Die Logik des Profits und die Unterwerfung vieler Regierungen unter das neo-liberale Diktat, bringen die Gewerkschaften zunehmend der Schmerzgrenze näher.
Strategische Kampagnen, wie sie von den US-Gewerkschaften lanciert wurden, zielen darauf ab, spezifische Schwächen und Verwundbarkeiten eines bestimmten Arbeitgebers gezielt auszunutzen. Mittels Taktiken, die aus allen verfügbaren Informationen über die Situation eines Unternehmens abgeleitet werden, wird versucht, die Mobilisierung und Beteiligung von entschlossenen und kämpferischen Mitgliedern zu maximieren. Die Medienöffentlichkeit wird mobilisiert und damit werden die KonsumentInnen involviert. Allerdings erfordert es auch eine Kultur, in der Klarheit darüber besteht, dass Kampagnen nur dann erfolgreich sein können, wenn sie Schmerzen verursachen. Kampagnen treffen dort, wo es wehtut, sonst sind sie wirkungslos. Zeitgemäße gewerkschaftliche Kampagnen zielen auf kostbare Dinge wie das Image eines Konzerns. Also auf den Lebensnerv.
Klar, die Härte und Konsequenz, mit der Kampagnen in den USA geführt werden, war in Österreich bislang undenkbar. Bislang. Die Zeiten haben sich geändert und die Schmerzgrenze ist vielerorts längst überschritten.
Was ist eine Kampagne?
Diese Serie soll eine klare, einfache und handlungsorientierte Hilfestellung für engagierte KollegInnen sein.
Es soll diejenigen unterstützen, die bereit sind, den Kampf für Gerechtigkeit, Solidarität und Menschlichkeit auch jenseits des Sitzungssaales zu führen.
Eine Kampagne ist eine Serie von Kommunikationsereignissen, oft auch Aktionen genannt, mit dem Mindestziel, eine Veränderung in den Köpfen der Menschen zu bewirken. Das höhere Ziel ist natürlich, Menschen zu einer konkreten Handlung zu motivieren oder auch gegen den Willen eines politischen Gegners etwas durchzusetzen. Anders formuliert: »Kampagnen sind dramaturgisch angelegte, thematisch begrenzte und zeitlich befristete kommunikative Strategien zur Erzeugung öffentlicher Aufmerksamkeit.«
Ein wesentlicher Teil der Erreichung des Ziels ist, das Ziel auch richtig zu formulieren. Wenn das Ziel nicht klar ist, wird die Wahl der Strategie zu einem Spiel mit dem Zufallsgenerator. Deine Kampagne ist zu wichtig, als dass wir sie dem Zufall überlassen sollten. Das Engagement unserer KollegInnen hat es sich nicht verdient, dass die Lage falsch eingeschätzt wird, oder dass es zufällig mal so und mal so ausgeht.
Es gibt einen Unterschied zwischen dem Ziel und der Forderung: Das Ziel setzt sich das Kampagnenteam. Die Forderung ist das für die Öffentlichkeit bestimmte Ziel der Kampagne.
Ziel und Forderung
Das Ziel muss so gewählt sein, dass es Menschen motiviert, sich in dieser Kampagne zu engagieren. Engagement ist für vieles, das wir erreichen wollen, das Zauberwort. Ohne Engagement wird es keinen Erfolg geben. Erfolgreiche Menschen sind nicht unbedingt die Intelligentesten oder die Besten, die mit der teuersten Schulausbildung, die mit den besten Noten, die Schnellsten, die Stärksten. Erfolgreiche Menschen sind oft diejenigen, die mit der größten Begeisterung für ein Ziel arbeiten. Entfachst du bei den Menschen diese Begeisterung, die Bereitschaft Aktionen zu setzten, Handlungen zu tätigen, dann ist der Grundstock für den Erfolg deiner Kampagne gelegt.
Es muss uns gelingen, uns mit unserer Kampagne vom »Alltäglichen« abzuheben. Von 1990 bis Ende der Neunzigerjahre hat sich die Zahl der im deutschsprachigen Fernsehen beworbenen Marken von knapp 2000 auf über 5500 fast verdreifacht. Die Zahl der Werbespots hat sich von 300.000 auf 1,5 Millionen verfünffacht. Immer mehr Geld wird ausgegeben, um immer weniger Publikum zu erreichen. Bei jeder PR- oder Werbetagung heißt es: »Die Werbung muss realistischer werden! Die Werbung muss mutiger, echter und ideenreicher werden! Die Werbung muss provokanter, aktueller und humorvoller werden. Die Werbung muss ehrlicher, zielgruppenorientierter, überraschender und lebensnaher werden!« Mit einem Wort, sie muss kreativer werden.
Kreativität ist etwas, was du nicht verordnen kannst. Es liegt an dir, die Voraussetzungen zu schaffen, die Kreativität ermöglichen. Ist der Planungsprozess – so wie ich ihn einleite – kreativitätsfördernd? Ist der Sitzungsort passend? Ist unsere Sitzungskultur unterstützend? Ist mein Kampagnenziel richtig ausgewählt? Ist die Präsentation meiner Idee kreativitäts-animierend?
Die Beantwortung dieser Fragen ist die Voraussetzung für die berühmte Frage: Was tun?
Trau dich!
Lasst uns realistisch bleiben, versuchen wir das Unmögliche!
Ernesto »Che« Guevara
Dass Kampagnen immer »moderner« werden, hat sicher mit der »Amerikanisierung« unserer Politik zu tun. Dieser Trend ist schon seit Jahren bemerkbar. Als sich im September 1998 der Kandidat der SPD, Gerhard Schröder, für seinen Wahlsieg bedankte, war das in zweifacher Hinsicht ein Wendepunkt. Einerseits natürlich das Ende der 16-jährigen Amtszeit von Bundeskanzler Helmut Kohl und andererseits der Erfolg einer »Amerikanisierung« des Wahlkampfes in Deutschland. Die Medien reagierten damals mit negativen Schlagzeilen. »Die politische Auseinandersetzung wird zur Show« stand dort zu lesen und »… denn es gewinnen die, die den größten Unterhaltungswert bieten«. Wenn man sich die Regeln zur erfolgreichen Kampagne ansieht, kann man zweifelsfrei feststellen: Das Erfolgsrezept dieses »amerikanischen« Wahlkampfes basiert auf den Grundprinzipien einer erfolgreichen Kampagne.
Personalisiert, fernsehtauglich, neue Wirklichkeiten schaffend und erbarmungslos!
In einer Welt, in der
- die Memoiren von Dieter Bohlen zum absoluten Bestseller werden,
- die Nation sich vor »Starmania« oder »Deutschland sucht den Superstar« versammelt,
- Alf Poier und Guildo Horn beim Eurovisions-Songcontest antreten,
- das Gesprächsthema über Monate die Geschehnisse im »Big Brother«-Container oder im »Taxi Orange«-Haus sind,
- bei Nachmittagsshows Fragen diskutiert werden wie: »Mein Freund wäscht sich nie« oder »Total verrückt! Mein Mann geht zum Schönheitschirurgen!«,
ist es in der politischen Auseinandersetzung notwendig, dem eine kreative, schillernde und emotionale Kampagne entgegenzusetzen.
Personalisiere deinen Gegner!
Der ÖGB hat für die Abgeordneten, die für die Einführung der Ambulanzgebühr, die Erhöhung des Pensionsantrittsalters und die Verschlechterung des Urlaubsrechtes gestimmt haben, Tafeln mit dem Slogan:
Ich, (Name der/s Abgeordneten),
betreibe Sozialabbau
angefertigt.
AktivistInnen des ÖGB haben dann bei öffentlichen Auftritten mit diesen Tafeln die MandatarInnen auf ihr Abstimmungsverhalten hingewiesen. Die Reaktion der Abgeordneten war noch heftiger als erwartet. Ein Abgeordneter aus Niederösterreich hat, als er bei einer Wahlkampfveranstaltung in seinem Wahlkreis mit dem Schild konfrontiert wurde, den dortigen BetriebsrätInnen zugerufen: »Was bildet ihr euch ein? Das geht doch hier niemanden etwas an, wie ich in -Wien abgestimmt habe!« Dieses Verhalten zeigt nicht nur sein persönliches demokratiepolitisches Defizit auf, es offenbart auch, wie er in seinem Wahlkreis diese Abstimmung kommentiert. Seine Argumentation mit »die da in Wien haben dafür gestimmt …« ist in diesem Moment natürlich zusammengebrochen, weil wir aus der Anonymität der »die da in Wien …« klar herausgearbeitet haben, dass er Teil »derer da in Wien« ist.
Emotionalisierung und Personalisierung sind Kernelemente moderner Kampagnen und Wahlkampfstrategien. Emotionalisieren und personalisieren heißt, vereinfachen, zuspitzen und verkürzen. Die Lüge ist als Mittel untauglich. Emotionalisierung und Personalisierung sind aber keineswegs Neuerscheinungen. Auch in früheren herkömmlichen Wahlkämpfen wurden sie immer angestrebt. (Im nächsten Heft wird dieser Beitrag fortgesetzt.)
Von Willi Mernyi (ÖGB-Referat für Kampagnen, Projekte, Zielgruppen)
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .
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