Diese Themen scheinen inzwischen wie weggewischt. Die Regierung hat stattdessen wieder das fragwürdige Motto „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ aus der Mottenkiste hervorgeholt. Doch geht es Österreichs Wirtschaft überhaupt so schlecht, dass zahllose Entlastungen zu Ungunsten der ArbeitnehmerInnen vielleicht sogar gerechtfertigt sein könnten? Die Zahlen jedenfalls sprechen eine andere Sprache, wie Christa Schlager, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien, festhält: „Österreich ist das viertreichste Land der Europäischen Union. Das Wirtschaftswachstum wird heuer vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) mit 3,2 Prozent und damit deutlich über dem europäischen Durchschnitt prognostiziert. Die Forschungsquote Österreichs ist mit 3,19 Prozent mittlerweile die zweithöchste in der EU.“
Außerdem zitiert die AK-Expertin eine andere gute Nachricht der Wirtschaftsansiedlungsagentur Austrian Business Agency, die 2017 kürzlich zum Rekordjahr erklärte: 344 Betriebe aus dem Ausland haben sich in Österreich angesiedelt, der höchste Wert seit deren Gründung vor 35 Jahren. „Stabilität, Sicherheit und hoch qualifizierte Fachkräfte werden hier als wesentliche Faktoren angeführt. Es sind nicht die einzigen Erfolgsmeldungen, die derzeit über die österreichische Wirtschaft geschrieben werden.“ Umso irritierender ist es für sie, dass nach wie vor der Wirtschaftsstandort Österreich schlechtgeredet wird. „Diverse Standortrankings, deren Wissenschaftlichkeit die AK schon oftmals kritisiert hat, dienen offensichtlich dazu, Anliegen, die schon lange auf der Wunschliste der Vertreter der Industrie stehen – wie der 12-Stunden-Tag oder Steuersenkungen für Unternehmen –, durchzusetzen.“
Auch der Sozialstaat scheint dieser Regierung ein Dorn im Auge zu sein. Viel zu viele würden profitieren oder ihn gar ausnutzen, wird argumentiert. Die Umverteilung sei ein Problem, denn sie belaste jene, die Höchstleistungen erbringen würden. Erneut werden die Fakten ignoriert. Denn in diese Betrachtung wird nur ein Teil der Abgaben einbezogen, die in die Finanzierung des Sozialstaats fließen, nämlich die Lohnsteuer und die Einkommensteuer. Diese machen aber nur rund ein Sechstel der staatlichen Einnahmen aus, hält AK-Ökonom Markus Marterbauer fest. So treffe zwar die Feststellung zu, dass diese „in erheblichem Ausmaß vom oberen Einkommensdrittel“ stammen. Allerdings sei das „bei einer progressiven Steuer und relativ ungleicher Verteilung der Einkommen“ auch wenig verwunderlich. Unterm Strich zahlen „alle Bevölkerungsgruppen gemessen am Einkommen etwa gleich viele Abgaben“, so Marterbauer. „Nur die unteren und oberen Ränder der Verteilung bleiben leicht zurück.“