Bildung als Basis

Foto (C) ÖGB-Verlag/Michael Mazoh

Inhalt

  1. Seite 1 - Mehr als nur theoretischer Input
  2. Seite 2 - Soziale Kompetenz
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In Hunderten Seminaren können sich BetriebsrätInnen das nötige Know-how aneignen, um die Interessen von ArbeitnehmerInnen optimal vertreten zu können.
Es ist der letzte Tag des dreitägigen Seminars „Kommunikation für die ArbeitnehmerInnenvertretung“. An den Wänden von Raum 24 im AK-Bildungszentrum im 4. Wiener Gemeindebezirk hängen jede Menge bunt beschriebene Flipchart-Seiten. Bunt ist auch die Gruppe von BetriebsrätInnen. Die insgesamt 16 TeilnehmerInnen kommen aus ganz Österreich und aus ganz unterschiedlichen Branchen. Die Stimmung ist locker und freundschaftlich, doch gleichzeitig auch ruhig und konzentriert, wenn Trainerin Barbara Albert oder ihr Kollege Heinz Eitenberger über Kommunikationsbasics referieren oder die nächste praktische Übung erklären. Kein Zweifel, die beiden sind ein gut eingespieltes Team. Die Mischung aus lebensnahen Beispielen aus dem Arbeitsleben, theoretischem Input, praktischen Übungen und humorvollen Statements lässt keinerlei Langeweile aufkommen.

Zuhören

So lautet das Thema der letzten Übung vor der Mittagspause. Acht TeilnehmerInnen verlassen mit Barbara den Raum. Sie sollen anschließend einen Partner oder eine Partnerin suchen und zwei Minuten lang über ein frei gewähltes Thema referieren. Die zweite Hälfte der Gruppe hat die Aufgabe, während der ersten Minute aufmerksam zuzuhören und danach eindeutig unaufmerksam zu sein. Sinn der Übung ist es herauszufinden, wie man sich fühlt und reagiert, wenn der oder die GesprächspartnerIn sich plötzlich mit dem Handy beschäftigt oder ständig auf die Uhr sieht.

Mehr über mich selbst erfahren

Dieser Wunsch steht unter anderem auf der Liste der Erwartungen auf einem der Flipcharts. Durch solche Übungen ist das zweifellos möglich. Wertschätzender Umgang mit anderen und sich selbst, das ist für BetriebsrätInnen besonders wichtig, um nicht irgendwann auszubrennen. Gerhard Schulz, Betriebsratvorsitzender in einem Wiener IT-Unternehmen, findet es auch mit über 60 noch gut, neben reiner Wissensvermittlung und vielen Beispielen aus der Praxis auch etwas über sich selbst zu lernen: „Durch die Übungen bekommt man quasi einen Spiegel vorgehalten. Das ist wichtig, schließlich gehören zur erfolgreichen Kommunikation immer mindestens zwei Menschen. Ich möchte fast sagen, das ist das beste Seminar, das ich je besucht habe.“

Besonders wertvoll ist für die TeilnehmerInnen der Austausch mit den anderen SeminarteilnehmerInnen – sowohl direkt im Seminar als auch in den Pausen. Daniel Painter, 36, Lokführer und stellvertretender BR-Vorsitzender, hat bisher hauptsächlich Fachseminare mit Frontalunterricht besucht, wie etwa Kassaführung. „Hier läuft es zum Glück ganz anders, als ich erwartet habe. Toll finde ich auch, dass nicht nur Standardbeispiele verwendet werden, sondern die KollegInnen alle sehr offen über ihren Alltag, ihre Probleme, Schwierigkeiten und Erfolge erzählen.“ Der Kärntner hat das Seminar auch deshalb gewählt, weil er immer etwas Scheu vor dem Referieren hatte. „Da fühle ich mich jetzt sicherer. Durch die Gruppen- und Einzelübungen wurde mein Selbstvertrauen gestärkt.“

Soziale Kompetenz

Das Seminar „Kommunizieren – Kommunikation für die ArbeitnehmerInnenvertretung“ ist eines der beiden Basismodule des VÖGB-Lehrgangs „Soziale Kompetenz“, der zweite hat den Titel „Frei reden“. Aufbauend auf diese Basismodule können die TeilnehmerInnen dann zwischen fünf Spezialmodulen wählen: Organisation und Teamarbeit, Öffentlichkeits- und Medienarbeit, Prävention und Beratung, Kompetenter Auftritt und Präsentation, Vielfalt und Chancengleichheit im Betrieb.

Sobald aus einem dieser Spezialmodule vier Seminare absolviert wurden, erhält man ein Zertifikat. „Es ist auch möglich, Seminare einzeln, also unabhängig von einer Lehrgangsteilnahme zu besuchen“, erklärt Lehrgangsleiterin Kristina Zoufaly. Wer die Gewerkschaftsschule, eine BetriebsrätInnen-Akademie oder Sozialakademie absolviert hat, kann die Seminare übrigens auch ohne Basismodule besuchen.

Aufbau und Ablauf der verschiedenen Lehrgänge sind allerdings unterschiedlich, so gibt es etwa beim Lehrgang „Politik, Recht und Wirtschaft“ nur ein Basis- und zwei Spezialmodule. Doch eines bleibe immer gleich, betont Kristina Zoufaly: „Bei allen Seminaren legen wir großen Wert darauf, dass die ReferentInnen nicht nur fachlich versiert sind, sondern auch über den Alltag, die Probleme und Herausforderungen von BetriebsrätInnen gut Bescheid wissen. Der Besuch unserer ReferentInnen Akademie ist daher für externe TrainerInnen ohne gewerkschaftliche Erfahrung besonders wichtig.“ Wichtig sind aber auch die Rückmeldungen der SeminarteilnehmerInnen. Diese bekommen mittels Online-Fragebogen die Gelegenheit, ihr Feedback zu Hause und ohne Zeitdruck zu formulieren.

Am Puls der Zeit

Dass (Weiter-)Bildung eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche ArbeitnehmerInnenvertretung ist, hat man in der Gewerkschaftsbewegung schon früh erkannt. Schon einige Zeit bevor im Jahr 1870 Gewerkschaften erlaubt wurden, entstanden die Arbeiterbildungsvereine, um Gleichberechtigung für die ArbeiterInnen zu erreichen – der Nebeneffekt: Diese Vereine konnten in Zeiten politischer Unterdrückung eine Organisationsbasis bilden. Mit ihren Anfängen in der Ersten Republik und der Neubegründung 1947 ist die Wiener Gewerkschaftsschule heute eine der ältesten gewerkschaftlichen Ausbildungen in Österreich.

Aktuell bieten AK und ÖGB allen interessierten Gewerkschaftsmitgliedern, FunktionärInnen und BetriebsrätInnen zahlreiche Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung – auch mit modernen Kommunikationsmitteln. So können die VÖGB/AK-Skripten jetzt auch via App gelesen werden.

Vielfältige Angebote

Grundsätzlich sind vor der Teilnahme an einer Veranstaltung des zentralen VÖGB/AK-Bildungsangebots die Grundseminare der eigenen Gewerkschaft zu besuchen. Ausnahmen sind mit Zustimmung der zuständigen Gewerkschaft möglich. Insgesamt gibt es heuer fünf Lehrgänge. Zum Teil finden die Basismodule und Seminare auch in Salzburg oder Linz statt. Zielgruppe sind BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen, Jugendvertrauenspersonen, GewerkschaftsfunktionärInnen, ÖGB- und AK-Angestellte sowie aktive GewerkschaftsschülerInnen. Außerdem unter anderem im Bildungsangebot: BetriebsrätInnen-Akademien in Wien, Nieder- und Oberösterreich sowie in der Steiermark, Sozialakademie (seit 2011 inklusive Auslandspraktikum), Seminare für Sicherheitsvertrauenspersonen, internationale und europäische Seminare des European Trade Union Institute (ETUI).

Doch zurück ins AK-Bildungszentrum: Beim Mittagessen in der Kantine herrscht allgemein Einigkeit, alle sind vom Seminar sehr angetan und freuen sich über die Gelegenheit zum kollegialen Austausch. Als Wiener Betriebsrätin ist Sabine Rabek, 54, nicht zum ersten Mal hier: „Doch ich bin jedes Mal wieder beeindruckt, was die AK da aufgestellt hat und wie viele Menschen hier ausgebildet werden.“ Eine Teilnehmerin von der WU Wien möchte den kompletten Lehrgang „Soziale Kompetenz“ absolvieren. „Ich bin generell sehr weiterbildungsfreudig und habe schon mehrere Seminare mitgemacht. Nur der Themenkreis Gesundheit ist bei mir allerdings bisher zu kurz gekommen. Ich finde das Seminar wirklich hochwertig und sehr interessant.“

Und zum Abschluss bringt es Trainer Heinz Eitenberger auf den Punkt: „Jetzt bei der Bildung zu sparen wäre ein großer Fehler. Nicht zuletzt deshalb, weil die Arbeitgeber für ihre Weiterbildung auch viel Geld investieren. Und wir wollen mit diesen doch auf Augenhöhe reden können.“

Download „Bildungsangebot 2018“
Skripten und Broschüren zum Download
www.voegb.at/skripten
Publikation 70 Jahre Wiener Gewerkschaftsschule

Von
Astrid Fadler
Freie Journalistin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/18.

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afadler@aon.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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