Die Absenderin war mir auf den ersten Blick unbekannt. Hinter dem fremden Nachnamen verbarg sich die beste Freundin meiner Kindertage, mittlerweile verheiratet, trägt sie den Namen ihres Mannes. Sie hatte mich ausgegoogelt und schnell meine Mailadresse gefunden – aber nicht nur die. Denn Dank der größten und erfolgreichsten Suchmaschine des Internets, weiß sie sehr genau, was ich beruflich mache und gemacht habe, was meine Interessen sind, welche Kontakte ich habe, wofür ich mich engagiere, was mein Standpunkt ist. Und auch diese Worte kann sie bald im Netz finden.
Kontakt per Internettelefon
Mehr als 500 Einträge findet man, wenn man meinen Namen bei Google unter »Seiten aus Österreich« eingibt. Der Großteil davon – nicht alle – handelt von mir. Wer weiter forscht bei sozialen Netzwerken wie Xing oder Facebook kann noch mehr über mich herausfinden. Er oder sie könnte feststellen, ob wir gemeinsame Bekannte haben – das ist ja auch der Sinn dieser Netzwerke. So habe ich über diese in den letzten Jahren auch immer wieder Menschen wiedergefunden, die mir aus den Augen, aus dem Sinn geraten sind.
Während ich diese Zeilen in die Tastatur meines Computers zu Hause klopfe, geht ein kleines Fenster auf. Das Internettelefon Skype teilt mir mit, dass meine Freundin in Tirol online ist. Sie ist Journalistin wie ich und sitzt auch gerade allein vor ihrem Laptop.
Wie so oft teile ich ihr mit, woran ich gerade schreibe, und wie so oft bitte ich sie, meinen Artikel noch einmal durchzulesen. Sie, die Wienerin, die in Tirol lebt, habe ich, die Tirolerin in Wien, nicht daheim kennengelernt, sondern auch im Internet. Begegnet sind wir uns auf der Gourmetplattform Speising.net, über die gemeinsame Leidenschaft zu gutem Essen und Trinken. Im Schutze von Nicknames – Internet-Pseudonymen – haben wir dort so manche Diskussion ausgefochten, bevor wir uns zum ersten Mal im wirklichen Leben trafen und sahen.
Aus dieser Konstellation haben sich bereits einige wunderbare Freundschaften ergeben – durch dieses Kennenlernen auf der Basis gemeinsamer Interessen, jenseits von Vorurteilen über Alter und Kleidung. Ich bin mir aber bewusst, dass ich auch dort meine Spuren hinterlassen habe und noch ein wenig mehr zum gläsernen, zum öffentlichen Menschen geworden bin.
Eine andere Freundin meldet sich per Mail. Sie bedankt sich für die Fotos vom gemeinsamen Ausflug – ich habe sie über das von Google gratis zur Verfügung gestellte Fotoalbensystem ins Netz gestellt und ihr den Link geschickt. So kann sie sie online betrachten, kommentieren und sich die schönsten herunterladen. Angeblich sind die Seiten in meinen Webalben nur mir zugänglich und jenen, denen ich Zugang gewähre. Es stünde mir aber auch frei, sie über Picasa oder das Fotosystem Flickr ganz öffentlich zu machen. Mir genügt es so, und wenn ich meine Eltern zu Hause besuche, zeige ich ihnen gerne meine Fotoalben. All diese Bilder auf Papier mitzuschleppen wäre wohl ein wenig mühsam.
Das Internet ist zum fixen Bestandteil in meinem Berufs- und Privatleben geworden. Arbeit und Freundschaften sind eng mit dem Computer verknüpft. Es gibt Seiten, die ich fast täglich besuche. Tageszeitungen, wie den Standard, lese ich fast ausschließlich online – und hin und wieder kann ich mir auch dort – hinter der Maske eines Nicknames – einen Kommentar nicht verkneifen. Nur noch selten gibt es Tage, an denen ich meine Mails nicht abrufe, wenn schon nicht über den Computer, dann über das Handy. Ich erledige meine Bankgeschäfte übers Netz, buche meine Urlaube im Internet, lade Kochrezepte herunter, habe auch schon das eine oder andere bei eBay ge- oder verkauft und bestelle Bücher bei Amazon. Sie kennen mich dort, begrüßen mich namentlich, wenn ich die Seite öffne und informieren mich per Newsletter über Bücher, die mich auch noch interessieren könnten.
Auf Wiedersehen im »Real Life«
Das Netz gibt mir die Möglichkeit, mit FreundInnen zu kommunizieren ohne lange Telefonate, mit kleinen Gesten zwischendurch: ein Smiley über Skype, ein Blumentopf über Facebook, ein Foto über Picasa. Und trotz aller Warnungen fühl ich mich nicht nur gefangen im Datennetz, sondern auch ein wenig aufgefangen. Ganz besonders dann, wenn ich die Menschen aus meiner virtuellen Wirklichkeit im sogenannten »Real Life« treffe – so wie jene Freundin aus Kindertagen, die mich demnächst in Wien besucht, und die ich wohl ohne Google so schnell nicht wieder gesehen hätte.
Von Katharina Klee, Chefredakteurin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .
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