So macht Camila Schmid Iglesias Unternehmen weniger rassistisch

Portrait Camila Schmid Iglesias.
Für Camila Schmid Iglesias ist Diversität mehr als die Erfüllung von Quoten. Neben dem Studium der „Internationalen Beziehungen“ in Berlin führt sie Antirassismus-Workshops in Unternehmen und Organisationen durch. | © Sophie Kirchner
Der Verein DISRUPT bietet Antirassismus-Workshops für Unternehmen an und vermittelt Diversität als ein Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme und Achtsamkeit. Arbeit&Wirtschaft sprach mit der Mitbegründerin Camila Schmid Iglesias.
Camila Schmid Iglesias wuchs als Schwarzes Mädchen in einer österreichischen Kleinstadt auf. Da habe sie schon früh Erfahrungen mit „Rassismus als Macht- und Unterdrückungssystem“ gemacht, wie sie erzählt. Ihre Mutter habe ihr damals erklärt, was passiere, und sie darin bestärkt, sich zu wehren. Deshalb entschied Camila Schmid Iglesias sich später auch für ein „Public Governance“-Studium, das sich mit öffentlicher Verwaltung befasst. Derzeit absolviert sie ihren Master im Fach „Internationale Beziehungen“ in Berlin und arbeitet für den Verein DISRUPT und die von ihr ebenfalls mitbegründeten Initiativen Re-Define Racism und RAGE Kollektiv.

Arbeit&Wirtschaft: Beim Begriff Diversität haben Menschen oft ganz unterschiedliche Vorstellungen. Was meinen Sie, wenn Sie von Diversität in der Arbeitswelt sprechen?

Camila Schmid Iglesias: Ich will aufzeigen, dass Menschen sehr verschiedene Lebensrealitäten haben und es daher am Arbeitsplatz um ein gutes Miteinander geht. Diversität bedeutet also nicht, dass in einer Firma eine Schwarze Frau in einer Führungsposition ist. Wenn sie dann ebenso Macht- und Unterdrückungssysteme reproduziert wie andere Führungskräfte, die dazu führen, dass Arbeiter:innen zum Beispiel ausgebeutet werden oder sich Menschen an ihrem Arbeitsplatz unwohl fühlen, dann hat sich nichts verbessert. Wenn wir aber berücksichtigen, dass es Menschen gibt, die in der Familie Pflegeverpflichtungen haben, wenn wir aufeinander hören, darauf achten, was der:die Einzelne braucht, wird es uns auch am Arbeitsplatz besser gehen.

Arbeitgeber:innen sind nicht nur für die
physische, sondern auch für die mentale Gesundheit
der Arbeitnehmer:innen verantwortlich. 

Camila Schmid Iglesias,
Antirassismus-Trainerin

Wie divers ist die Arbeitswelt heute?

Das ist je nach Branche unterschiedlich. Aber in prekären Jobs arbeiten meist Personen, die von einer Mehrfach-Marginalisierung betroffen sind, zum Beispiel rassifizierte Frauen, die bereits Rassismuserfahrungen gemacht haben. Und sie bekommen dann oft weder Rückhalt von Kolleg:innen noch von Führungskräften. Diese Erfahrung musste ich bei einem Job in einer großen Supermarktkette in Österreich leider auch selbst machen.

Was ist da konkret passiert?

Wenn sich Kund:innen rassistisch und diskriminierend äußern, erwartet das Unternehmen oft, dass Mitarbeiter:innen ihre Menschenwürde herunterschrauben und sich das einfach gefallen lassen. Genau das ist mir passiert. Nur habe ich mir das nicht gefallen lassen und etwas gesagt. Danach wurde mir vermittelt, dass der Kunde dennoch wie ein König behandelt werden müsse und dass, wenn das nochmals passiere, ich also in so einer Situation nicht schweige, ich den Arbeitsplatz verlassen solle. Ich war damals in einer privilegierten Situation, denn das war nur ein Ferienjob, und ich bin sofort gegangen. Die meisten Leute haben diese Möglichkeit aber nicht.

Der Verein DISRUPT bietet Antirassismus-Workshops an Schulen, aber auch für Unternehmen an. Wer ist hier die Zielgruppe: eher die Führungsebene oder eher die Belegschaft?

Wir müssen uns alle, egal in welcher Position wir sind, mit sozialen Zuständen auseinandersetzen. Wenn ich in der Führungsebene sitze, kann ich dafür sorgen, diskriminierungsfreie Strukturen im Unternehmen zu etablieren. Für Beschäftigte geht es darum, sich selbst zu ermächtigen und Wege zu finden, mit der Führungsebene zu kommunizieren. Es gibt aber auch noch eine andere Perspektive: Wenn wir zum Beispiel Workshops in der Gastronomie oder einem Unternehmen im Bereich öffentlicher Verkehr machen, sind diese Mitarbeiter:innen oft beruflich mit vielen Menschen in Kontakt. Auch da braucht es Sensibilität. Im Kern geht es immer um den Umgang miteinander, auch wenn die Themenstellungen variieren: In dem einen Betrieb steht die Mehrsprachigkeit mehr im Vordergrund, in dem anderen Barrierefreiheit.

Wie läuft eine solche Schulung ab?

Das kommt ganz darauf an, ob wir aufgrund eines bestimmten Ereignisses eine Intervention durchführen – das ist häufig der Fall – oder ein Unternehmen verschiedenste Bildungsformate anbietet und dieses eines davon ist. In jedem Fall loten wir zunächst in einem Input-Teil aus, welche Aspekte die Teilnehmer:innen besonders betreffen oder interessieren, und dann entwickeln wir gemeinsam konkrete Handlungsmöglichkeiten und Strategien. Wir wollen in den Workshops Räume öffnen und die gemeinsame Zeit möglichst gut nutzen, um uns auszutauschen. Ein Mittel ist hier zum Beispiel Humor, da kommen Menschen mehr aus sich heraus. Wichtig ist, niemanden an den Pranger zu stellen und stattdessen aufzuzeigen, dass wir in einer Gesellschaft leben, die von Strukturen und Dynamiken durchdrungen ist, die zu Diskriminierung führen. Wenn man das erkannt hat, kann man leichter dagegen vorgehen.

Gibt es auch problematische Reaktionen von Teilnehmer:innen?

Das ist sehr unterschiedlich. Aber ja, allein weil du eine Frau bist, wird dir von manchem einfach die Expertise abgesprochen. Und dann nehmen Menschen an so einem Workshop manchmal auch nicht freiwillig teil, sondern weil es der:die Arbeitgeber:in möchte. Grundsätzlich ist daher zu sagen: Solche Angebote laufen nur konstruktiv ab, wenn die Leute sich auch darauf einlassen. Manche schaffen das leider nicht.

Was kann sich für Betroffene von Diskriminierung durch solch ein Schulungsangebot verändern?

Idealerweise fühlt sich eine Person nach so einem Workshop wohler an ihrem Arbeitsplatz. Hier wird ein Stein ins Rollen gebracht, um sich auszutauschen und umzudenken. Ich freue mich aber auch schon, wenn jemand nach Hause geht und sich denkt: In diesem Workshop habe ich heute ein gutes Gespräch mit dieser einen Person geführt. Dass sich eine Firma nach solch einer Schulung „antirassistisch“ auf die Fahne schreiben kann, das geht nicht. Dazu bedürfte es eines umfassenden Prozesses, der hier aber angestoßen werden kann.

Wie können Unternehmen langfristig ein Klima schaffen, in dem es gar nicht zu Diskriminierungen kommt?

Einerseits, indem sie regelmäßig solche Bildungsformate in Anspruch nehmen, andererseits aber vor allem, indem sie der Belegschaft zuhören: Welche Erfahrungen sind vorhanden, welche Bedürfnisse? Wie kann man da zusammenkommen? Arbeitgeber:innen sind nicht nur für die physische, sondern auch für die mentale Gesundheit der Arbeitnehmer:innen verantwortlich. Und das hängt auch ganz eng mit der Bekämpfung von Diskriminierung zusammen – egal auf welcher Ebene, ob diese rassistisch motiviert ist oder ob es um eine Kollegin mit Betreuungspflichten geht, auf die im Dienstplan Rücksicht genommen werden sollte.

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Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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