Bildung – überall und für alle

Senad Lacevic im Gespräch mit Christian Nowak und Natascha Wanek: "Es geht um das Gemeinwohl."
Fotos (C) Markus Zahradnik

Inhalt

  1. Seite 1 - Breites Angebot
  2. Seite 2 - Öffentliche Verantwortung
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Volkshochschulen sind der Bildungsnahversorger, mit dem Kennzeichen der regionalen Verbreitung, aber auch sehr günstigen Preisen. An der VHS treffen einander deshalb auch Menschen, die sich sonst vielleicht nicht treffen würden. Mit Senad Lacevic, dem Betriebsratsvorsitzenden der Wiener Volkshochschulen, unterwegs in Floridsdorf.
Die Wiener Volkshochschulen. Das sind 14.500 Kurse, 5.000 Veranstaltungen, 30.000 Bildungsberatungen pro Jahr an 33 Standorten. Miteigentümer der Wiener Volkshochschulen ist neben dem Verband Wiener Volksbildung auch die Stadt Wien. In Kooperation mit der Stadt erfüllen die Volkshochschulen zudem zahlreiche öffentliche Aufträge – von der Gratis-Lernhilfe über Basisbildung und Pflichtschulabschlusslehrgänge bis zum Jugendcoaching oder den Produktionsschulen. Senad Lacevic, 41, ist seit 2006 VHS-Betriebsrat und seit 2015 Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrates. Er führt durch mehrere Standorte der Volkshochschule Floridsdorf.

Breites Angebot

Das Haupthaus der Floridsdorfer VHS liegt in der Angerer Straße. Dort findet von Arabisch bis Zumba das ganze Spektrum des VHS-Programms statt.

Wir treffen Lacevic zunächst im Schlingerhof, einem klassischen Wiener Gemeindebau und speziellen VHS-Standort. Hier werden vor allem Bildungsberatungen angeboten. Zudem wird die Studienberechtigungs- und Berufsreifeprüfung regional und überregional unter anderem von Christian Nowak und Natascha Wanek koordiniert. Die VHS sind der Bildungsnahversorger für Wien, mit dem Kennzeichen sehr günstiger Preise.

Wer sonst bietet in Wien
‚exotische‘ Sprachen an?

Christian Nowak, VHS Wien

An der VHS treffen sich deshalb auch Menschen, die sich sonst vielleicht nicht treffen würden – so der Tenor der KollegInnen. Speziell in Floridsdorf erreiche man sogar viele Personen mit Hauptwohnsitz in Niederösterreich, für die es eben vor Ort oft keine Angebote gebe, ergänzt Wanek. Nowak betont auch die inhaltliche Breite und Tiefe des Programms: „Wer sonst bietet in Wien ,exotische‘ Sprachen an oder kümmert sich in der Erwachsenenbildung inhaltlich um die Nachhaltigkeitsziele der UNO?“ Auch beim Thema Innovation brauche man keine Vergleiche zu scheuen: Von der Basisbildung bis zur Digitalisierung in der Erwachsenenbildung sind die VHS Vorreiterinnen.

Freilich, als öffentliche bzw. gemeinnützige Einrichtung für die Wiener Bevölkerung definiere man Innovation anders als private Anbieter: Es geht dabei eben um die Arbeit für das Gemeinwohl, die Arbeit am ökologischen Bewusstsein oder um gesellschaftliche Teilhabe. Bei manchen wichtigen Angeboten leiste man die Bildungsarbeit ohnehin konkurrenzlos. So ist die Studienberechtigungsprüfung (Studieren ohne Matura) zwar ein zentrales Instrument für mehr Bildungsgerechtigkeit, „außer bei den österreichischen Volkshochschulen und dem BFI Linz gibt es aber in ganz Österreich keine Angebote in der Erwachsenenbildung“, erklärt Wanek. Den privaten Anbietern wäre der Beratungsaufwand hier wohl zu hoch, ergänzt Lacevic.

Sozialarbeiter Dominik Grüneis: „Es ist wichtig, dass die Volkshochschulen den Pflichtschulabschluss kostenlos anbieten.“

Schauplatzwechsel in die Zweigstelle der VHS Floridsdorf in der Großfeldsiedlung. Hier finden vor allem Pflichtschulabschlusskurse statt. Auch das Österreichische Volkshochschularchiv hat dort seine Heimat. Unterwegs kommt Betriebsrat Lacevic auf Unterschiede zwischen den öffentlichen und privaten Anbietern zu sprechen. „VertreterInnen gewinnorientierter Unternehmen stellen schon öfter Lohnerhöhungen bei Kollektivvertragsverhandlungen grundsätzlich infrage.“ Unterschiede gebe es auch bei der Vor- und Nachbereitungszeit für Unterrichtende, bei Sozialleistungen in den Betriebsvereinbarungen und oft auch bei der Infrastruktur der Arbeits- und Lernorte. Auch wenn ein Projekt auslaufe, bemühe man sich an den Volkshochschulen viel stärker um Weiterbeschäftigung oder andere soziale Lösungen.

In der Großfeldsiedlung erwarten uns Bernadett Arslanyan, Dominik Grüneis und Charlotte Armao, die in unterschiedlichen Funktionen für den Bereich Pflichtschulabschluss (PSA) arbeiten. Dominik Grüneis erinnert daran, dass früher Teilnehmende für die PSA-Lehrgänge Kursgebühren bezahlen mussten. „Gerade im Rahmen der Ausbildungspflicht bis 18 ist es wichtig, dass die Volkshochschulen dieses kostenlose Angebot zur Verfügung stellen.“ Grundsätzlich gehe es gerade bei bildungsbenachteiligten Personen auch um die Haltung einer Bildungsinstitution. „Wenn man nur stur ein Gewinnsoll erfüllen muss, bleibt wohl manchmal gar nichts anderes übrig als auszublenden, was wirklich das Beste für die lernende Person ist“, betont Grüneis. Bernadett Arslanyan – sie koordiniert den Pflichtschulabschluss am Standort – meint, dass mit „ihren“ Lehrgängen und dem Archiv unterschiedliche Extreme an einem VHS-Standort vereint sind – was gar nicht untypisch ist.

Wenn man nur stur ein Gewinnsoll erfüllen muss, bleibt wohl manchmal gar nichts anderes übrig als auszublenden, was wirklich das Beste für die lernende Person ist.

Dominik Grüneis, VHS Floridsdorf

Klar sei, dass der Pflichtschulabschluss nur ein, wenn auch wichtiger Zwischenschritt sein kann. Senad Lacevic weist darauf hin, wie wichtig es ist, dass die Volkshochschulen viele weiterführende Bildungs- und Beratungsangebote unter einem Dach vereinen und Übergänge so erleichtert werden.

Abschließend begleiten wir Lacevic noch ins Archiv. Christian Stifter, Leiter dieser Einrichtung, unterstreicht die Rolle der Volkshochschulen im Kontext mit den zentralen Aufgaben der öffentlichen Hand. In der europäischen Menschenrechtskonvention ist das Recht auf Bildung ebenso wie jenes auf Meinungs- und Informationsfreiheit festgehalten. Im § 14 der Bundesverfassung ist die Volksbildung ebenso wie ihre Förderung durch den Bund verankert, allerdings nicht das entsprechende Ausmaß.

Öffentliche Verantwortung

Insgesamt ist klar, dass es bei der öffentlichen Infrastruktur immer Bereiche gibt, die sich niemals „rechnen“. Bei der Erwachsenenbildung muss die Verantwortung der öffentlichen Hand außer Frage gestellt werden. Das gelte auch für Archive, zumindest wenn Forschung und Lehre wirklich frei sein sollen. Gerade in Zeiten des „Postfaktischen“ bieten Archive zudem einzigartiges, nämlich unmanipulierbares Material. Das Volkshochschularchiv bewege sich in diesem Kontext übrigens nicht nur qualitativ und von der obersten Archivbehörde anerkannt auf Augenhöhe mit den wichtigsten Institutionen des Landes. Man bilde schließlich nicht zuletzt auch einen von insgesamt lediglich zwölf Archiv-, Bibliotheks- und InformationsassistentInnen in ganz Österreich aus.

Von
John Evers

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/20.

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