Coverstory: Das Streben nach unbefleckter Freiheit

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Ohne Geld findet keine Forschung statt. Doch jede finanzielle Zuwendung birgt auch das Interesse an einer Gegenleistung. Deshalb ist es wichtig, diese Einflüsse transparent zu machen.

Österreich ist anders

„Auch in Österreich stellen wir einen höheren Drittmittelanteil von privaten Institutionen fest“, erklärt Markus Scholz. Doch beim Thema Transparenz haben die österreichischen Hochschulen noch großen Aufholbedarf. „Es gibt zwar Zahlen, die an das Ministerium weitergegeben werden, doch diese sind hoch aggregiert. Es ist kaum nachzuvollziehen, wer wem wie viel Mittel zur Verfügung stellt.“ Das scheint den Universitäten und Fachhochschulen derzeit ausreichend zu sein. Für BürgerInnen wird aber nicht deutlich, welches Institut von welchem Unternehmen wie viel Zuwendungen bekommt. Dies liegt vor allem an fehlenden konkreten Berichtspflichten für die Fachhochschulen, pädagogischen Hochschulen und Privatuniversitäten.

Problematisch ist zum anderen das Amtsgeheimnis, das in Österreich (EU-weit einzigartig) noch immer im Verfassungsrang steht und die Hochschulen daher, auch auf Anfrage, nicht zu einer Veröffentlichung spezifischer Informationen hinsichtlich ihrer Finanzierung verpflichtet. Transparency Austria arbeitet derzeit an einer Vorstudie, die sich mit Interessenkonflikten, die an Hochschulen mit privaten Drittmittelkooperationen auftreten können, befasst. In Deutschland ist die „Wissenschaftsfreiheit“ Teil des Grundgesetzes, dort sind laut Definition Wissenschaft, Forschung und Lehre frei. Markus Scholz: „Der Unterschied zu Österreich ist, dass an deutschen Fachhochschulen und Universitäten ein sehr viel geringeres Weisungsrecht der kaufmännischen Geschäftsführung herrscht.“

Transparency International fordert deshalb, dass es bei der Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen klare Regelungen und Verbindlichkeiten geben muss. Folgende Fragen sollten geklärt sein: Von wem kann ich Geld annehmen? Wer sollte prinzipiell vom Hochschul-Sponsoring ausgeschlossen werden (etwa Waffen-, Tabak-, Glücksspielbetriebe)? Auch innerhalb der Universitäten muss es Richtlinien zu Drittmitteln und nachvollziehbare Kriterien bei Stellenbesetzungen geben, ebenso Regelungen zu Interessenkonflikten. „Die TU München ist in vielen Bereichen genauso wie das Fraunhofer-Institut und die Max-Planck-Gesellschaft ein Vorbild, sie haben eine klare Governance-Struktur aufgebaut“, so Scholz.

Foto (C) Michael Mazohl
Grundsätzlich ist eine Zusammenarbeit zwischen den Universitäten und der Wirtschaft positiv zu sehen. Problematisch wird es aber, wenn es keine Regeln dafür gibt. Gerade in Österreich muss noch einiges getan werden, denn es ist nicht erkennbar, welches Institut von welchem Unternehmen wie viel Zuwendungen bekommt.

Auflistung der Firmenkooperationen

In Deutschland ist der Umgang mit Drittmitteln transparenter. Dort gründeten die Tageszeitung taz, Transparency International und der Studentenverband fzs (freier zusammenschluss von studentInnenschaften) 2013 das Projekt „Hochschulwatch“ (www.hochschulwatch.de), um Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Hochschulen aufzudecken und zu dokumentieren. Mehr als 10.000 Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen sind mittlerweile auf „Hochschulwatch“ gelistet: Spenden und Sponsoring-Verträge, aber auch rund 1.000 Stiftungsprofessuren. Das erklärte Ziel des Projekts ist es, die Einflussnahme der Wirtschaft auf die universitäre Forschung zu diskutieren. Bei strategischen Partnerschaften und Stiftungsprofessuren müsse die Öffentlichkeit während der gesamten Dauer über deren Inhalt informiert werden.

Markus Scholz von „Academic Governance“: „Problematisch wird es, wenn die Unternehmen in der (Professoren-)Berufungskommission vertreten sind.“ Abzulehnen sei es auch, wenn etwa ein Stifter – weil er sich finanziell engagiert – eine Bewerberin oder einen Bewerber wegen der politischen Ausrichtung ablehnen kann. „Wir brauchen mehr Transparenz. Ich muss als Gesellschaft in der Lage sein zu verstehen, welche Akteure welche Wissenschafter unterstützen, um dann auch die Ergebnisse kritisch hinterfragen zu können“, fordert Scholz.

Sein und Schein

Wie objektiv Ergebnisse von Auftragsforschungen sind, ist umstritten. In der biomedizinischen Forschung wurde etwa ein sogenannter „funding effect“ nachgewiesen. Und im Buch „Science in the Private Interest“ (2003) zeigt Autor Sheldon Krimsky, dass Studien, die von Firmen gesponsert werden, mit viel größerer Wahrscheinlichkeit – verglichen mit Studien, die aus Non-Profit-Quellen finanziert wurden – Resultate im Sinne des Sponsors zeigen. Allerdings muss das kein Resultat einer bewussten Manipulation sein: Die empirische Evidenz zeigt, dass selbst ehrliche Menschen unbewusst einer selbstdienlichen Wahrnehmungsverzerrung (self-serving bias) unterliegen. Die Wahrnehmung wird zugunsten eines möglichen Geldgebers subtil beeinflusst, auch wenn kein Geld fließt.

Von der Industrie finanzierte Forschungen stellen die Wirksamkeit und Sicherheit neuer Produkte signifikant freundlicher dar als unabhängige Arbeiten. Das schafft bedenkliche Anreize, vornehmlich in die Richtungen zu forschen, die mögliche Sponsoren anziehen, und Forschung zu vermeiden, die unangenehm werden könnte. In diesem Zusammenhang schrieb die deutsche Ökonomin Margit Osterloh in der „Weltwoche“: „Ein Zürcher Ökonomiestudent beschwerte sich, dass er in seinem Studium seit dem Ausbruch der Finanzkrise kein kritisches Wort über die Großbanken gehört habe.“ Am Bankenplatz Zürich – mit seinen von Banken gesponserten Lehrstühlen – ist das sicher kein Zufall.

Von
Sophia Fielhauer-Resei und Christian Resei

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/17.

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