Was können die Arbeiterkammer bzw. ihre gewählten VertreterInnen machen, um diesen Wandel aktiv zu gestalten?
Die Herausforderung für die VertreterInnen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird es sein, eine faire Arbeits- und Lebenswelt zu erhalten – und zu gestalten. Und das auch für Menschen, die in prekären Arbeitsverhältnissen leben müssen oder deren Arbeit nicht eindeutig zu „selbstständig“ oder „unselbstständig“ zuordenbar ist. Dazu kommt, dass mit der Digitalisierung Arbeit und Freizeit immer mehr zu verschwimmen drohen. Die Mails aus der Arbeit landen bei vielen Menschen 24 Stunden und sieben Tage die Woche auf dem Smartphone. Ich finde es diesbezüglich interessant, dass manche große Firmen verhindern, dass E-Mails außerhalb der Arbeitszeit auf dem Handy landen.
Der Druck in der Arbeitswelt hat massiv zugenommen, immer mehr Menschen sind dem nicht gewachsen, wie man an den steigenden Burn-out-Fällen ablesen kann. Lässt sich diese Entwicklung überhaupt noch ändern?
Die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht umgekehrt. Das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen.
Die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht umgekehrt. Das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen. Aber natürlich haben Sie recht, der Druck hat zugenommen. Und bei einer weltweit vernetzten Wirtschaft ist es nicht ganz einfach, da gegenzusteuern. Da braucht es einen Gegenpol, der versucht, etwas Tempo und Druck herauszubekommen. Umso wichtiger sind ArbeitnehmerInnenorganisationen, die sich weltweit vernetzen, sich gegen Ausbeutung und unfaire Arbeitsbedingungen auflehnen und versuchen die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Momentan ist der Begriff Leistung in aller Munde. Bloß gibt es auch Menschen, die keine Leistung erbringen können, etwa weil sie eine Behinderung haben oder einfach keinen Job mehr finden.
Wie sollte/könnte die Gesellschaft damit umgehen?
Eine Gesellschaft ist auch eine Solidargemeinschaft. Und ein Gradmesser für die Solidarität innerhalb einer Gesellschaft ist immer auch der Umgang mit Benachteiligten, mit Menschen, die vielleicht nicht so mitkönnen. Unser soziales Netz ist – im Vergleich zu vielen anderen Ländern – recht solide geknüpft. Dieses Netz haben wir alle gemeinsam geknüpft. Darauf können wir stolz sein. Und wir alle gemeinsam müssen darauf achten, dass möglichst niemand durchfällt.
Ein Gradmesser für die Solidarität innerhalb einer Gesellschaft ist immer auch der Umgang mit Benachteiligten, mit Menschen, die vielleicht nicht so mitkönnen.
Bei der Gleichstellung der Geschlechter machen wir in Österreich nur Trippelschritte. Warum fällt das so schwer?
Auch wenn noch sehr viel zu tun ist, möchte ich die Erfolge der Frauenbewegung nicht vergessen. Wir feiern heute 100 Jahre Gründung unserer Republik. Und im Gründungsjahr, 1918, haben Frauen und Männer gemeinsam durchgesetzt, dass Frauen wählen dürfen und so endlich die politischen Geschicke mitbestimmen konnten. Heute sind Frauen selbstverständlich Abgeordnete, Klubobfrauen, Parteichefinnen, Nationalratspräsidentinnen und Ministerinnen. Das ist wichtig.
Bis 1975(!) durften Frauen nicht ohne Zustimmung ihres Partners arbeiten gehen. Das wirkt heute geradezu grotesk. Aber immer noch bekommen Frauen für die gleiche Arbeit nicht das gleiche Gehalt. Das ist auch grotesk. Das ist wirklich ein sehr langwieriger Prozess, und wir sollten alles daransetzen, dass alle diese Benachteiligungen, alte und neu hinzugekommene, endlich beseitigt werden.