Standpunkt | Denn wer da hat, dem wird gegeben

Gründe werden in der gestiegenen Arbeitslosigkeit (wir haben jetzt den Rekord für die gesamte 2. Republik erreicht – im Oktober waren über 300.000 Menschen ohne Arbeit) genannt und die Angst um den Arbeitsplatz durch die so genannte Globalisierung (Drohung mit Betriebsverlagerung in Niedriglohnländer). Durch immer mehr atypische Beschäftigungsverhältnisse werden auch immer mehr Arbeitnehmer/-innen nicht mehr von den Kollektivverträgen erfasst. Jeder, der schon einmal einen KV durchgesehen hat, weiß, was das bedeutet …

Niedrige und hohe Gehälter entwickeln sich auseinander: Das oberste Einkommensprozent wuchs seit 1997 fast fünfmal so stark wie die niedrigen.

Während die Löhne nur sehr schwach »wachsen«, sind bei den Vermögen – über die sich die Statistiken ausschweigen – Rekorde zu verzeichnen. Wir wissen zum Beispiel von dem bei Banken und Versicherungen angelegten privaten Geldvermögen, das 320 Milliarden Euro übersteigt, also umgerechnet auf jeden der 8 Millionen Österreicher, vom Baby bis zum Greis, 40.000 Euro. Haben Sie persönlich 40.000 auf der Bank? Sind sie vielleicht verheiratet und haben zwei Kinder? Dann müssten Sie gemeinsam mit Ihren Lieben 160.000 Euro auf der Bank haben. Falls Sie das nicht haben, machen Sie sich nichts draus: Dafür haben die hundert reichsten Österreicher zusammen ein Vermögen von über 50 Milliarden Euro.

»Lieber reich und gesund als arm und krank«, heißt das Sprichwort. Die Steuerprivilegien der Superreichen, die ihr Geld meist in Privatstiftungen haben, sind enorm. »Während von jedem Euro Sparbuchzinsen 25 Prozent Kapitalertragsteuer (Kest) abgezogen werden, sind Privatstiftungen massiv begünstigt: Solange das Geld in der Stiftung bleibt, werden Zinsen nur mit 12,5 und Dividenden aus Gewinnausschüttungen überhaupt nicht besteuert.« In den Jahren von 1992 bis 2003, haben die Wirtschaftsexperten der AK OÖ errechnet, ist die Lohnsteuer um 69 Prozent gestiegen, und die Gewinnsteuer um 19 Prozent. Die wichtigsten öffentlichen Dienstleistungen, wie Schulen oder Spitäler, Polizei, Familienbeihilfen usw. werden immer mehr von den Lohnsteuerzahlern und Konsumenten finanziert, denn die Lohnsteuer und die Steuern der Konsumenten (Mehrwertsteuer usw.) betragen schon mehr als zwei Drittel der Steuereinnahmen des Bundes.

Und welche Steuern und Gebühren wurden in den letzten Jahren erhöht? Natürlich jene, welche die Kleinverdiener am meisten belasten: Kfz-Steuer, Autobahnvignette, Strom- und Erdgassteuer, Mineralölsteuer, die Gebühr für die Reisepassausstellung und und und. Von der angesagten Steuerreform 2005 werden vor allem Arbeitnehmer und Pensionisten nur wenig entlastet, Kleinverdiener unter dem steuerfreien Existenzminimum gar nicht. Großzügig beschenkt werden hingegen die Unternehmen und Großkonzerne, denn sie werden 2000 Millionen Euro weniger Steuer zahlen.

Dazu sagt AK OÖ-Präsident Johann Kalliauer: »Eine gerechte Verteilung von Einkommen und Steuerlasten ist auch wirtschaftlich sinnvoll!«

Die Konjunkturflaute hat ihre Ursache in der zu geringen Kaufkraft (deutlich sichtbar z. B. beim Rückgang des Weihnachtsgeschäfts – wer nix verdient, kauft nix). Nur stärker steigende Löhne können die Flaute überwinden. Eine gerechtere Einkommensverteilung und eine gute wirtschaftliche Entwicklung sind kein Widerspruch, wie das Beispiel einiger skandinavischer Länder zeigt. Vor allem aber gilt eines: Der Sozialstaat ist finanzierbar! Er ist finanzierbar, wenn sich alle nach ihrer Leistungsfähigkeit beteiligen. »Auch Reiche, Unternehmer und Großkonzerne nehmen öffentliche Dienstleistungen in Anspruch, es ist nur gerecht, wenn sie über Steuern mitzahlen.«

Also, wie heißt es im Jargon der Wissenschafter? Der Rückgang der Lohnquote ist der Ausdruck der Umverteilung von Arbeits- zu Kapitaleinkommen und wachsender Lohnunterschiede zwischen den einzelnen Arbeitnehmergruppen mit einem stetig zunehmenden Niedriglohnsektor. Wir Gewerkschafter wollen aber mehr als den Abbau von Arbeits- und Sozialstandards moderieren. Unser Ziel ist die deutliche Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen, und allen Vorzeichen zum Trotz bleibt dieses Ziel Mittelpunkt unserer Arbeit.

Siegfried Sorz

Von Siegfried Sorz (Chefredakteur)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .

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