Der Betriebsrat ist der Rückhalt für die Arbeitnehmer:innen in den Betrieben. Laut einer neuen IFES-Studie werden die vielfältigen Aufgaben von Betriebsräten von den befragten Studienteilnehmer:innen als sehr wichtig erachtet. Welche Arbeitnehmer:innen ein Recht auf einen Betriebsrat haben, wie man diesen gründet und was er darf – ein Faktencheck.
Vergangenes Jahr waren in Österreich 4,1 Millionen Menschen unselbstständig erwerbstätig, Tendenz steigend. Mehr als die Hälfte dieser Arbeitnehmer:innen kann sich glücklich schätzen, denn ihre Arbeitnehmer:innenrechte werden verteidigt: Sie sind in einem Unternehmen mit Betriebsrat beschäftigt. Das zeigen die Zahlen des neuen IFES-Kurzberichts „Betriebliche Mitbestimmung 2022. Vergleich: Arbeitnehmer:innen mit bzw. ohne Betriebsrat“.
Zwischen Juni und September 2022 wurden für diesen Bericht 2.501 österreichische Arbeitnehmer:innen in Unternehmen mit und ohne Betriebsrat befragt. Die Ergebnisse sind vielsagend: Die Branchen Eisen/Metall, Chemie/Papier/Glas, Soziales, Gesundheit und Verkehr/Post/Bahn profitieren von einer hohen Vertretungsdichte. In der Gastronomie und im Tourismus sowie im Bauwesen sieht es anders aus. Hier sind die wenigsten Betriebsratsmitglieder anzutreffen – kein Wunder also, dass besonders in der Gastro Menschen über eine Kündigung nachdenken. Besonders schwierig: Am häufigsten vom Fehlen eines Betriebsrats betroffen, sind Arbeitnehmer:innen mit Migrationshintergrund, die im Alltag kein Deutsch sprechen. Nur 37 Prozent von ihnen sind in Betrieben mit Betriebsrat angestellt. Sie wissen oft nicht, dass sie eigentlich Recht auf betriebliche Mitbestimmung hätten.
9 von 10 Befragten wollen eine Arbeitnehmervertretung im Betrieb
Für ein gutes Betriebsklima sind Betriebsräte das A und O: 92 Prozent aller Befragten in Betrieben mit Arbeitnehmer:innenvertretung empfinden ihren Betriebsrat als wichtig. Interessant: 75 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen OHNE Betriebsrat wünschen sich Rückhalt durch eine Arbeitnehmer:innenvertretung. Das wichtigste Argument dafür? Ein Betriebsrat kann auf betrieblicher Ebene mehr durchsetzen als eine Einzelperson, so die Befragten.
Für die Studienteilnehmer:innen ist klar: Die Weitergabe von Informationen an Kolleg:innen (73 Prozent) oder auch als Verhandlungspartner:in mit der Geschäftsführung und/oder der Personalabteilung aktiv in Erscheinung zu treten (63 Prozent) erledigen ihre Betriebsratsmitglieder mit Bravour. Und auch bei den sozialen Angelegenheiten wurden den österreichischen Betriebsräten gute Noten ausgestellt. 69 Prozent aller Befragten sagten beispielsweise, dass sie in den vergangenen drei Jahren Gutscheine oder Ermäßigungen erhalten haben, zwei Drittel berichteten von organisierten Festen, Ausflügen und sonstigen Events, während 44 Prozent soziale Unterstützungsleistungen einzelner Beschäftigter im Unternehmen betonten.
Betriebe mit Arbeitnehmer:innenvertretung sind zudem demokratischer: So kommen Mitarbeiter:innen-Befragungen in Betrieben mit Betriebsrat viel häufiger vor (61 Prozent) als in Unternehmen ohne Betriebsrat (41 Prozent). Noch eklatanter fällt der Unterschied aus, wenn es darum geht, schriftliche Ideen einzubringen. Diese Möglichkeiten gibt es in 62 Prozent aller Unternehmen mit Betriebsrat und nur in 38 Prozent ohne. Der Unterschied beträgt beinahe ein Viertel. Doch wie kommt man eigentlich zu einem Betriebsrat?
Ein kurzer Weg zur Betriebsratsgründung
Wie viele Mitarbeiter:innen braucht ein Unternehmen, um einen Betriebsrat gründen zu können?
In einem Unternehmen müssen mindestens fünf stimmberechtigte Arbeitnehmer:innen beschäftigt sein, um die Gründung bzw. die Betriebsratswahl in Erwägung ziehen zu können. Wählbar, also passiv wahlberechtigt, sind alle Mitarbeiter:innen, die mindestens das 18. Lebensjahr erreicht haben und zumindest seit sechs Monaten im Unternehmen beschäftigt sind. Aktiv wahlberechtigt hingegen sind alle Dienstnehmer:innen über 16 Jahre, die zum Zeitpunkt der Wahl im Betrieb beschäftigt sind. Eine Betriebsratswahl ist weiters nach den Grundsätzen des gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlrechts durchzuführen. Sie findet in der Regel alle fünf Jahre statt und bestimmte Wahlverfahren sowie Termine und Fristen müssen zwingend eingehalten werden. Bei Unternehmen zwischen 10 und 19 Beschäftigten sind laut Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) 2 Betriebsratsmitglieder, bei Unternehmen zwischen 20 und 50 Beschäftigten 3 Betriebsratsmitglieder und bei Unternehmen zwischen 51 und 100 Beschäftigten 4 Betriebsratsmitglieder vorgesehen. Für je weitere 100 Arbeitnehmer:innen erhöht sich die Anzahl der Betriebsratsmitglieder jeweils um eine weitere Person. Bei Unternehmen über 1001 Mitarbeiter:innen ist jeweils nach 400 Beschäftigten ein weiteres Mitglied vorzusehen. Im öffentlichen Dienst erfüllt eine gewählte Personalvertretung die Aufgaben eines Betriebsrats.
Was ist ein Betriebsrat und welche Aufgaben hat er?
Der Betriebsrat ist das Interessenvertretungsorgan der Arbeitnehmer:innen auf Betriebsebene und für die Ausübung der Mitwirkungsrechte der Belegschaft gegenüber dem Betriebsinhaber zuständig. Über den Betriebsrat erlangen die Arbeitnehmer:innen Mitwirkungsrechte bei der Gestaltung von betrieblichen Abläufen, bei der Arbeitszeit, bei der Qualität der Arbeitsplätze, beim Gesundheitsschutz, etc. Kurz gesagt: Arbeitnehmer:innen können durch einen Betriebsrat bei der Gestaltung der sie unmittelbar berührenden betrieblichen Abläufe ein wichtiges Wort mitreden. „Der Vorteil eines Betriebsrats ist, dass sich nicht einzelne Arbeitnehmer:innen individuell mit den Vorgesetzten bzw. den Betriebsinhaber:innen betriebliche Angelegenheiten ausverhandeln, sondern im Kollektivinteresse ausverhandelt wird. Ein Betriebsrat ist daher beidseitig eine positive Sache, für Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen“, sagt Martin Müller, Arbeitsrechtsexperte des ÖGB. Welche Mitwirkungsrechte ein Betriebsrat hat, ist im ArbVG geregelt. Die Rechte umfassen soziale, personelle wie auch wirtschaftliche Angelegenheiten.
Vielfältige Hilfe durch einen Betriebsrat
Was darf ein Betriebsrat und was darf er nicht?
Der Betriebsrat hat weitgehende Einsichtsrechte in die Unterlagen des Arbeitgebers. So kann er beispielsweise betriebliche Lohn- und Gehaltsaufzeichnungen für alle Arbeitnehmer:innen, wie beispielsweise Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Lohnkonten, Stundenzettel oder Auszahlungsbelege einsehen. Auch gesetzliche Aufzeichnungen und Jahresabschlüsse müssen dem Betriebsrat, wenn er es verlangt, zur Einsicht von dem:der Arbeitgeber:in vorgelegt werden. Außerdem hat der Betriebsrat die Interessen der Arbeitnehmer:innen wahrzunehmen, was bedeutet, dass ihm Überwachungsrechte zustehen. Der Betriebsrat schließt zudem mit dem:der Betriebsinhaber:in Betriebsvereinbarungen ab. Gegenstand von Betriebsvereinbarungen sind Angelegenheiten, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarungen vorbehalten sind. Darunter fallen beispielsweise allgemeine Arbeitszeiten, Pausenregelungen oder auch die Vereinbarung von Provisionen. Auf der anderen Seite ist es Betriebsratsmitgliedern bspw. untersagt, sich begünstigen zu lassen, ohne Betriebsratsbeschluss zu handeln. Auch das das Verraten von Betriebs- oder privaten Geheimnisse ist verboten.
Welche Vorteile hat man als Betriebsratsmitglied?
Bei über 150 Arbeitnehmer:innen im Betrieb oder in der Arbeitnehmer:innengruppe, kann ein Betriebsratsmitglied freigestellt werden. „Es zählt dabei die Kopfanzahl der Arbeitnehmer:innen und nicht, ob es sich um Vollzeitäquivalente handelt. Der oder die Betriebsinhaber:in hat kein Mitspracherecht, ob ein Betriebsratsmitglied freigestellt wird“, so Müller. Die Mitglieder des Betriebsrates sind bei Ausübung ihrer Tätigkeit an keinerlei Weisungen gebunden und dürfen „in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt und wegen dieser, insbesondere hinsichtlich des Entgelts, der Aufstiegsmöglichkeiten und betrieblicher Schulungs- und Umschulungsmaßnahmen, nicht benachteiligt werden“, wie dem Arbeitsverfassungsgesetz § 115 zu entnehmen ist.
Wo bekommen Beschäftigte Hilfe, wenn ihr Unternehmen zu klein ist, um einen Betriebsrat zu gründen?
„Bei Unternehmen bis zu 5 Mitarbeiter:innen ist gesetzlich keine Gründung eines Betriebsrats vorgesehen. Hier gibt es für die Arbeitnehmer:innen bei Problemen in Unternehmen die AK und die Gewerkschaften als Anlaufstellen“, empfiehlt Arbeitsrechtsexperte Müller.
Stefan Mayer arbeitete viele Jahre in der Privatwirtschaft, ehe er mit Anfang 30 Geschichte und Politikwissenschaft zu studieren begann. Er schreibt für unterschiedliche Publikationen in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Sport.
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