Standpunkt | Leistung muss sich lohnen!

Die Leistung: Wie ein ewiges Mantra wird dieses Wort immer wieder beschworen. Ja, es wird gar als Widerspruch konstruiert. Auch Vermögende sollen zur Finanzierung der öffentlichen Leistungen einen gerechten Anteil leisten? Leistung muss sich lohnen, lautet die Antwort. Frauen verdienen immer noch weniger als Männer? Wenn sie wirklich gleich viel leisten, verdienen sie auch gleich, lautet die Antwort. Migrantinnen und Migranten haben schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt? „Integration durch Leistung“ lautet die Antwort. Ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung? Können ja nicht/nicht mehr so viel leisten, sie dennoch zu beschäftigen können wir uns nicht leisten.

Gebrochenes Versprechen

Leistung, egal, wo man hinsieht. Es scheint so, als müsste man dieses Wort nur laut genug aussprechen – und a Ruh is. Und es stimmt ja auch: Leistung muss sich lohnen, ja, sie sollte sogar Spaß machen, wie ich meine. Aber wird sie denn auch wirklich gerecht belohnt? Oder ist es nicht vielmehr so, dass nach wie vor jene bessere Chancen in der Gesellschaft haben, die ein „gutes Erbe“ im Hintergrund haben: viel Geld oder ähnlich wertvolle Ressourcen, die „richtige“ Bildung, die „richtige“ Herkunft, die richtige Sprache, den Zugang zu den entscheidenden Karriere-Netzwerken oder auch das richtige Geschlecht? Kurz: Es stimmt schlichtweg nicht, dass unsere Gesellschaft dieses Versprechen einhält, dass sich Leistung lohnt.

Kürzungen im Mantel von Reformen

Sprechen wir über Leistung! Besser gesagt: Sprechen wir darüber, dass sie sich für viel zu viele Menschen in Österreich eben nicht lohnt. Sprechen wir darüber, dass wir eben nicht in einer „relativ gleichen Gesellschaft“ leben, wie wir uns allzu gerne vormachen. Sprechen wir darüber, ob wir uns das leisten können – und vor allem: ob wir das wollen?

Wir leben in einem Land, das zu den reichsten EU-Mitgliedsstaaten gehört und auch in internationalen Rankings regelmäßig einen Spitzenplatz belegt. Nicht spitze ist Österreich allerdings, wenn es um die gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen geht. Es ist nicht spitze, wenn es um ein ausreichendes Angebot an Jobs geht, die das Überleben sichern. Es ist nicht spitze, wenn es um Bildung geht. Es ist nicht spitze, wenn es um das Angebot von Kinderbetreuungsplätzen oder Pflegeeinrichtungen geht. Und es ist nicht spitze, was viele andere Verteilungsthemen betrifft, wie Sie in der aktuellen Ausgabe ausführlich nachlesen können.

Spricht man all diese Probleme an, erscheint sogleich ein zweites Mantra: das Krisenmantra. Dieses lautet: „Wir können uns das eben nicht leisten, Krise und leere Kassen und so.“ Dass ausgerechnet die Wirtschaftskrise zum Vorwand für Angriffe auf den Sozialstaat verwendet wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, ja ich bin sogar versucht zu sagen, es ist eigentlich zynisch. Denn es war gerade der gut ausgebaute Sozialstaat, der in der Krise noch schlimmere Folgen für viele Menschen in Österreich abwenden konnte. Vieles spricht für einen weiteren Ausbau des Sozialstaats, wie Sie ebenfalls in einem Beitrag nachlesen können. Alles spricht für eine Bildungsexpansion. Und doch leben wir in einem der reichsten Länder in der EU, ja gar in der Welt – und dennoch sind Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich ein Dauerbrenner.

Entlastete Arbeit

Wer soll das alles bezahlen? Sicher ist, dass Einkommen aus Arbeit entlastet werden müssen und nicht noch stärker belastet werden dürfen. Am ungerechtesten ist die Verteilung in Österreich bei Vermögen, dennoch werden diese nach wie vor viel zu wenig besteuert. Gerade weil sich Leistung lohnen muss, ist es also nur fair, dass auch die Vermögenden einen Beitrag zum Budget leisten.

Von Sonja Fercher, Chefin vom Dienst

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 6/14.

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