Coverstory: Das Wackelhaus

Inhalt

  1. Seite 1 - Angebot und Problem Befristung
  2. Seite 2 - Schleichende Privatisierung
  3. Seite 3 - Kluge Raumordnung
  4. Auf einer Seite lesen >
Massive Preisanstiege, MaklerInnengebühren, Befristungen und intransparente Zuschläge: Wohnungssuchende kämpfen mit vielen Schwierigkeiten. Wie schaffen wir es, dass städtisches Wohnen wieder leistbar wird?

Der AK-Wohnbonus würde dafür sorgen, dass bis zu 10 Prozent der Wohnkosten pro Jahr von der Steuer abgesetzt werden können.
GeringverdienerInnen könnten in Form einer Steuergutschrift profitieren.

Kluge Raumordnung

Gerald Fröhlich, volkswirtschaftlicher Referent in der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Niederösterreich, setzt dabei noch einen Schritt davor an. Ihm zufolge ließe sich das Wohnraumproblem bereits früher abfedern: mit einer klugen Raumordnungspolitik. Zunächst sollte leistbares Wohnen im Raumordnungsrecht verankert werden. Zudem ist leistbares Wohnen ein überörtliches Planungsthema. Fröhlich argumentiert daher, dass gemeinsame Lösungen gefunden werden müssen – über Gemeinde- und Landesgrenzen hinweg. Als weitere Maßnahme nennt er die spezifische Widmung, die den leistbaren Wohnraum unterstützt: „Das Reservieren geeigneter Flächen für den förderbaren Wohnbau bzw. geförderten Wohnbau durch Ausweisung im Flächenwidmungsplan sollte im Raumordnungsrecht verankert werden.“

Weiters sorgen Dichtebestimmungen für mehr Qualität, denn „ein zusätzliches Angebot an Wohnraum kann nicht nur durch zusätzliche Baulandwidmungen erfolgen. Eine Erhöhung der Bebauungsdichte an geeigneten Standorten ist eine gute Alternative.“ Last, but not least soll laut Fröhlich ein Mix an Maßnahmen die Baulandmobilisierung vorantreiben. „Das Ziel muss sein, dass geeignete Flächen in den Gemeinden, die Wohnungsbedarf aufweisen, zur Verfügung stehen.“

Egal, an welcher Stelle man ansetzt, immer wieder taucht die Frage auf, wie vor allem städtisches Wohnen wieder leistbar gemacht werden kann.

Egal, an welcher Stelle man ansetzt, immer wieder taucht die Frage auf, wie vor allem städtisches Wohnen wieder leistbar gemacht werden kann. Lukas Tockner, Referent für Wohnungspolitik der AK Wien, macht dies deutlich: „Damit die Kosten für das Wohnen nicht einen noch höheren Anteil des Einkommens der Haushalte verschlingen, braucht es vor allem eine Ausweitung des sozialen Wohnungsangebots und eine Reform des Mietrechts.“ Diese Forderungen stellt die Arbeiterkammer auch an die neue Regierung.

Allem voran steht dabei der Ausbau des Angebots an leistbaren Wohnungen, der nur über mehr geförderten Wohnbau erreicht werden kann. Zudem macht sich die AK gegen Mietwucher und für Begrenzungen bei Mieten stark. Bisher ist es zwar so, dass es im Altbau Begrenzungen der Mieten gibt, allerdings funktionieren diese in der Praxis selten. Oft müssen MieterInnen für die korrekte, niedrigere Miete streiten, was sich nicht nur langwierig gestaltet, sondern auch mit Unsicherheiten und Kosten verbunden ist. Es braucht daher Mietenbegrenzungen, die auch in der Praxis funktionieren.

Es braucht eine Ausweitung der Richtwertmieten.

Zudem braucht es aber auch eine Ausweitung der Richtwertmieten; das ist jener Betrag, der maximal monatlich pro Quadratmeter verlangt werden darf. Um diese auch durchzusetzen, müssen Strafen deutlich spürbar werden, etwa durch eine doppelte Rückzahlung. Eine weitere Forderung der AK ist der sogenannte Wohnbonus. Dieser würde dafür sorgen, dass bis zu 10 Prozent der Wohnkosten (maximal 500 Euro pro Jahr) von der Steuer abgesetzt werden können. GeringverdienerInnen könnten vom Wohnbonus in Form einer Steuergutschrift profitieren. Weiters tritt die AK gegen befristete Mietverträge und gegen Maklergebühren auf. Und im Zuge einer Mietrechtsreform soll das Mietrecht verständlich, gerecht und transparent gestaltet werden.

Dass „leistbares Wohnen“ nicht nur in Österreich ein zentrales Thema darstellt, das politisches Handeln erfordert, zeigt die Europäische Bürgerinitiative „Housing for All“. Denn europaweit gesehen gibt jeder vierte Haushalt fast die Hälfte des Einkommens für Wohnen aus. Von der EU wird daher gefordert, „bessere rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für mehr bezahlbares und soziales Wohnen“ zu schaffen, so Karin Zauner, Sprecherin der Initiative „Housing for All“. Bis zum 18. März 2020 kann die Initiative unter www.housingforall.eu unterschrieben werden, damit die dringenden Wohnanliegen der EU-BürgerInnen von der Kommission und dem Europäischen Parlament behandelt werden.

Tickende Zeitbombe

AK und Gewerkschaften sind sich einig: Wohnen darf kein Luxus sein. Leistbares Wohnen braucht vermehrte politische Aufmerksamkeit. Und das rasch. Denn die Kombination aus explodierenden Mieten und stagnierenden Einkommen kommt einer tickenden Zeitbombe gleich. Deshalb muss das geförderte Wohnungswesen weiter ausgebaut werden, die Rechte von MieterInnen müssen gestärkt werden und ihre wohnungsbedingten Aufwände sinken. Denn das Dach über dem Kopf darf keinesfalls zur Existenzfrage werden.

Von
Beatrix Mittermann

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/19.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion
aw@oegb.at

Inhalt

  1. Seite 1 - Angebot und Problem Befristung
  2. Seite 2 - Schleichende Privatisierung
  3. Seite 3 - Kluge Raumordnung
  4. Auf einer Seite lesen >

Über den/die Autor:in

Beatrix Ferriman

Beatrix Ferriman hat internationale Betriebswirtschaft an der WU Wien, in Thailand, Montenegro und Frankreich studiert. Sie ist Autorin, Schreibcoach sowie freie Redakteurin für diverse Magazine und Blogs.

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.