Standpunkt | Frohes Fest

Fast 150 Jahre später sieht das ganz anders aus. Da geht man nicht mehr in den Wald, um Weihnachtsstimmung einzufangen, höchstens um vor ihr zu fliehen. Denn gleich nach Halloween werden in den Geschäften die Weihnachtsvorboten aufgebaut, Lebkuchen und Adventkalender und fast zeitgleich ertönt alle Jahre wieder »Last Christmas«.

Christkind gegen Weihnachtsmann

Die goldenen Lichtlein sitzen nicht auf den Tannenspitzen, sondern hängen über den Einkaufsmeilen, den Christkindlmärkten, in Vorgärten und auf Balkonen, gleich neben dem Weihnachtsmann. Der wurde ja angeblich von Coca-Cola erfunden, erzählt man sich am Punschstand beim ebenfalls alle Jahre wiederkehrenden Glaubensstreit, wer denn nun für die Geschenke zuständig sei. Ursprünglich war es ja der Nikolaus, aus der Türkei stammend, hier bei uns ein gut integrierter Migrant. Der wurde im Lauf der Jahre mit einer alten nordischen Sagenfigur vermischt und schließlich von europäischen Einwanderern in die USA exportiert. Santa Claus nannte man ihn in der neuen Welt. Vieles an seinem Aussehen und seine weltweite Verbreitung – ja sein Marketing – verdankt er tatsächlich dem in solchen Sachen erfahrenen, braunen Erfrischungsgetränk. Die Konkurrentin in Kinderherzen und Werbefeldzügen – das Christkind – hat Martin Luther eingeführt. Weil die Protestanten die katholischen Heiligen ablehnten – und der gute Reformator die Kinder nicht um ihre Geschenke bringen wollte, die sie damals am Namenstag des Heiligen Nikolaus bekamen -, ersetzte er den alten Herrn durch das Christkind, das am Heiligen Abend kam. Im 19. Jahrhundert übernahm die katholische Kirche das gerne als blond gelockter Engel dargestellte Christkind.
Heute penetrieren uns alle beide ab Mitte November in Werbung und Deko. Da will uns Santa Handyverträge aufschwätzen und das Christkind mit großen Augen hat scheinbar ein Pantscherl mit dem Hausverstand, der sich für eine Handelskette verdingt. Den gleichen Supermarkt, der – lauthals angepriesen – am 8. Dezember seine Läden geschlossen hält. An und für sich eine gute Sache und auch mit ein Erfolg des Betriebsrats. Denn gerade in der Vorweihnachtszeit können die KollegInnen in den Geschäften zwischen Jingle-Bells und Konsumhektik eine Atempause brauchen. Wenn nicht die anderen Geschäfte unter dem bunten Bogen des Mutterkonzerns am Marienfeiertag gnadenlos geöffnet hätten. Und jedes Jahr nehme ich mir vor, diesmal alles anders zu machen, dem Konsumterror die Stirne zu bieten, Geschenke rechtzeitig zu besorgen, was selber zu basteln, mir Zeit zu nehmen- und jedes Jahr lasse auch ich mich wieder von der allgemeinen Hektik anstecken.

Im Winterwunderland

Und dann gibt es Tage wie heute – zehn Tage vor Weihnachten – wo der Winter die Stadt verzaubert, das Schneegestöber das Menschengestöber lahm legt, das Weihnachtsmusikgedudel scheint genauso unter der weißen Decke zu verschwinden wie der unerträgliche Kitsch. Dick vermummt sind die Menschen und lächeln doch, wenn sie anderen unsicheren Schritts im Winterwunderland begegnen. Und die Hausmeisterin freut sich, als ich mich bei ihr fürs Schnee schaufeln bedanke. Dann ist es für mich Weihnachten, und mir ist egal, wer dieses kleine Wunder bewirkt, der Weihnachtsmann oder das Christkind.
So wünsche auch ich Ihnen ein frohes, schönes Fest und einen guten Wechsel ins neue Jahr.

Von Katharina Klee, Chefredakteurin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 12/2010.

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