Coverstory: Die ignorierte Lücke

Inhalt

  1. Seite 1 - Türkis-blaue Kürzungen beim AMS
  2. Seite 2 - Falsche Unterstellungen: Menschen wollen arbeiten!
  3. Seite 3 - Abschaffung der Notstandshilfe
  4. Seite 4 - Aktion 20.000
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Die Arbeitsmarktpläne der neuen Regierung nehmen immer konkretere Formen an. Ausgerechnet bei jenen, die es jetzt schon schwer haben, Arbeit zu finden, soll gekürzt werden. Warum das Rezept der Regierung, den Druck zu erhöhen, völlig am Problem vorbeigeht.

Mit der türkis-blauen Regierung erlebt Österreich ein Revival des Nulldefizits. Dies lässt befürchten, dass für Investitionen nicht allzu viel Spielraum bestehen wird. Dabei würde es gerade diese brauchen, um die gerne bemühte Wahlfreiheit für Frauen zu ermöglichen. Ob in der Kinderbetreuung, der Pflege oder der Bildung: Für Ingrid Moritz ist hier schon in der Vergangenheit zu wenig weitergegangen. Die AK-Frauenexpertin hält fest: „Wenn man dies gut lösen will, dann muss da einfach viel Geld reinfließen. Weil das sind Jobs, die eine hohe Qualität erfordern, gute Ausbildungen und natürlich auch eine gute Bezahlung. Und genau das geschieht nicht.“ Vielmehr werde es wieder stärker den Frauen zugeschoben, sich um diese Dinge zu kümmern: Tagesmütter sollen gefördert, Au-pairs leichter eingesetzt werden können, Ganztagsschulen erst ab der Mittelschule ausgebaut werden.

„Das ist eigentlich eine ziemliche Watsch’n für die Frauen“, findet Moritz. „Man macht permanent Druck auf die Frauen und putzt sich eigentlich ziemlich elegant ab, dass die notwendigen Investitionen nicht passieren.“ Für die Frauenexpertin ist klar, was nötig wäre. Um den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung voranzutreiben und dies den Gemeinden auch finanziell zu ermöglichen, müsse man die Aufgabenorientierung im Finanzausgleich ernsthaft angehen. Auch in die mobilen Dienste in der Pflege müsse investiert werden sowie in die Pflege insgesamt. Die Arbeit auf 24-Stunden-Pflegerinnen auszulagern hält Moritz aus vielen Gründen für problematisch, von der prekären Situation dieser Menschen angefangen bis hin zur mangelnden Qualitätssicherung. Dass auch noch die Familienbeihilfe für die Kinder gekürzt werden soll, die sie in der Heimat zurücklassen müssen, ärgert sie zusätzlich.

Fehlende Quote

Beunruhigt ist Ingrid Moritz darüber, dass im Regierungsprogramm die Quote für AMS-Förderungen nicht mehr enthalten ist. Bisher war dem AMS vorgeschrieben, 50 Prozent der Mittel für frauenspezifische Maßnahmen einzusetzen. „Laut Statistik sind Frauen zwar weniger von Arbeitslosigkeit betroffen, aber es gibt halt auch mehr unsichtbare Arbeitslosigkeit der Frauen und andere Benachteiligungen“, so Moritz. Mit der Quote sollte dies ausgeglichen werden. „In der Arbeitsmarktförderung hat es irrsinnig wichtige Programme gegeben.“ Als Beispiel nennt sie das Programm „Fit – Frauen in technische Berufe“. „Da wird jetzt möglicherweise einiges eingespart“, befürchtet die Frauenexpertin.

WIFO-Experte Mahringer beschreibt das Spannungsfeld der türkis-blauen Frauenpolitik folgendermaßen: „Ich glaube, da muss man auf eine konsistente Politik achten. Es ist zum Beispiel in der Gesamtpolitik-Konzeption relativ ineffizient, wenn man zugleich lange Karenzunterbrechungen forciert und zugleich Reintegrationsbemühungen für Wiedereinsteigerinnen setzt. Das beißt sich.“ Im Regierungsprogramm steht „ein bisschen kryptisch“, so Moritz, dass der Kündigungsschutz bei der längstmöglichen Variante des Kinderbetreuungsgeldes verändert werden soll. „Das heißt eigentlich, dass man es leichter möglich machen will, länger in Karenz zu gehen“, so die AK-Expertin. Das aber sei eine „typische Falle“. Denn zahllose Studien haben eindeutig belegt, dass das lange Fernbleiben von Frauen vom Arbeitsmarkt ihre Wiedereinstiegschancen massiv schmälert.

Doch zurück zu den Sanktionen, die von der Regierung als wesentliches Instrument zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit propagiert werden: Inwieweit kann dieses den Anspruch erfüllen, dass Menschen schneller wieder einen Job annehmen? Das WIFO hat sich das genauer angesehen, das Ergebnis fasst Mahringer vorsichtig, aber doch klar zusammen: „Man findet keine Evidenz dafür, dass mehr Sanktionen markant dazu beitragen würden, dass die Leute eher in Arbeit zurückgehen.“

Den verstärkten Druck auf Arbeitslose hält AK-Expertin Hofbauer für das falsche Instrument. „Die Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen geht einfach am Problem vorbei, weil es genügend Menschen gibt, die von Arbeitgebern nicht eingestellt werden“, so Hofbauer. Die Betriebe müssten gute Arbeitsbedingungen bieten, damit Menschen die Arbeit auch annehmen wollen bzw. dazu bereit sind, sogar ihren Wohnsitz zumindest temporär zu verlegen und dafür vielleicht sogar die Familie zu verlassen. Im Tourismus etwa, der momentan laut nach Fachkräften ruft, sieht sie genau in den schlechten Arbeitsbedingungen und der schlechten Bezahlung das eigentliche Problem.

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Über den/die Autor:in

Sonja Fercher

Sonja Fercher ist freie Journalistin und Moderatorin. Für ihre Coverstory im A&W Printmagazin zum Thema Start-ups erhielt sie im Juni 2018 den Journalistenpreis von Techno-Z. Sie hat in zahlreichen Medien publiziert, unter anderem in Die Zeit, Die Presse und Der Standard. Von 2002 bis 2008 war sie Politik-Redakteurin bei derStandard.at. Für ihren Blog über die französische Präsidentschaftswahl wurde sie im Jahr 2008 mit dem CNN Journalist Award - Europe ausgezeichnet.

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