Durch den Bombenkrieg waren allein in Wien 87.000 Wohnungen ganz zerstört und weitere 100.000 beschädigt, die Einrichtungen oft nicht mehr verwendbar. Um die ärgste Not zu lindern, zog die Stadt Wien unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen eines „sozialen Schnellbauprogramms“ neue Wohnhausanlagen hoch, in denen drei Wohnungstypen zur Verfügung standen: Ein Wohnraum mit Kochnische auf 25 m2, eine Variante mit zusätzlichem Schlafzimmer auf 48 m2 sowie die noch um ein Kinderzimmer erweiterte größte Variante auf 56 m2.
Um den Bewohnerinnen und Bewohnern, die ja kaum Geld hatten, die Einrichtung zu erleichtern und gleichzeitig Arbeitsplätze in der Möbelproduktion zu schaffen, wurde nach 1950 die Aktion „Soziale Wohnkultur“ gestartet, zunächst noch in Kooperation mit Arbeiterkammer und Handelskammer (heute: Wirtschaftskammer), dann von der Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter im Namen des ÖGB und der Stadt Wien allein getragen. Die Aktion konnte an Projekte aus der demokratischen Vorkriegszeit anknüpfen, wie etwa an jenes des 1928 in Frankfurt gegründeten CIAM (Internationaler Kongress der modernen Architektur) zur Wohnung für das Existenzminimum. Wien stellte zehn Millionen Schilling zur Verfügung, die Arbeiterbank (heute: BAWAG) unterstützte mit günstigen Kreditbedingungen.
Die Serienproduktion begann 1954 und das SW-Logo wurde schon bald in ganz Österreich zum Markenzeichen für preisgünstiges und gleichzeitig qualitätvolles und zeitgemäßes Mobiliar. Das Programm bestand aus 77 Einzelstücken, die von zehn Firmen mit 450 Arbeitern erzeugt wurden. 1969 stieg Wien aus der Aktion aus und 1976 wurde der Trägerverein aufgelöst: Die meisten ArbeitnehmerInnen konnten sich mittlerweile eine teurere und vor allem repräsentativere Einrichtung leisten als die bewusst einfach gehaltenen SW-Produkte.
Wie schon der Name andeutet, wurde „Soziale Wohnkultur“ auch als volksbildnerisches Projekt verstanden, vor allem im Kampf gegen falsch verstandene „Repräsentativität“: Der Mensch selbst soll der Mittelpunkt werden; alles andere, die Möbelstücke und das Drum und Dran, soll ihm dienen, soll der Rahmen für seinen Lebenslauf sein. Alles soll auf den Bewohner selbst bezogen sein, auf ihn abgestimmt sein und nicht auf die Vortäuschung von Wohlhabenheit. Weniger modern waren die Vorstellungen über die Rolle der Frau: Die Wohnung sei für sie nicht nur der Schauplatz des häuslichen Lebens, sondern vorwiegend der Ort ihrer Tätigkeit und ihrer Arbeitsleistung für Familie und Staat. Gerade deshalb habe sie aber Anspruch auf eine Erleichterung der Haushaltsarbeit. Eines der ersten in Serie erzeugten SW-Produkte war demgemäß die „Wiener Küche“, ein von Franz Schuster auf Basis der berühmten „Frankfurter Küche“ der österreichischen Architektin Grete Schütte-Lihotzky weiterentwickeltes Modell, das sich auch für die kleinen Kochnischen der Wiener Gemeindewohnungen eignete.
Zusammengestellt und kommentiert von Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at
Von Brigitte Pellar
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 08/13.
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