Budget 2023: Sparen ohne Vision

Ein blinder Mensch geht mit einem Stock die Straße entlang. Symbolbild für das Budget 2023.
© Adobestock/zlikovec
Österreich bekommt wieder einmal ein neues Budget, das die Vertretungen der Beschäftigten als unzureichend erachten. Ein Überdenken der strikten Sparvorgaben scheint EU-weit nach mehr als 20 Jahren angesichts der momentanen Krisen immer dringlicher.
Dass die Bundesregierung ihre Pläne für den Staatshaushalt verteidigt, versteht sich von selbst. Dass Österreichs Vertretungen der Arbeitnehmer:innen sozialpolitische Maßnahmen und nachhaltige Strukturreformen vermissen, ist auch klar. Die Prioritäten im Budget 2023 stellen in Bezug auf die öffentliche Hand keinesfalls die allein selig machende Weisheit dar. 98 Milliarden Euro Einnahmen sollen Ausgaben von 115 Milliarden Euro gegenüberstehen. So ist es geplant im Bundesfinanzgesetz, das sich ÖVP und Grüne fürs kommende Jahr wünschen. Gemäß den – umstrittenen – „Maastricht-Kriterien“ entspricht das einem Defizit des Bundes von 3,1 Prozent der angenommenen Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt, BIP). Das gesamtstaatliche Defizit – also Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen miteingerechnet – prognostiziert die Regierung auf 2,9 Prozent. Gleiches gilt für das strukturelle Defizit des Bundes.

Das Budget 2023 lebt von der Hoffnung

Vorausgesetzt freilich, dass die Wirtschaft 2023 trotz der aktuellen Krisen um 0,2 Prozent wächst. Demnach soll die Schuldenquote des Gesamtstaates 2023 bei 76,7 Prozent des BIP liegen und gemäß Bundesfinanzrahmen trotz signifikant steigender Zinszahlungen bis 2026 auf 72,5 Prozent sinken. Zusätzlich zum Staatshaushalt sieht das Budgetbegleitgesetz von ÖVP und Grünen unter anderem eine langfristige Budgetaufstockung für das Bundesheer sowie einen neuen milliardenschweren Fördertopf für die klimagerechte Transformation der Industrie vor. Mehr Mittel soll es auch für klimafitte Investitionen von Gemeinden oder Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen mit Behinderung geben.

Ein Bauarbeiter montiert eine Solaranlage auf einem Dach. Symbolbild für das Budget 2023.
Gemeinden brauchen mehr Geld für Investitionen, die gegen die Klimakatastrophe helfen. | © Adobestock/alphaspirit

Ja, es werde neuerlich viel Geld in die Hand genommen. „Jedoch ohne, dass dafür eine ausreichende Gegenfinanzierung sichergestellt wäre“, merken die Expert:innen der Arbeiterkammer (AK) in ihrer ausführlichen Budgetanalyse an. Zwar dominieren 2023 die Antiteuerungsmaßnahmen. Einkommen werden stabilisiert, die öffentlichen Investitionen weiter erhöht. Durch die bis Jahresbeginn relativ starke Erholung der heimischen Wirtschaft ging das Defizit zurück, wenngleich weniger stark, als im Vorjahr geplant. Durch die nun einsetzende Rezession sowie die Anpassung der Steuerstufen an die Teuerung dürfte aber die Zeit der automatischen Budgetverbesserungen zu Ende gehen. Soll die Schuldenquote weiter reduziert und sollen die europäischen wie nationalen Fiskalregeln eingehalten werden, müssen spätestens 2024 Konsolidierungsmaßnahmen auf den Plan treten. „Erst dann zeigt sich, wer die Rechnung der Maßnahmen gegen die Teuerungs- und Energiekrise zahlt“, meinen die AK-Ökonom:innen. Wie hoch die Rechnung ausfällt, hängt auch davon ab, welche Fiskalregeln bis dahin in Kraft sind und welche Spielräume diese erlauben.

Budget 2023: Demokratischen Defizite beim Stabilitäts- und Wachstumspakt

Von Beginn an bemängelt werden etwa die willkürlichen und unzureichend flexiblen Schulden- und Defizitgrenzen. Des Weiteren sei die prozyklische Natur der Fiskalregeln vor allem in Rezessionen kontraproduktiv, findet etwa der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Achim Truger, Mitglied des Sachverständigenrates der deutschen Bundesregierung auf Vorschlag der Gewerkschaften. Nicht zuletzt kritisiert er die Komplexität der Regeln, den Mangel an Transparenz sowie die demokratischen Defizite des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Die Anzeichen verdichten sich, dass die EU aus der Austeritätspolitik nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/09 gelernt hat. Anlässlich der COVID-19-Pandemie wurden die Fiskalregeln befristet ausgesetzt. Das Aufbauprogramm „Next Generation EU“ konzentriert sich auf Investitionen zur Überwindung der Corona-Krise, anstatt erneut eine rigorose Sparpolitik zu betreiben.

Die Energiekrise und die Teuerungskrise tragen momentan zusätzlich dazu bei, dass die Debatte über die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes wieder an Schwung gewinnt. Eine Gruppe von europäischen Arbeitnehmer:innenverbänden, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Thinktanks und Wissenschaftler:innen veröffentlichte deshalb im Oktober einen entsprechenden offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder, den auch die Arbeiterkammer unterzeichnete.

Spätestens 2024 müssen Konsolidierungs-
maßnahmen getroffen werden.
Erst dann zeigt sich, wer die Rechnung der
Maßnahmen gegen die Teuerungs- und
Energiekrise zahlen wird. 

AK-Ökonom:innen

Eine konkrete Neuerung wäre unter anderem die Einführung einer „goldenen Regel“ für öffentliche Investitionen. Etwa in Nachhaltigkeit, Digitalisierung sowie Bildung, um die Finanzierung durch Defizite zu ermöglichen.

Österreich bremst wichtige Reformen

Der Reformprozess der Vorgaben, speziell hinsichtlich Verschuldung, ist auf EU-Ebene ins Stocken geraten. Nicht zuletzt, weil Regierungen wie jene aus Österreich und insbesondere Deutschland auf der Bremse stehen. „Budgetkonsolidierung darf nicht zulasten wichtiger Ziele wie Vollbeschäftigung oder Klimaschutz gehen“, so die AK. Deshalb sollen Regierungen im Rahmen der Budgetregeln öffentliche Investitionen bzw. das öffentliche Vermögen schützen, prozyklische Wirkungen einschränken und Flexibilisierungselemente großzügiger anwenden.

Ein besonderes Augenmerk soll auf Städte und Gemeinden gelegt werden. Sie geraten bei strikten Fiskalregeln angesichts ihrer geringen finanziellen Steuerungsmöglichkeiten besonders leicht unter Druck. Und das hat spürbare Konsequenzen auf Wohlstand und Wohlergehen ihrer Bewohner:innen, analysieren die Haushaltsexpert:innen der AK.

Folgende Maßnahmen erachten sie als notwendig:
  • In der Beschäftigungspolitik seien zur Deckung des Fachkräftebedarfs größere und nachhaltigere Qualifizierungsoffensiven sowie eine bessere Budget- und Personalausstattung des Arbeitsmarktservice (AMS) erforderlich.
  • Im Bildungsbereich bleibt eine alte Forderung aufrecht: Es braucht strukturelle Verbesserungen hinsichtlich Chancengleichheit und beim Ausbau von Kindergärten und Ganztagsbetreuung.
  • Nach wie vor gestärkt werden müsse der Sozialstaat: Sozial- und Versicherungsleistungen müssen besser vor Armut schützen. Leistungen wie die Gesundheits- und Pflegeversorgung müssen verbessert werden.

Wie sichert man die Finanzierung des Sozialstaates ab? „Das Einnahmepotenzial von Übergewinnsteuer, Vermögen- und Erbschaftsteuer sollte zur Schließung der Steuerlücken genutzt werden.“ Sagt jedenfalls Österreichs Beschäftigten-Vertretungen. Andere EU-Länder machen es längst vor und geben ihnen recht. Bis dato auf Granit beißen sie nur bei der Bundesregierung in Wien.

Über den/die Autor:in

Heike Hausensteiner

Heike Hausensteiner ist seit ihrer Schulzeit Anhängerin der Aufklärung. Aufgewachsen in einer Arbeiterfamilie im Burgenland, studierte sie Sprach- und Europawissenschaften in Paris, Mailand, Wien und Krems/Donau. Als politische Redakteurin begann sie ihre journalistische Laufbahn 1996 bei der "Wiener Zeitung", wo sie u.a. auch das Europa-Ressort gründete. Nach einjähriger Baby-Karenz machte sie sich 2006 selbstständig und arbeitet seither als freie Journalistin für Zeitungen, Magazine und Online-Medien in Österreich und Deutschland sowie als Autorin (u.a. "Im Maschinenraum Europas. Die österreichische Sozialdemokratie im Europäischen Parlament", 2013) und Moderatorin. Sie lebt mit ihrer Familie und 2 Katzen in Wien.

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