Budget = Prioritäten setzen

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazoh
Es gibt mehr Wege zur Null beim Defizit als nur Kürzungen im Sozialbereich. Im Moment entgehen dem Staat Milliardenbeträge durch Steuerhinterziehung und -umgehung. Die Null darf nicht zum Selbstzweck werden: Bei steigender Arbeitslosigkeit muss die Bekämpfung dieser sozialen Geißel Priorität haben.
Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazohl

Inhalt

  1. Seite 1 - Das Erbe der Banken
  2. Seite 2 - Verschiedene Strategien
  3. Auf einer Seite lesen >
Senkung der Abgabenquote und Nulldefizit oder Investitionen in Beschäftigung, sozialen Zusammenhalt und ökologischen Umbau?
Das Budget ist in Zahlen gegossene Politik. Die strategischen Schwerpunkte eines Regierungsprogrammes spiegeln sich somit in den Anforderungen der Budgetpolitik. In der Kreisky-Ära galt – auch aufgrund der Erfahrungen des Bundeskanzlers in der Zwischenkriegszeit – Vollbeschäftigung als wichtigstes wirtschaftspolitisches Ziel. Entsprechend wurde das Budget als eines der Instrumente der Beschäftigungspolitik eingesetzt. Mit Erfolg, denn in Österreich blieb die Arbeitslosenquote bis Anfang der 1980er-Jahre – und damit länger als in fast allen anderen europäischen Ländern – unter zwei Prozent der unselbstständigen Erwerbspersonen. Entgegen der öffentlichen Meinung geschah dies übrigens nicht auf Kosten der Budgetzahlen: Unter Finanzminister Androsch wies Österreich von 1970 bis 1974 durchgehend erhebliche Budgetüberschüsse auf und das Defizit in der gesamten Vollbeschäftigungsperiode bis 1982 lag mit durchschnittlich 1,5 Prozent des BIP pro Jahr niedriger als im EU-Durchschnitt und in Deutschland.

Sozialstaat und Abgabenquote

Beginnend mit den 1960er-Jahren und noch bis Mitte der 1990er-Jahre prägten Auf- und Ausbau des Wohlfahrtsstaates die Budgetpolitik. Die Sozialquote, also der Anteil der öffentlichen Ausgaben für Soziales und Gesundheit, stieg von 20 auf 30 Prozent des BIP. Inkludiert man die Ausgaben für Bildung, dann gehen heute sieben von zehn Euro der Staatsausgaben in diese drei Bereiche. Nahezu völlig parallel zum Anstieg der Sozialquote stieg auch die Abgabenquote, der Anteil von Steuern und Beiträgen am BIP, von 32 auf 42 Prozent. Denn der Politik und der Gesellschaft war klar, dass ein Ausbau des sozialen Sicherungssystems aus Steuern und Beiträgen finanziert werden muss und nicht aus Kreditaufnahmen.

Die politischen Alternativen sind also recht eindeutig definiert: gutes Sozialsystem kombiniert mit hoher Abgabenquote oder niedrige Steuern verbunden mit schlechtem Sozialsystem. Österreich hat seinen Weg gewählt, nicht zum Schaden der Menschen und der Wirtschaft im Land.

Das Erbe der Bankenrettung

Dennoch ist über die Jahrzehnte die Schuldenquote, also der Anteil der Bruttoschulden des Gesamtstaates am BIP, gestiegen, von 43 Prozent am Ende der Ära Kreisky auf 65 Prozent im Jahr 2007 und 85 Prozent im Jahr 2015. Der sprunghafte Anstieg in der Finanzkrise nach 2007 ist das Ergebnis der umfangreichen Hilfen für das Bankensystem (30 Milliarden Euro) und des tiefen Wirtschaftseinbruchs, der die Staatseinnahmen nach unten drückte und die Ausgaben für die Arbeitslosigkeit nach oben schnellen ließ. Doch selbst im Jahr 2016 haben die öffentlichen Vermögenswerte die Schulden merklich überstiegen. Staatliche Infrastruktur (Schienennetz, Straßen, Wohnbau, Bildungseinrichtungen und Ähnliches), staatliche Unternehmensbeteiligungen, Finanzvermögen und Grundstücke wurden mit Kreditaufnahme finanziert.

Kuriose Unterlassung

Aus ökonomischer Sicht ist das vernünftig, weil dieser öffentliche Kapitalstock den künftigen Generationen zugutekommt. Doch kurioserweise wird das öffentliche Vermögen in internationalen Vergleichen oder budgetpolitischen Analysen gar nicht berücksichtigt, ganz im Gegenteil zum Unternehmenssektor, wo es einem niemals einfallen würde, die Solvenz eines Unternehmens nur anhand seiner Schulden und nicht auch anhand seines Anlagevermögens zu beurteilen.

Inhalt

  1. Seite 1 - Das Erbe der Banken
  2. Seite 2 - Verschiedene Strategien
  3. Auf einer Seite lesen >

Über den/die Autor:in

Markus Marterbauer

Markus Marterbauer ist Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien, Vizepräsident des Fiskalrates und Universitätslektor.

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.