Wahrscheinlich ist es noch krasser: In Ländern mit Verbänden, die für Machtbalance sorgen, kann man Staat und Gesellschaft nicht einfach plündern. Aber genau darauf ist eine Kaste aus Raubrittern aus. Ein Beispiel sind die in den vergangenen Jahrzehnten so populären Privatisierungen. Diese wurden schließlich mit einem ähnlichen ideologischen Instrumentarium wie die Deregulierung begründet: Öffentliche Unternehmen seien „ineffizient“, staatliche Aktivität im Wirtschaftsleben würde die Märkte verzerren etc. Die Erfahrung, nicht zuletzt aus der ersten schwarz-blauen Regierung, zeigt aber, dass die Sache sehr viel simpler ist: Privatisierungen geben Raubrittern und ihren Netzwerken die Möglichkeit, den schnellen Schnitt zu machen und öffentliches Vermögen auszuplündern. Privatisierung ist oft nur ein geschöntes Wort für raumfüllende Korruption.
Gegenmacht zu den Machtnetzwerken der wirtschaftlich Privilegierten ist dann am effektivsten, wenn sich möglichst viele Menschen zusammentun – und natürlich dann, wenn diese Gegenmacht staatlich institutionalisiert ist. Die etablierten Machteliten, denen das gegen den Strich geht, können aber natürlich nicht offen rausposaunen: „Wir wollen ungestört unsere Dominanz ausüben und sonst soll niemand etwas zu sagen haben, sondern nur buckeln.“ Deshalb haben sie sich eine Reihe von ideologischen Propagandainstrumenten zurechtgelegt, die der Bevölkerung den Abbau von Institutionen der Gegenmacht schmackhaft machen sollen.
Neben dem „Blockierer-Vorwurf“ und dem Gelaber von der Deregulierung ist das vor allem ein pervertierter Individualismus. In der Arbeitswelt von heute brauche es doch keine kollektiven Institutionen mehr, wird behauptet. Nicht nur die Unternehmen würden heute miteinander in Konkurrenz stehen, sondern auch die Beschäftigten. In der Leistungsgesellschaft (auch so eine gern missbrauchte leere Worthülse) habe es doch jeder und jede selbst in der Hand, aus dem eigenen Leben etwas zu machen. Wer täglich an sich arbeitet und von früh bis spät dem Wettbewerb huldigt, zu dem das Leben geworden ist, ist unverzichtbar und kann sich seine Arbeitsbedingungen selbst aussuchen. Urlaubsregelungen, Arbeitszeit und Lohnniveau verhandelt man am besten mit dem Chef oder der Chefin auf Betriebsebene aus. Und RichterInnen werden wir keine brauchen.
Wunsch nach mehr Solidarität
Für einige Zeit hatte diese betörende Geschichte tatsächlich eine gewisse Wirkung. Heute macht sich aber Katerstimmung breit: Die meisten Menschen haben eher das Gefühl, dass es wieder Zeit für mehr Solidarität ist, weil mit dem Götzendienst am Extremindividualismus einfach ein krankes System geschaffen wurde. Ein System, in dem die Menschen viel zu oft das Gefühl haben, am Ende elementar auf sich allein zurückgeworfen zu sein. Simpel gesagt: Auch deshalb wissen heute viele Menschen wieder, was wir an Institutionen wie der Arbeiterkammer haben.
Realistischerweise muss man davon ausgehen, dass die Regierungsseite ihre Angriffe auf die Arbeiterkammer genau planen wird. Sie wird diese nicht frontal angreifen, denn dazu ist die AK zu populär. Sie wird erst einmal versuchen, die Glaubwürdigkeit der Arbeiterkammer anzugreifen. Sie wird da und dort Geldverschwendung unterstellen, vielleicht irgendwelche Geschichten mit dem Fuhrpark erfinden, die Frage aufwerfen, ob die Kammer denn wirklich so viel Führungspersonal benötigt. Und sie wird all das mit einem Mischmasch an Fake-News verrühren, denn wie wir alle im vergangenen Jahr mitbekommen haben, sind Fakten und die Realität für diese Regierung nicht einmal ungefähre Richtwerte. Selbst der Bundeskanzler hat behauptet, dass die Arbeiterkammer die Reisekosten zur ÖGB-Demonstration gegen den 12-Stunden-Tag übernommen hat – und das nur wenige Tage bevor er einfach verlautbarte, der „Financial Times“-Redakteur, der seine Regierung „far right“ („weit rechts“) nannte, habe sich entschuldigt. Beides war, wie bekannt wurde, einfach erfunden.