Standpunkt | Eine Frage des Alters

PolitikerInnen, FernsehmoderatorInnen, Universitäts-ProfessorInnen, MedizinerInnen, KellnerInnen, VerkäuferInnen, KollegInnen – im Grunde waren fast alle älter als ich, damals als ich jung war. Und während ich mich schließlich immer jung fühlte und trotzdem älter wurde, wurden all diese Menschen jünger – im Vergleich zu mir.

Welpenbonus weg

Mit den KellnerInnen und den VerkäuferInnen fing es an. Statt des netten Herren, der einen junge Frau nannte, stand plötzlich an der Wursttheke eine junge Frau. Und auch in den Lokalen, die ich gerne besuchte, trieben sich immer mehr »Kinder« herum. Die Stones und Madonna füllen zwar noch immer Stadien, doch inzwischen habe ich schon MusikerInnen zugejubelt, die hätten Mick Jaggers Enkel sein können. Roger Moore und Demi Moore machten Platz für Daniel Day Lewis und Angelina Jolie, Goldie Hawn für ihre Tochter Kate Hudson. SchriftstellerInnen in meinem Alter eröffneten mir neue Perspektiven auf Vertrautes, jüngere oft auf Neues. Nach und nach habe ich mich dran gewöhnt in der Lebensmitte zu stehen, eigentlich schon am Nachmittag des Lebens. Wie auch unsere neue Regierung mit einem Durchschnittsalter von 46,8 Jahren.
Auch in der Arbeitswelt hat sich in den vergangenen 20 Jahren einiges für mich geändert. Weg ist der Welpenbonus, den ich ganz am Anfang genossen habe. Damals haben mir ältere KollegInnen Journalismus beigebracht. Ich durfte natürlich jede Menge Fehler selbst machen, aber wenn es wirklich schwierig wurde, hatte immer jemand einen wirklich guten Tipp oder eine wichtige Telefonnummer für mich. Und irgendwo gab es auch immer ein Sekretariat mit einer erfahrenen Kollegin, die nicht nur den richtigen Moment für Gespräche mit dem Boss kannte, sondern auch noch Rezepte gegen Liebeskummer hatte.
So nach und nach, fast ohne dass ich es bemerkte, wurde ich diejenige mit dem Tipp und der Telefonnummer.
Irgendwann dann gab es aber auch den Moment, wo Tipp und Telefonnummer nicht mehr gebraucht wurden, die Welpen hatten kläffen gelernt, hatten ihre eigenen Telefonbücher und waren vor allem billiger als ich, die ich nur meine Erfahrung zu Markte tragen konnte.

Mit Anfang 30 bereits alt?

Ich war damals verstört und wollte es kaum glauben, dass ich mit Anfang 30 für einige bereits als alt galt. »Vielleicht in der Nachrichtenredaktion«, meinten Programmdirektoren, die jünger waren als ich, und setzten entschuldigend dazu: »Wir sind halt ein sehr junges Radio.« Dabei fühlte ich mich so jung. Es schien noch nicht einmal der Vormittag des Lebens ganz vorüber. Also begann ich wieder zu lernen und entdeckte meine Freude an der Weiterbildung. Das neue Wissen eröffnete mir neue Wege und half mir auch dabei, die Erfahrung, die ich in den Jahren gesammelt hatte, nutzbringend einzusetzen. Und noch etwas passierte: Ich veränderte mich. Die berufliche Karriere bedeutete mir nicht mehr alles. Kaum mehr etwas löst bei mir Panik aus, ich hatte im Laufe der Jahre gelernt, dass es tatsächlich für alles eine Lösung gibt. Ich habe Gelassenheit gelernt. Diese ganz bestimmte Ruhe, die eine Frage des Alters ist.
»Aufs alt werden brauchst dich nicht freuen«, sagt meine Mutter immer. Vor dem älter werden fürchten muss ich mich aber auch nicht, bin ich überzeugt. Da kommt noch etwas Sonne am Nachmittag des Lebens.

Von Katharina Klee

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .

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