Standpunkt | Mein gutes Recht

Das Arbeitsverhältnis als Online-Redakteur bei der großen österreichischen Tageszeitung sei ziemlich prekär gewesen. Nach einem Gespräch mit den Expertinnen und Experten der AK weiß er, dass seine Chancen nicht schlecht stünden, vieles wäre einer An­stellung gleich gekommen – was die Pflichten ­anlangt. Mit den Rechten sah es da schon anders aus.

„Vogel“-freie DienstnehmerInnen

Das ist durchaus üblich im Journalismus. Auch ich habe als Freie angefangen. Steuer und Sozialversicherung musste ich selbst zahlen. Bei den stets schleppender werdenden Zahlungen meiner Arbeitgeber war ich dankbar für Unterstützung durch die Eltern. Aber ebenso dankbar für den Job, die Chance, endlich beim Radio. Da nahm man einiges in Kauf. Irgendwann wurde es mir doch zu viel und ich bin Gewerkschaftsmitglied geworden. Rechtzeitig – ein halbes Jahr später war ich froh, dass mir ein von der Gewerkschaft gestellter Anwalt half, Geld aus dem Insolvenzausgleichsfonds zu bekommen.
Ich habe danach noch einige seltsame Ver­träge vorgelegt bekommen: Werkverträge als Radionachrichtensprecherin, Verträge für kaufmännisch Beschäftigte, solche mit seltsamen Dienstzeiten, Konkurrenzklauseln, die Berufsverboten gleichgekommen wären und das eine oder andere All-Inclusive-Modell.
Meine Gewerk­schaft hat mich dabei durchwegs gut beraten, meine ArbeitgeberInnen waren mit den Vertragsänderungen immer sehr schnell einverstanden. Manchmal drängte sich der Eindruck auf, sie hätten es halt probiert. Wir haben keinen Richter gebraucht. Ich war froh, denn vor Gericht wollte niemand von uns gerne, die Angst ging um. Werde ich, wenn ich mich mit einem der heimischen Medienmogule anlege, je wieder einen Job in der Branche finden?
Dass diese Angst nicht wirklich begründet ist, wurde mir erst Jahre später klar, als eine Freundin mit Unterstützung von ÖGB und AK eine Filmproduktion klagte. Nicht nur, dass sie Recht bekam und damit viel Geld zurück, die Arbeitsbedingungen für ihre Ex-Kolleginnen und -kollegen besserten sich ebenfalls. Und sie arbeitet nach wie vor in der Branche und wird respektiert.
Doch ich verstehe, dass die Angst noch immer umgeht. Wahrscheinlich noch mehr als früher. Überall wird über die Krise geschrieben, viele haben Sorge, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder erst gar keinen zu bekommen. Daher nehmen junge Menschen schlecht oder gar nicht bezahlte Praktikumsstellen an, andere unterschreiben All-Inclusive-Verträge, in denen sie auf Abgeltung von Überstunden verzichten. Da geht es sehr oft um die Chance zum Berufseinstieg oder auch – wie bei mir und dem jungen Kollegen – um Freude an der Arbeit. Dass die Gerechtigkeit dabei auf der Strecke bleibt, merken manche erst zu spät, wenn ihnen die Kosten für Steuern und Sozialversicherung über den Kopf gewachsen sind. Dazu kommt, dass bei vielen das politische Bewusstsein nie geweckt wurde und sie nicht auf die Idee kommen, sich gewerkschaftlich zu organisieren, einen Betriebsrat zu wählen und gegen Ungerechtigkeiten auch vor Gericht zu gehen. Die Folge: ArbeitgeberInnen, die ihre Belegschaft ausbeuten, machen ungestört weiter, aus „kleinen Vergehen“ gegen das Arbeitsrecht wird „Branchenüblichkeit“.

Gemeinsam gegen Ungerechtigkeit

„Ich bin nicht allein“, erklärt der junge Kollege, andere würden sich gerne seiner Klage anschließen, seine Gewerkschaft habe ihm Unterstützung zugesagt. In der Zeitung habe sich nichts geändert, die machen so weiter. „Ungerecht“, findet er und wird nun wohl doch klagen. Endlich.

Von Katharina Klee, Chefredakteurin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 03/2012.

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