Kommentar | Pro Infotechnologie

Die Haltung zur »schönen neuen Welt« der Kommunikations- und Informationstechnologien (KIT) schwankt – wie immer bei technologischen Innovationen – zwischen kritiklosem Jubel, Hinnehmen und starrer Ablehnung. Das gilt besonders auch für die Veränderungen in der Wirtschaft. Es gibt Opinionleader, die das »Ende der Arbeitsgesellschaft« feiern, weil endlich mit Hilfe von Computer, Internet & Co selbstbestimmtes Arbeiten möglich sei, das Sklavendasein in Fabrik, Geschäft und Büro ein Ende haben werde.

Kritische Distanz notwendig

Diese Leute vergessen nur leider, dass unsere Wirtschaft noch immer (und wieder verstärkt) unter kapitalistischen Machtverhältnissen funktioniert. Sie vergessen, dass die neuen Möglichkeiten der Arbeitsorganisation unter dieser Bedingung neue Abhängigkeiten schaffen, die die alten ersetzen – oder es ist ihnen egal. Kritische Distanz zur KIT-Entwicklung ist sogar höchst notwendig. Fragwürdig sind aus meiner Sicht aber manche »Rezepte» zur Lösung des Problems, vor allem der Ruf nach einem Zurück in vorelektronische Zeit. Maschinenstürmerei ist keine Problemlösung. Diese bittere Erfahrung mussten schon die ArbeiterInnen während der ersten industriellen Revolution machen, die vor etwa 200 Jahren einsetzte. Sie machten diese Erfahrung beim Aufstand der schlesischen HeimweberInnen, denn das Zerschlagen der Maschinen änderte nichts am Vormarsch der Fabriksproduktion. Sie machten diese bittere Erfahrung auch während der Revolution von 1848, denn das Anzünden der Fabriken in den Wiener Vorstädten änderte nichts an Hunger und Wohnungselend. Aus diesen Erfahrungen heraus entwickelte sich die Arbeiterbewegung mit ihren Parteien und Gewerkschaften. Sie stand für eine andere Art der Problemlösung. Statt des Rufs nach der Rückkehr in das vorindustrielle Zeitalter (in dem die Mehrheit der Menschen ja keineswegs in einer heilen Welt lebte) hieß die Parole jetzt: Änderung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse oder zumindest Demokratisierung und Mitsprache, um die neuen Technologien im Interesse der Mehrheit der Menschen einzusetzen und nicht nur im Interesse einer privilegierten Minderheit. In logischer Konsequenz spielte die Arbeiterbildung dabei eine zentrale Rolle. Die ArbeiterInnen sollten für den Umgang mit den neuen Technologien ihrer Epoche und für demokratische Mitbestimmung gleichermaßen fit gemacht werden.

Web für Demokratie nützen

Heute stehen wir vor einer vergleichbaren Herausforderung. Es geht darum, die neuen sozialen Barrieren, die mit dem Einsatz der KIT aufgebaut wurden, zu beseitigen statt etwa Schulkinder von Notebook und Internet fernzuhalten. Es geht darum, gute Lebens- und Arbeitsbedingungen für die ArbeitnehmerInnen unter den neuen Rahmenbedingungen durchzusetzen statt vergebens auf Lösungen vergangener Jahrzehnte zu beharren. Es geht darum, das Web zur Verbreiterung der Demokratie zu nutzen, statt es jenen zu überlassen, die die Demokratie mit diesem Instrument einengen.

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Von Brigitte Pellar (Historikerin, Schwerpunkt Geschichte und Entwicklungsanalyse der ArbeitnehmerInneninteressenvertretungen)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .

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