkschaften ein Problem bekommen, wenn eine gesetzliche Interessenvertretung einen Teil ihres Jobs erledigt. In der Realität spielt das aber praktisch keine große Rolle. Gewerkschaften agieren auf betrieblicher Ebene, was die AK nicht tut. Das Rückgrat der Gewerkschaften sind die Betriebsräte. Die Tarifpolitik ist Sache der Gewerkschaften, die AK hat damit nichts zu tun. Es ist ein Dreieck, in dem alle Akteure eine wichtige Funktion erfüllen.
Ist all das altmodisch oder überholt in einer Welt der Ego-Ideologie und des Ich-tums? Das versucht uns die herrschende Ideologie einzureden: dass weniger Solidarität irgendwie mehr wäre – mehr Freiheit, mehr Selbstbestimmung. Jetzt haben wir eine Bundesregierung, die Sprachrohr dieser Herrschaftsideologie ist, sie auch noch mit Ressentiments und Nationalismus verrührt und jede Gegenmacht am liebsten ausmerzen würde.
Herbert Tumpel ist mittlerweile längst in Pension, auch sein Nachfolger schon und neuerdings residiert mit Renate Anderl eine Frau im Präsidentenbüro (erst das zweite Mal in der Geschichte der AK steht eine Frau an der Spitze).
Aus den oberen Etagen der AK-Zentrale, vis-à-vis vom Belvedere, hat man einen packenden Blick auf Wien. Alles sieht von hier oben aus wie immer – die Stadt, die ein bisschen verschlafen wirkt. Menschen, die ihren Geschäften nachgehen. Alles wie gewohnt. Menschen, mit ihrem eigenen Leben. Man kann hier in Gedanken versinken und sich daran erinnern, dass jede Person ihre eigenen Sorgen hat, sich durchkämpft durchs Leben, gegen Widrigkeiten und für ein bisschen Glück. Jede/r ein wenig für sich. Aber in einer guten Gesellschaft doch nicht auf sich allein gestellt.
Und was man auch weiß: Die nächsten Jahre werden keine Kaffeefahrt.
Robert Misik
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/18.
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
robert@misik.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at