Vielfalt als Chance!

Die Schulung, in der diese dynamische Mischung nicht totgeschwiegen wird, sondern auch Thema ist, ist kein schöner Traum. Es gibt sie. Diversity Management ist ein bereits weltweit erfolgreiches innovatives und modernes (Personal-) Managementmodell, das zur Integration von unterschiedlichen Gruppen von Beschäftigten führen soll. Dabei geht es um gezieltes Wahrnehmen und bewusstes Wertschätzen der Unterschiedlichkeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Im Projekt »Managing Diversity« des europäischen Sozialfonds und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit kommt dieser Ansatz auch fünf österreichischen Pilotbetrieben zugute. Dabei werden neue integrative Modelle entwickelt und erprobt. Die funktionierende Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlichster kultureller, gesellschaftlicher oder arbeitsgeschichtlicher Hintergründe wird als Schlüssel zum Erfolg gesehen. Eine solche Zusammenarbeit wird in Zeiten der Internationalisierung und Globalisierung auch immer wichtiger. Es ist keine Seltenheit mehr, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mit unterschiedlichen Mentalitäten zusammenarbeiten. Die betrieblichen Strukturen haben sich in den letzten Jahren ebenfalls stark verändert: Team- und Projektarbeit hat zugenommen. Das bedeutet, dass Mitarbeiter mit unterschiedlicher Ausbildung und Erfahrung, unterschiedlichem Denken und unterschiedlicher Arbeitsweise kooperieren sollen.

Der Weg zur treffgenauen Schulung

Treffgenaue Schulungen, die zu den jeweiligen Zielgruppen passen, fallen natürlich nicht vom Himmel. Individuelle, innovative und die Chancengleichheit fördernde Angebote sind nicht einfach zu entwickeln. Es ist viel Vorarbeit notwendig, um bei den tatsächlichen Potenzialen der Beschäftigten anzusetzen und diese bewusst zu machen. Verschiedene Forschungs-, Trainings- und Beratungsinstitutionen arbeiten als Team im Rahmen einer »EQUAL«-Entwicklungspartnerschaft zusammen.

Wissenschaftliche Vorarbeit

Bevor die Arbeit in den Betrieben beginnen konnte, musste überlegt werden, wie man die Vielfalt in der Belegschaft am besten erhebt und die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen feststellt. Das ZSI, das Zentrum für soziale Innovation, hat diese Aufgabe in unserem Projekt übernommen und das Thema »Diversity« arbeitsmarktpolitisch aufbereitet, Diversity-Management-Studien und
-konzepte in anderen Ländern recherchiert, Good-Practice-Beispiele erhoben, Überlegungen zu einem Messinstrumentarium angestellt und Diversity-Merkmale zusammengestellt. Dabei war »Gender« – also die gesellschaftlich geprägte Geschlechterrolle – eine wesentliche Dimension der Analyse. In der Rahmenanalyse wurde versucht, Vielfalt in der Belegschaft auf breiter Basis zu erfassen und die Chancen, aber auch die Probleme, die sich daraus ergeben können, zu berücksichtigen.

Die Betriebsanalyse

Auf diesen Untersuchungen basierend, führt der Verein für Betriebssozialarbeit die eigentliche Betriebsanalyse durch. Sie besteht aus einer IST-Analyse der betrieblichen Kennzahlen, Angaben zur Beschäftigtenstruktur und einer Befragung, in der diese Daten ergänzt werden. Für diese Befragung wurden spezielle Erhebungsinstrumente entwickelt, um diversity-spezifische Aspekte gut herausarbeiten zu können. Es werden personenzentrierte Interviews an Hand eines teilstandardisierten Leitfadens geführt, der an firmenspezifischen Fragestellungen ausgerichtet ist. Die Fragen betreffen die Unternehmenssituation, firmenspezifische Spannungsfelder, die nationale und kulturelle Vielfalt der Firma, die Weiterbildung der Belegschaft, das Personalmanagement und die Arbeitszufriedenheit.

Bereits bei der Befragung wird darauf geachtet, dass die Befragten eine für die Diversität im Betrieb repräsentative Stichprobe darstellen. Aufgrund der IST-Anlayse und der Befragung kann ein bestimmter Schulungsbedarf abgeleitet werden, der dann in Vorschlägen zur Qualifizierung mündet. Diese Vorschläge sind für die jeweilige Firma »maßgeschneidert«. Gemeinsam mit den Pilotunternehmen werden aus den Vorschlägen jene ausgesucht, die in den laufenden Prozess passen und auf die betrieblichen Teilprojekte abgestimmt sind.

Das bedeutet auch, dass es in jedem der fünf Pilotbetriebe andere Schulungsmaßnahmen, Interventionen und Handlungsfelder geben wird. Diese Analysephase ist beim ersten Pilotbetrieb bereits abgeschlossen, beim zweiten Betrieb ist sie gerade im Gange.

Die Schulungen

Die Schulungen sollen sowohl die Führungsebene als auch die Beschäftigten für das Thema Diversity sensibilisieren und zu einer positiven Bewertung von Unterschieden führen. Bei den Schulungen sind das BEST Institut für berufsbezogene Weiterbildung und Personaltraining und der Verein zur Förderung von Gleichstellung, Vereinbarkeit und Diversity aktiv.

Aus dem ersten Betrieb, der Firma Flowserve, der die Analysephase bereits abgeschlossen hat und wo schon Schulungen stattgefunden haben, liegen bereits erste Ergebnisse vor. Dort hat sich ein Schwerpunkt im Hinblick auf »Soft Skills«, also die Schulung von sozialen Kompetenzen, ergeben.

Bei »Flowserve« gibt es Trainings zur Führungsentwicklung, bei denen Führungsaufgaben geklärt werden und am »Wie« der Vermittlung dieser Aufgaben gearbeitet wird. Die Trainings finden in Form von Seminaren und Kleingruppencoachings statt, wobei auf den Erfahrungsaustausch besonderer Wert gelegt wird. Weiters gibt es ein Projekt zur Einschulung neu Eingestellter, da die Unternehmensanalyse in diesem Bereich einen konkreten Handlungsbedarf ergeben hat. Das kreative Potenzial der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soll der Lösungsfindung und damit der Akzeptanz der gefundenen Lösung sehr zugute kommen.

Diversity-Kompetenz

Der Transfer von Diversity-Kompetenzen wird ein weiterer Schwerpunkt des Trainings der Führungskräfte sein. Er richtet sich an Führungskräfte, Personalverantwortliche und den Betriebsrat. Der produktive Umgang und das produktive Managen von Diversitäten im Unternehmen stellt Führungskräfte, Personalverantwortliche und Betriebsräte als die Vertretung der Beschäftigten vor große Herausforderungen und bedingt den gezielten Aufbau von Kompetenzen sowie entsprechende Sensibilisierungsschritte. Das Sensibilisierungstraining baut auf den Ergebnissen der Betriebsanalyse auf und soll helfen, die Diversity-Perspektive in die Führungsarbeit, die Personalentwicklung und die Betriebsratsarbeit zu integrieren und Diversity-Maßnahmen umzusetzen.

Neben der Schulung der Führungskräfte ist auch die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zentraler Wichtigkeit. Hier heißt das wichtigste Thema Teamentwicklung. Es geht dabei um die Bearbeitung von Konflikten, um die Etablierung einer anderen Konfliktkultur durch die Förderung von Akzeptanz und Wertschätzung diversity-spezifischer Unterschiede um die Verbesserung der Gesprächskultur im Hinblick auf Unterschiedlichkeiten der verschiedenen Beschäftigtengruppen und um die entsprechende Motivation.

Die vielfältigen sozialen Ebenen der Beschäftigten und deren weiteres Umfeld stehen im Zentrum der Zusammenarbeit der Fachhochschule für Sozialarbeit in St. Pölten mit der Caritas und Südwind. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Diversity-Potenzialen sollen speziell unterstützt werden. Es wird Hilfe bei beruflichen und sozialen Anliegen angeboten, und die unterschiedlichen Kulturen im Betrieb sollen in Form eines Betriebsjournals dargestellt werden.

Projektbegleitung und Evaluation

Damit die sieben Akteure, die in diesem Projekt aktiv werden, das gemeinsame Ziel nie aus den Augen verlieren, hat das Österreichische Institut für Raumplanung die wissenschaftliche Projektbegleitung übernommen. Es erstellt eine Ziel- und Bedarfsanalyse, überprüft die Zielkonsistenz und Zielkohärenz, vergleicht die Zielformulierungen im Antrag mit der aktuellen Operationalisierung und gibt Feedback zur Abstimmung der Ziele zwischen den Modulen. So trägt es zur Verschränkung von Lernprozessen bei und spiegelt Ergebnisse zurück.

Auswahl der Betriebe

Für das Projekt wurden Betriebe mit 70 bis 200 Beschäftigten ausgewählt, in denen Personengruppen arbeiten, die sich durch Geschlecht, Alter, Ausbildung, kulturelle und soziale Herkunft, körperliche oder psychische Disposition unterscheiden. Im Projekt »Managing Diversity« wird das Schulungs- und Beratungsprogramm in fünf Betrieben vom Industrieunternehmen bis zum Krankenhaus angeboten.

Die Schulungen bei Flowserve haben im November 2003 begonnen, ab Februar starten die Schulungen im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, im Frühjahr ist der Schließanlagenhersteller EVVA an der Reihe. Zwei weitere Betriebe werden gestaffelt folgen.

Die beteiligten Firmen

Flowserve ist ein Pumpenerzeuger mit Sitz in Niederösterreich und ist ein Tochterunternhemen der Flowserve Corporation mit Sitz in Dallas, Texas. Das Unternehmen beschäftigt 14.000 Personen in 56 Ländern. Am Standort Brunn am Gebirge werden Kreiselpumpen und Kolbenpumpen für die chemische und petrochemische Industrie sowie für allgemeine industrielle Anwendungen entwickelt, erzeugt und repariert. Der Umsatz an diesem Standort beträgt 30 Millionen Euro im Jahr, der Exportanteil 99 Prozent. Das Unternehmen befindet sich in einer Wachstumsphase, der Umsatz wurde in den letzten zehn Jahren verdoppelt.

Unterschiede als Störfaktor

Die Belegschaft besteht aus 165 Personen und ist multikulturell zusammengesetzt. Der Anteil der Beschäftigten nicht-österreichischer Herkunft beträgt im Werksbereich 23 Prozent, im Büro ein Prozent. Der Frauenanteil ist sehr gering und liegt im Werk bei zwei Prozent, im Büro bei 16 Prozent. Bisher wurde versucht, keine Unterschiede zu machen, Diskriminierungen aufgrund unterschiedlicher nationaler Herkunft zu vermeiden. Dies trug aber unbeabsichtigt dazu bei, Unterschiede wie Störfaktoren zu behandeln – gerade das Gegenteil des »Managing Diversity«-Programmes, das versucht, Unterschiede als Potenziale zu sehen. Daran wird gearbeitet werden müssen.

Daher liegen bei Flowserve die Schulungsangebote im Rahmen des Projektes hauptsächlich im Bereich der soft skills. Bisher gab es kein Training in dieser Richtung. Es gibt, wie bereits beschrieben, Angebote zur Führungsentwicklung insbesondere im Hinblick auf das produktive Managen von Diversitäten, zur Teamentwicklung, Motivation und Gesprächskultur, ein Projekt zur Einschulung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Unterstützung und Beratung im sozialen und betrieblichen Umfeld der Arbeiter und Angestellten.

Diversity im Krankenhaus

Der zweite Betrieb, in dem »Managing Diversity« bereits begonnen hat, ist das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien, ein Unternehmen der St. Vinzenz Holding. Es hat 387 Beschäftigte und betreut im Jahr rund 9000 Patientinnen und Patienten stationär und rund 19.000 Personen ambulant. Die Bettenauslastung beträgt 90 Prozent. Die medizinischen Schwerpunkte betreffen die ganzheitliche interdisziplinäre Betreuung von Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechsel-Erkrankungen, Osteoporose, psychosomatischen Erkrankungen, orthopädischen und proktologischen Erkrankungen sowie von Personen mit Wundheilstörungen, die in der Abteilung für plastische Chirurgie behandelt werden.

Die Betriebsanalyse ist gerade im Gange. Hier könnten sich Handlungsfelder bezüglich der Unterschiede zwischen geistlichen und weltlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dem unterschiedliche Ausbildungsstand der Beschäftigten und dem Verhältnis zwischen inländischen und ausländi-schen Beschäftigten ergeben. Im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern gibt es bereits ein breites Schulungsangebot und eine jährliche Bedarfserhebung per Fragebogen. Diese Schulungen finden getrennt für die einzelnen Beschäftigtengruppen statt (Pflege, Ärzte, Verwaltung, medizinisch-technischer Dienst). Bereichsübergreifende, interdisziplinäre Schulungen gab es bisher nicht, sie sind aber für 2004 geplant. Es hat sich bereits gezeigt, dass nicht alle Gruppen der Belegschaft geschult wurden. Daher sollen im Rahmen des Projekts vor allem jene berücksichtigt werden, die bisher kaum Schulungen erhielten: benachteiligte Gruppen wie Behinderte, weniger qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie solche ausländischer Herkunft, die schlecht deutsch sprechen. Stephan Lampl, Geschäftsführer und Verwaltungsdirektor des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern: »Die Förderung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegt mir persönlich sehr am Herzen. Das Angebot von zusätzlichen Weiterbildungsmaßnahmen kommt jedoch nicht nur den Beschäftigten, sondern in weiterer Form auch unseren Patientinnen und Patienten zugute. Die Teilnahme am Managing Diversity Projekt trägt weiter dazu bei, die bereits hohe Kompetenz unseres Krankenhauspersonals auszubauen.«

Familienbetrieb für Sicherheit

Als nächster Betrieb kommt das österreichische Familienunternehmen EVVA, dessen Zentrale sich in Wien befindet, an die Reihe. EVVA ist einer der traditionsreichsten und gleichzeitig innovativsten Hersteller von Produkten im Bereich der Security. Die Firma ist auf Schließtechnik (Beschläge, Schließanlagen und Schlösser) sowie auf die Zu- und Austrittskontrolle von Gebäuden und Behältnissen spezialisiert.

In der Zentrale in Wien arbeiten 390 Personen, der Exportanteil beträgt 50 Prozent. Der Konzern hat auch Niederlassungen in Deutschland, den Niederlanden, Schweden, der Slowakei, Tschechien und Ungarn. EVVA will seine führende Marktstellung in Europa weiter ausbauen. Das Hauptanliegen an Managing Diversity ist der Umgang mit Veränderungen. Die Betriebsanalyse in diesem Betrieb beginnt im Frühjahr 2004. In zwei weiteren Betrieben, mit denen noch Vorgespräche geführt werden, wird das Projekt im Laufe des Jahres 2004 beginnen.

Informationen zum Projekt auf der Projekthomepage:
www.managing-diversity.at

R E S Ü M E E

Diversity Management will Unterschiede zwischen Beschäftigten vom Störfaktor in Vorteile verwandeln. Am Ende der Projektlaufzeit werden fünf österreichische Pilotbetriebe Strategien und Ansätze zum Diversity Management erprobt haben. Der Diversity-Ansatz wurde damit in den Modellbetrieben im betrieblichen Umfeld verankert. Damit ist man dem Ziel von EQUAL, der Bekämpfung von Diskriminierung und Ungleichheiten am Arbeitsmarkt und im Bildungsbereich, ein Stück näher gekommen.

Von Doris Hecht-Aichholzer (Mitarbeiterin des Instituts für berufsbezogene Weiterbildung und Personaltraining)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .

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