So geht’s allen gut

Probleme mit Vorgesetzten können die Gesundheit gefährden: Bei mehr als einem Drittel der betroffenen Beschäftigten sorgen sie etwa für Bluthochdruck. Bei all jenen, die mit dem Chef oder der Chefin gut auskommen, sind es nur 16 Prozent. Streit mit den ArbeitskollegInnen führt bei 43 Prozent der ArbeitnehmerInnen zu Verdauungsbeschwerden. Ist diesbezüglich alles in Ordnung, dann klagen nur 24 Prozent über Bauchweh & Co.1
Ob Herzklopfen, Kopfweh oder Rückenbeschwerden – es gibt jede Menge Gesundheitsprobleme, die sich deutlich häufen, wenn im Job Arbeitsklima oder -bedingungen nicht passen. Doch wem die Arbeit Spaß macht, weil – salopp formuliert – rundherum alles passt, die/der identifiziert sich in der Regel auch mit den Zielen des Unternehmens und bringt entsprechende Leistungen.

Bausteine guter Arbeit

Mit der Aktion „Gute Arbeit“ fordern Arbeiterkammer OÖ, ÖGB und katholische Kirche menschenwürdige Arbeitsbedingungen und angemessene Entlohnung trotz Krise und steigender Arbeitslosigkeit. Dabei geht es auch um die Sinnfrage im Arbeitsleben, um Gesundheitsschutz und Planbarkeit, um den Abbau von Leistungsdruck und Entgrenzung, um Würde und Respekt. In einer gemeinsamen Deklaration wurden die Bausteine guter Arbeit definiert:

  • Angemessene Entlohnung und damit gerechter Anteil am Wohlstand.
  • Mitbestimmung von Arbeitsinhalten, Entscheidungen und Abläufen; Fehlentwicklungen im Job sollen aufgezeigt werden und es muss die Möglichkeit geben, sich zu organisieren und für Gerechtigkeit zu kämpfen.
  • Qualität: menschengerechtes Maß in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsausmaß und garantierte Arbeitsbedingungen, welche die physische wie psychische Gesundheit erhalten sowie gemeinsame Ruhepausen gewährleisten.
  • Sinn: Gute Arbeit ist sozial-ökologisch nachhaltig, stellt Produkte und Dienstleistungen her, die der positiven Gestaltung und Entwicklung der Welt nützen, und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe.
  • Würde: Der Mensch als Urheber, Mittelpunkt und Ziel allen Wirtschaftens wird respektiert und das Einbringen persönlicher Fähigkeiten wird ihm ermöglicht.

Was erhält gesund?

Psychisch bedingte Erkrankungen sind in Österreich die häufigste Ursache von Frühpensionierungen bei Angestellten. Mit der Anfang 2013 in Kraft getretenen Novelle des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes wurde die Wichtigkeit der psychischen Gesundheit und der Prävention arbeitsbedingter psychischer Belastungen, die zu Fehlbeanspruchungen führen, stärker betont. Die daraus resultierende Evaluierung psychischer Belastungen wird von manchen Unternehmen mit viel Engagement angegangen. Etliche sehen sie allerdings zuerst als Hürde. Ferdinand Loidl, Arbeitsinspektorat Salzburg, im Interview mit „Gesunde Arbeit“: „Unsere Beratung zielt hier besonders auch auf das Aufzeigen der Chancen für die Betriebe ab, wenn die Tätigkeiten, Aufgabenanforderungen, das Sozial- und Organisationsklima, die Arbeitsumgebung, die Arbeitsabläufe und die Arbeitsorganisation näher unter die Lupe genommen werden. Sehr bald sehen die Unternehmerinnen und Unternehmer, dass dies sehr viel für die Beschäftigten und daher auch sehr viel für das Unternehmen bringen kann.“

Ignoranz bringt uns nicht weiter

Schärfer formuliert es AK-Experte Roland Spreitzer in seinem A&W-Blogbeitrag „Psychische Gesundheit im Betrieb – Ignoranz bringt uns nicht weiter“: „Das Ignorieren psychischer Fehlbeanspruchungen im Betrieb verursacht menschliches Leid und schadet den Betrieben. Eine umfassende Evaluierung kann die Situation deutlich verbessern. Dabei sollte es nicht darum gehen‚ schuldige Chefs im Unternehmen zu identifizieren, sondern systemimmanente Belastungsfakto-ren auszuschalten. Das Anpacken von ‚heißen Eisen‘ wird vielen Betrieben dabei nicht erspart bleiben: Personalbemessung, Arbeitszeitgestaltung und Führungskultur sind nicht die einzigen, aber wesentliche Ansatzpunkte. Wer sich bei der Maßnahmenableitung auf Stressmanagement-Seminare und Supervisionsangebote beschränkt, wird arbeitsbedingte psychische Erkrankungen nicht nachhaltig in den Griff bekommen. Es gibt bereits einige mutige Unternehmen, die dies erkannt haben und in vorbildlicher Weise die richtigen Schritte setzen.“
Von der Evaluierung psychischer Belastungen können Kleinunternehmen besonders profitieren, denn sie spüren durch Stress und Burn-out verursachte Einbußen besonders. Hier können die Burn-out-Gesamtkosten bei später Diagnose (= lange Behandlungsdauer) bis zu 8,8 Prozent der Personalkosten ausmachen, so die 2013 veröffentlichte „Volkswirtschaftliche Analyse eines rechtzeitigen Erkennens von Burn-out“ der Johannes Kepler Universität Linz. Je nach Zeitpunkt der Diagnose verursacht eine/ein Burn-out-Betroffene/r Gesamtkosten zwischen 1.500 und 131.000 Euro.

BGF bringt’s

Die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) umfasst zwar durchwegs freiwillige Maßnahmen wie Nikotinentwöhnung oder Bewegungsprogramme, aber ihr ökonomischer Nutzen ist gut dokumentiert. Helmut Ivansits, Leiter der Abteilung Sozialversicherung der AK Wien: „Internationale Studien zeigen, dass die Investition eines Euros bis zu sechs Euro an betriebswirtschaftlichen Einsparungen bringt. Die Produktivität in den Betrieben steigt um 20 Prozent.“
Die deutsche „Initiative Gesundheit und Arbeit“ (iga) hat 2009 in ihrem Report „Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention“2 zahlreiche wissenschaftliche Übersichtsarbeiten und Studien evaluiert und ortete weiteren Forschungsbedarf. Denn bis dato gab es erstaunlich wenig gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, welche Maßnahmen etwa zur Stressreduktion und gegen Rückenschmerzen am wirkungsvollsten sind. Werden die richtigen Maßnahmen gesetzt, dann wirkt sich das durchaus positiv aus. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis etwa bei den Fehlzeiten bewegt sich zwischen 1:2,5 bis 1:10. Die Schwankungsbreite entsteht auch dadurch, dass für jedes Problem sehr unterschiedliche Lösungsansätze möglich sind. So mindern etwa Stressinterventionen, die auf der individuellen Ebene ansetzen, zwar die Symptome, aber sie wirken sich nicht auf die Stressursachen aus. Dafür wären in der Regel auch organisatorische Maßnahmen nötig, in der Praxis bevorzugen Unternehmen aber die individuelle Ebene. Psychische Probleme und (psychosomatische) Erkrankungen hauptsächlich als individuelle Charakterschwäche der Betroffenen zu interpretieren mag zwar be-quem sein, ist aber letztendlich kontraproduktiv.

Mittleres Management

Wichtig ist außerdem, dass nicht nur die betroffenen Beschäftigten von Anfang an eingebunden werden, sondern auch das mittlere Management. Dieser Personenkreis stehe, so Bernhard Badura, Experte für Betriebliches Gesundheitsmanagement an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, durch seine Sandwichposition im Unternehmen ohnehin schon stark unter Druck.3 BGF-Projekte sollten keinesfalls als belastende Zusatzaufgaben angesehen werden, sondern als vielversprechende Herausforderung und Investition in die Zukunft. Dann machen sich auch bald die positiven Nebenwirkungen der Projekte bemerkbar. Denn durch die Förderung der Kommunikationsstrukturen und -prozesse im Laufe von BGF-Maßnahmen entwickeln die verschiedenen Arbeitsbereiche mehr Verständnis füreinander. Das führt zu weniger innerbetrieblichen „Reibungen“ und verbessert das Betriebsklima. Die Beschäftigten sind motivierter, die Produktivität steigt und die Fluktuation sinkt.

Internet:
Evaluierungswebsite der Sozialpartner:
www.eval.at
Österreichisches Netzwerk Betriebliche Gesundheitsförderung:
www.netzwerk-bgf.at
gute-arbeit.at
www.gesundearbeit.at
EU-Kampagne Healthy Workplaces:
www.healthy-workplaces.eu

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1 Österreichischer Arbeitsgesundheitsmonitor, 2012.
2 Initiative Gesundheit und Arbeit: iga-Report 13 – Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention, Zusammenstellung der wissenschaftlichen Evidenz 2000–2006.
3 Fonds Gesundes Österreich: BGF in Österreich – Beispiele guter Praxis 2014.

Von Astrid Fadler, Freie Journalistin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/14.

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