Scheinkonstrukte im Baugewerbe
Auch im Baugewerbe gibt es Fälle mit rechtspolitischer Auswirkung. Weil ihre Löhne nicht ordnungsgemäß ausbezahlt wurden, wandten sich 21 Arbeiter an die AK Wien. Sie waren auf einer Großbaustelle beschäftigt. Zwar arbeiteten sie in der Arbeitskleidung einer Fassadenbaufirma, waren aber in Wirklichkeit bei einem Subunternehmen angemeldet. Dieses Subunternehmen ging in Insolvenz. Dies erschien der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft allzu verdächtig. Sie ermittelte wegen schweren Betrugs, und in weiterer Folge wurde das Subunternehmen als Scheinfirma qualifiziert.
Auftraggeberhaftung
Die auch auf Druck der Arbeiterkammer eingeführte Auftraggeberhaftung zeigte nun Wirkung. Weil sie die Auftraggeberin der Subfirma war, musste die Fassadenbaufirma die offenen Ansprüche der Arbeiter auszahlen. Immerhin machte das mit Zinsen und Verfahrenskosten einen Betrag in Höhe von insgesamt 60.000 Euro aus.
AK-Arbeitsrechtsexpertin Karmen Riedl: „Es ist schon lange ein Ziel der Arbeiterkammer, Sozialbetrug in der Bauwirtschaft zu bekämpfen.“ Sie betont, dass Fälle wie dieser, die auch medial vielfach aufgegriffen werden, dazu führen, dass Unternehmen abgeschreckt werden, ähnliche Konstruktionen zu bilden. Erfolge wie dieser würden außerdem andere ArbeiterInnen ermutigen, sich für ihr Recht einzusetzen. Denn es kostet in der Regel viel Zeit und Nerven, sich einem Arbeitsrechtsverfahren zu stellen. Doch leider gibt es noch viel zu viele Unternehmen am Bau, die ArbeitnehmerInnen nicht korrekt bezahlen. Um das Recht der BauarbeiterInnen leichter durchsetzen zu können, wäre aus Sicht der Arbeiterkammer eine Änderung der Gesetze notwendig. Denn eine Generalunternehmerhaftung, wie es sie in Deutschland bereits gibt, würde auch die oft unüberschaubare Zahl der Subunternehmerketten beschränken.
Der dritte Fall ist besonders bemerkenswert, denn hier zeigte eine junge Mutter mit Unterstützung der Arbeiterkammer besonders viel Durchhaltevermögen: Sie führte mit der Arbeiterkammer über zwei Jahre lang insgesamt fünf Verfahren und ging sogar bis zum Obersten Gerichtshof, wo ihr schließlich Recht gegeben wurde. Die junge Frau war bei einem Wiener Unternehmen als Schichtarbeiterin beschäftigt. Nach ihrer Karenz kehrte sie in die Firma zurück. Um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können, beantragte sie Elternteilzeit, in der sie nur die Frühschichten von 6 bis 14 Uhr übernehmen musste. Der Arbeitgeber akzeptierte das mit Zähneknirschen, versetzte aber die Mitarbeiterin von Wien in ein Werk im Burgenland. Allein die Anfahrtszeit betrug nun eine Stunde und 40 Minuten.
Diskriminierung
Die Frau trat ihren Dienst im Burgenland unter Protest an. Die AK brachte für sie eine Feststellungsklage auf Unwirksamkeit der Versetzung und Schadenersatz wegen Diskriminierung ein. Sie gewann dieses Verfahren in erster Instanz und fuhr nicht mehr ins Werk im Burgenland. Darauf wurde sie vom Arbeitgeber fristlos entlassen.
Nach längerem Rechtsstreit wurde die Sache vom OGH zugunsten der Arbeitnehmerin rechtskräftig entschieden. Parallel dazu hatte der Arbeitgeber inzwischen eine Zustimmungsklage zu seiner fristlosen Entlassung bei Gericht eingebracht. Die Arbeiterkammer vertrat die Arbeitnehmerin auch in diesem Entlassungsverfahren. Erst nach dem OGH-Entscheid war der Arbeitgeber nun bereit, alle Ansprüche – auch jene aus den anderen laufenden Verfahren – zu bezahlen und das Dienstverhältnis als aufrecht zu akzeptieren. Die Arbeitnehmerin erhielt alle ausstehenden Löhne ausbezahlt sowie einen immateriellen Schadenersatz für die Diskriminierung.
Karmen Riedl sagt, dass es immer wieder Arbeitgeber gebe, die versuchen, Frauen, die ihre Schwangerschaft bekanntgeben, unter fadenscheinigen Begründungen loszuwerden: „Viele Arbeitsverhältnisse von jungen Frauen enden dann mit einer einvernehmlichen Trennung und mit Abschlagszahlungen.“ In diesem konkreten Fall ließ sich die Arbeitnehmerin nicht unterkriegen und bewies einen langen Atem. Und was diesen Fall so überaus besonders macht: „Wir konnten ihr Dienstverhältnis retten.“ Die junge Frau ist nach wie vor bei diesem Arbeitgeber angestellt, was nach einem solchen Verhandlungsmarathon wirklich selten ist.
Alexandra Rotter
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/18.
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