Coverstory: Den Kampf niemals aufgeben

Inhalt

  1. Seite 1 - Ursprünge der Mitbestimmung
  2. Seite 2 - Selbstermächtigung der ArbeitnehmerInnen
  3. Seite 3 - Das österreichische Modell verteidigen
  4. Seite 4 - Von der Demokratie in die Postdemokratie?
  5. Auf einer Seite lesen >
Für demokratische Strukturen in Staat und Gesellschaft wurde lange gekämpft. Doch das Erreichte darf nicht als selbstverständlich angesehen werden: Man muss es stets verteidigen und sich weiter dafür einsetzen. Das gilt auch für die Mitbestimmung von ArbeitnehmerInnen in der Wirtschaft allgemein und in den einzelnen Betrieben im Besonderen. Noch ist Österreich hier ein Best-Practice-Beispiel. Doch die aktuellen Herausforderungen sind groß.

Demokratie ist nichts Statisches –
auch nicht in einem Betrieb. Eine gute Unternehmenskultur bedingt sowohl
eine konsensorientierte Führungsebene als auch einen aktiven Betriebsrat. Schwierig wird es, wenn die Unternehmensleitung nicht mehr in Österreich, sondern im Ausland sitzt.

Noch gibt es die Konsenskultur

„Ja, die ArbeitnehmervertreterInnen stellen hier nur eine Minderheit und können von den KapitalvertreterInnen überstimmt werden“, räumt Leitsmüller ein. Aber erstens gehe es auch um den Zugang zu Informationen, der damit schon gewährleistet sei. Und zweitens gebe es in Österreich eine Tradition der Konsenskultur. Das Gros der Unternehmen möchte, dass auch die Betriebsratsmitglieder bei großen Weichenstellungen im Betrieb mitstimmen. Dem gehen dann entsprechende Verhandlungen voraus.

Ein Blick auf den Strukturwandelbarometer 2019 der AK, für den 300 Betriebsratsmitglieder aus privatwirtschaftlichen Unternehmen befragt wurden, zeigt allerdings: Die ArbeitnehmervertreterInnen werden zwar umfassend in die Entscheidungsprozesse eingebunden (83 Prozent antworteten mit „sehr“ oder „eher schon“) – aber nur 53 Prozent fühlten sich auch ausreichend in die dann gefällten Entscheidungen miteingebunden. Gehört wird der Betriebsrat vor allem, wenn es um Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz geht (91 Prozent). Der Wert wird mit 35 Prozent aber merklich geringer, wenn es sich um wirtschaftliche Mitbestimmung und Unternehmensstrategien handelt. Insgesamt zeichnen die befragten BelegschaftsvertreterInnen aber ein durchaus positives Bild.

Globalisierung und Liberalisierung

Traditionen können allerdings auch ins Wanken geraten. In Westeuropa haben nach dem Zweiten Weltkrieg wesentliche Errungenschaften wie keynesianische Wirtschaftspolitik, Vollbeschäftigung, leistungsfähige Wohlfahrtsstaaten „die Übermacht des Kapitals eingegrenzt“, konstatiert AK-Expertin Filipič. „In den vergangenen drei bis vier Dekaden sind diese Einhegungen jedoch zunehmend erodiert, unter anderem durch Globalisierung und Internationalisierung, Standortwettbewerb, Liberalisierung der Finanzmärkte und teils massiven Rückbau der Sozialstaaten. Dazu kommt die zunehmende zeitliche, örtliche, regulative Entgrenzung von Arbeit, steigende Ungleichheit, Schwächung der Gewerkschaften und vieles mehr.“

In den vergangenen drei bis vier Dekaden sind diese Einhegungen (keynesianische Wirtschaftspolitik, Vollbeschäftigung, leistungsfähige Wohlfahrtsstaaten) jedoch zunehmend erodiert, unter anderem durch Globalisierung und Internationalisierung, Standortwettbewerb, Liberalisierung der Finanzmärkte und teils massiven Rückbau der Sozialstaaten.

Ursula Filipič, Referentin für Sozialpolitik in der Arbeiterkammer Wien

Österreichisches Modell verteidigen

Leitsmüller skizziert anschaulich, wo in der Praxis immer öfter das Problem liegt: „Betriebliche Mitbestimmung ist nicht in jeder Kultur der Welt verankert. Deutschland und Österreich sind hier Best-Practice-Modelle. Wenn aber zum Beispiel Firmen aus dem angloamerikanischen Raum oder Asien heimische Unternehmen aufkaufen, können die neuen Eigentümer mit dem hiesigen Modell der Mitbestimmung nichts anfangen.“

Betriebliche Mitbestimmung ist nicht in jeder Kultur der Welt verankert. Deutschland und Österreich sind hier Best-Practice-Modelle.

Heinz Leitsmüller, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft in der AK Wien

Ähnliches gelte für internationale Konzerne, die in Österreich einen Standort eröffnen. Zum Problem werde es also, wenn die Entscheidungen nicht mehr in Österreich, sondern im Ausland getroffen werden. Da gebe es dann zwar zum Beispiel einen Geschäftsführer hier in Österreich, doch der könne nicht selbstständig handeln. Der Betriebsrat habe also kein starkes Gegenüber mehr. Das schwäche auch den Handlungsspielraum des Betriebsrats.

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  1. Seite 1 - Ursprünge der Mitbestimmung
  2. Seite 2 - Selbstermächtigung der ArbeitnehmerInnen
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Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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