Technik im Sinn der Menschen
Fazit: Um die in Österreich errungene betriebliche Mitbestimmung wird gekämpft werden müssen, um das Modell auch in Zukunft aufrechtzuerhalten. „Die Globalisierung stellt uns hier vor zunehmende Herausforderungen. Wir arbeiten emsig daran, Wege zu finden, Wirtschaftsdemokratie auch künftig zu verankern. Leicht wird das aber nicht werden“, so Leitsmüller. Ähnliches gelte für die Digitalisierung. Denn Technik sei nichts Gottgewolltes, sondern wurde von Menschen mit bestimmten Zielen geschaffen. Betriebsräte versuchen hier nun stärker Einfluss darauf zu nehmen, was das Unternehmen an neuen Systemen entwickelt. Leitsmüller verweist hier auch auf den Digifonds der AK, mit dem Digitalprojekte, in die sich auch MitarbeiterInnen einbringen, mit insgesamt 150 Millionen Euro über fünf Jahre gefördert werden.
Die Globalisierung stellt uns hier vor zunehmende Herausforderungen. Wir arbeiten emsig daran, Wege zu finden, Wirtschaftsdemokratie auch künftig zu verankern. Leicht wird das aber nicht werden.
Heinz Leitsmüller, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft in der AK Wien
Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Vieles an digitaler Infrastruktur wird von internationalen Konzernen entwickelt, die sich heute als Monopolisten darstellen, wie etwa Facebook oder Google. „Im Grunde bedarf es da eines Regulators“, so Leitsmüller. Längst geht es aber nicht nur um wirtschaftliche Vorteile, die sich aus den Monopolstellungen dieser Unternehmen ergeben. Es geht auch um den Umgang mit Daten und das Vermeiden von Missbrauch. „Und da sind wir erst in der ersten Minute. Es gibt ein Problembewusstsein, aber die Lösungsansätze sind in den Kinderschuhen.“
Veränderte Entscheidungsprozesse
Wie steht es angesichts all dieser Entwicklungen um die Zukunft der Wirtschaftsdemokratie, also der Mitbestimmung von ArbeitnehmerInnen? Und was bedeutet es, wenn sich auch die Demokratie im Allgemeinen verändert? So befinden manche, dass wir uns im Übergang von der Demokratie in die Postdemokratie befinden. Mit diesen Phänomenen beschäftigt sich unter anderem der deutsche Sozialwissenschafter Alex Demirović.
Betriebliche Mitbestimmung ist nicht in jeder Kultur der Welt verankert. Deutschland und Österreich sind hier Best-Practice-Modelle.
Alex Demirović, Sozialwissenschafter
In der Einleitung des von ihm herausgegebenen Bands „Wirtschaftsdemokratie neu denken“ hält er diese Analyse zwar für problematisch. „Doch sie weist auf Erosionstendenzen und strukturelle Veränderungen der Institutionen der repräsentativen Demokratie hin.“ So werden Entscheidungen „vielfach jenseits formeller Gremien und Verfahren in Governance-Mechanismen oder informellen Absprachen vorbereitet und getroffen. Unternehmen wirken direkt in den Gesetzgebungs- und Entscheidungsprozess hinein.“ Die Folge: „Gewerkschaften als Akteure der Willensbildung sind in den vergangenen drei Jahrzehnten durch wirtschaftliche Prozesse und bewusste politische Entscheidungen erheblich geschwächt worden.“
Trifft dieser Befund auch für Österreich zu? Teils ja, sagt AK-Expertin Filipič. Sie nennt als Beispiel die gravierenden Veränderungen in der Zusammensetzung der Entscheidungsgremien der Sozialversicherungsträger zulasten der ArbeitnehmerInnen. Es sei aber auch eine Abkehr von bisherigen sozialpartnerschaftlichen Entscheidungsfindungen unter der letzten Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz zu beobachten gewesen – Stichwort Arbeitszeitflexibilisierung. Das ging dann auch noch einher mit einer Abkehr von bisherigen Usancen in der parlamentarischen Entscheidungsfindung.
Unterm Strich sieht Filipič die Institutionen der Arbeitsbeziehungen in Österreich – vor allem im Vergleich zu anderen Ländern – jedoch „noch vergleichsweise stabil“. Das sei etwa an der hohen kollektivvertraglichen Abdeckung (die in Österreich laut ÖGB-Experten Martin Müller 98 Prozent beträgt), den Kollektivvertragsverhandlungen oder aber der gut funktionierenden Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten festzumachen.
Leitsmüller nennt einen Bereich, in dem jüngst gekämpft wurde und in dem Fortschritte erreicht werden konnten: die Betriebsratsgründung bei Foodora, die in der Folge auch zu einem Kollektivvertrag für FahrradzustellerInnen geführt hat. Kämpfen lohne sich also – auch wenn die Rahmenbedingungen sowohl auf politischer Seite als auch auf der Seite der Unternehmen (Stichwort: Globalisierung) immer schwieriger werden.
Alexia Weiss
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/19.
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