Mittel gegen Armut

Mitte April 2008 haben sich Bund und Länder auf einen Erstentwurf zur bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) geeinigt. Das war ein Schritt hin zu einer Einigung, an die viele nicht mehr geglaubt haben. Zu sehr sind die Vorstellungen der Bundesländer – nicht nur von Vorarlberg und Niederösterreich – von jenen des Sozialministeriums abgewichen. Letztlich wurde nun doch ein für alle tragbarer erster Kompromiss gefunden. Bis zur Gesetzeswerdung sind aber noch einige Hürden zu nehmen. Laut Entwurf soll die BMS am 1. Juli 2009 in Kraft treten. Manche glauben, dass sie nicht vor Anfang 2010 kommen wird.

Die Einführung der BMS bringt die Vereinheitlichung der Grundleistungen des untersten sozialen Netzes, der Sozialhilfe der Länder, auf dem Niveau des Ausgleichszulagenrichtsatzes (747 Euro brutto). Die Reaktionen auf diese Einigung fallen sehr gemischt aus: So wird vor allem im NGO-Bereich darauf hingewiesen, dass auf Leistungen über dem Mindestniveau der BMS kein Rechtsanspruch besteht, und dass die Leistungshöhe nach wie vor unter der international anerkannten Höhe der Armutsgefährdungsschwelle liegt. Andererseits halten es manche für problematisch, dass die Höhe der BMS nur wenig niedriger ist als der vereinbarte Mindestlohn von 1.000 Euro brutto (820 Euro netto). Das, so wird argumentiert, verringere den Anreiz, gering entlohnte Arbeiten mit schlechten Arbeitsbedingungen aufzunehmen.

Vereinheitlichung der Sozialhilfe

Positiv ist, dass der Kampf gegen Armut jetzt ernster angegangen wird als das in den letzten Jahren der Fall war. Zu begrüßen ist fürs erste die Vereinheitlichung der Sozialhilfesätze über alle Bundesländer hinweg. Es ist wohl nur schwer zu argumentieren, warum es in Österreich bisher neun verschiedene Leistungshöhen gebraucht hat. Auch die Anpassung der Höhe der BMS an den jeweiligen Ausgleichszulagenrichtsatz der Pensionsversicherung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ebenfalls als Fortschritt zu werten ist die Einführung eines Rechtsanspruchs auf die Grundleistungen der BMS (diverse, von den Ländern vergebene Zusatzleistungen bleiben nach derzeitigem Stand der Dinge aber nach wie vor vom Rechtsanspruch ausgenommen). Weiters ist der zukünftig verstärkte Fokus auf die (Wieder-)Eingliederung von BMS-BezieherInnen in den Arbeitsmarkt zu begrüßen (Grundvoraussetzung für den Bezug der BMS ist, von Ausnahmen abgesehen, Arbeitswilligkeit). Auch die Einschränkung der Rückzahlungspflicht der Leistungen von Personen, die wieder ins Erwerbsleben gefunden haben, und die Einbeziehung der BMS-BezieherInnen in die gesetzliche Krankenversicherung (inklusive e-card) sind wichtige sozialpolitische Fortschritte.

Im ursprünglichen Entwurf zur BMS war als eines der Kernstücke der Vereinheitlichung ein an das Arbeitsmarktservice (AMS) angegliederter One-Stop-Shop vorgesehen. So sollten Antragsstellung und Abwicklung aller Leistungen für zukünftige BMS-BezieherInnen zusammengelegt werden. Das hätte den Zugang zu den Leistungen vereinfacht. Leider ist es aber nicht soweit gekommen. Im AMS ist in der aktuellen Fassung nur noch die Antragsstellung vorgesehen. Auch die für die (Wieder-)Eingliederung relevanten Beratungs-, Betreuungs- und Qualifizierungsangebote sind bisher kaum konkretisiert worden. Es könnte durchaus sein, dass die Umsetzung noch einige Zeit auf sich warten lassen wird.

Ein erster Schritt

Die BMS ist meiner Meinung nach sozialpolitisch ein Schritt in die richtige Richtung. Weitere Schritte müssen folgen, um die Situation der von Armutsgefährdung betroffenen Menschen nachhaltig zu verbessern (mehr und bessere Betreuungseinrichtungen, Maßnahmen gegen prekäre Arbeit, Investitionen in Bildung im Kampf gegen ›Vererbung‹ von Armut etc.)  Ziel muss eine Gesellschaft sein, die auch den Schlechtergestellten ein vernünftiges Auskommen und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sichert. Es würde uns allen zugute kommen.

KONTAKT
Schreiben Sie uns Ihre Meinung
an den Autor
norman.wagner@akwien.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

 

Von MMag. Norman Wagner; Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Sozialpolitik in der Arbeiterkammer Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion
aw@oegb.at

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.