Kollege Lindner, du bist noch relativ neu in dieser Funktion als Jugendsekretär.
Heuer im Jänner habe ich die Nachfolge vom Stefan Maderner angetreten, der jetzt das ÖGB-Referat für Betriebsarbeit leitet. Ich bin 22 Jahre alt, komme ursprünglich aus der Steiermark, habe 1997 bei der ÖBB den Beruf des Elektroinstallateurs erlernt. Ich komme also aus der Gewerkschaft der Eisenbahner, wo ich lange Jugendvertrauensrat war und dann Jugendvorsitzender. Danach wurde ich stellvertretender ÖGJ-Bundesjugendvorsitzender und Vorsitzender der FSG-Jugend.
Und wie geht es dir bei deinem Job? Die Jugendsituation ist halt nicht schön, mit 14.000 Jugendlichen, die eine Lehrstelle suchen.
Die Situation ist katastrophal. Die Zahlen sind an sich schon erschreckend, aber wenn`s um Jugendbeschäftigung geht, darf man nicht nur von Zahlen reden. Hinter den Zahlen stecken Menschen, und jeder – vor allem junge – Mensch ohne Lehrstelle ist einer zuviel. Und mit über 45.000 Jugendlichen, die momentan arbeitslos sind, ist die Situation mehr als kritisch.
Ich höre dauernd alle sagen, man muss was tun, man muss was tun. Es geschieht ja auch ein bisschen was. In Wien z. B. hat man ja einige tausend Jugendliche wieder untergebracht in Kursen und Stiftungen. Aber das ist immer noch zu wenig, oder?
Man muss sich immer genau anschauen, was passiert und ob es sinnvoll ist. Die Betriebe bekommen 1000 Euro Lehrlingsprämie, ohne dass sie sich an irgendwelche Qualitätskriterien halten müssen. In der Produktion, vom Auto bis zum Fernseher, ist Qualitätssicherung heute selbstverständlich, aber in der Ausbildung ist sie nach wie vor ein Fremdwort – da fehlt es im System. Für die ausbildenden Unternehmen müssen Qualitätskriterien festgesetzt werden und die Einhaltung muss überprüft werden. Nur wer gut ausbildet und für den richtigen Beruf soll gefördert werden, und zwar erst bei erfolgreich abgelegter Lehrabschlussprüfung.
Im ersten Jahr zahlen die Betriebe, glaube ich, keinen Krankenkassenbeitrag. Das zahlen dann alle anderen. Obwohl Lehrlinge noch relativ gesund sind, hoffen wir. Also 1000 Euro ist diese Prämie?
Im nächsten Jahr wird sie zirka 1340 Euro sein.
Das ist schon ein gutes Geschäft …
Ja, man kann sagen, dass man mit einem Lehrling, wenn man ihn anstellt, ein Geschäft macht.
Da gibt es ja manche Bereiche, wo es besonders im Argen liegt und wo vor allem nach der Erhöhung der Probezeit die Jugendlichen wirklich nur als billige Hilfsarbeiter verwendet werden.
Die schwarz-blaue Bundesregierung hat die Probezeit für Lehrlinge von zwei auf drei Monate verlängert. Große Betriebe, zum Beispiel im Gastgewerbe, holen sich Lehrlinge von Juni bis August, sprich immer genau für die Hauptsaison. Die missbrauchen die Jugendlichen, denen sie eigentlich etwas beibringen sollten, als billige Hilfskräfte – und kurz vor Ende der Probezeit werden die Lehrlinge wieder gekündigt. Nicht einmal einen Grund muss der Unternehmer angeben, wenn er den Lehrling loswerden will. 17.000 Lehrverträge wurden im vergangenen Jahr vorzeitig aufgelöst, davon 70 Prozent allein im Bereich der Frisöre. Es ist auf jeden Fall schlechter geworden für die betroffenen Jugendlichen, die in dieser Situation waren. Landeshauptmann Jörg Haider hat ja gefordert, die Probezeit von drei Monaten auf ein Jahr zu verlängern. Das wäre der absolute Wahnsinn. Dann, glaube ich, gibt es sowieso fast keine Jugendlichen, die zur Lehrabschlussprüfung antreten werden. Und das kann es nicht sein. Wir als Gewerkschaftsjugend werden uns auf jeden Fall wehren gegen solche Maßnahmen – wir fordern die Verkürzung der Probezeit auf ein Monat!
Als Fritz Verzetnitsch noch Jugendsekretär war – und ich noch Jugendredakteur, haben wir einmal das 100.000 Mitglied der Gewerkschaftsjugend gefeiert. Wie schaut es denn eigentlich jetzt aus?
52.000 Mitglieder. Die Geburtenjahrgänge sind schwächer, und die Lehrstellen gehen immer mehr zurück. Das Angebot von früher ist einfach nicht mehr da. Die Betriebe bilden nicht mehr aus und beschweren sich gleichzeitig über Fachkräftemangel.
Wenn man sich anschaut, dass in den letzten 20 Jahren die Lehrstellen von über 194.000 auf 120.000 zurückgegangen sind, dann kann man sich schon berechtigterweise die Frage stellen, was da im System nicht stimmt, dass es einen solchen Lehrstellenschwund gibt.
Wie glaubst du, wird das weitergehen? Im Grunde bleibt ja nur die Hoffnung, dass die Leute draufkommen, dass es davon abhängt, wem sie bei den Wahlen die Stimme geben.
Es ist sicher so eine Frage und ich glaube jede Regierung muss daran gemessen werden, was sie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tut und speziell aus unserer Sicht: Was macht sie für die Jugendlichen. Da hat sich in den letzten vier Jahren unter Schwarz-Blau einiges verschlechtert. Ich glaube, dass die Jugendlichen bei der nächsten Wahl auch dementsprechend ihre Stimme abgeben werden. Wenn die Regierung, ganz egal wer die Mehrheit hat, ein bisschen mehr auf die Gewerkschaftsjugend und auf ihre Forderungen hören würden, dann würde die Jugendarbeitslosigkeit auch nicht so dramatisch sein wie sie es derzeit ist.
Wie ist das mit dem Egon Blum?
Der Regierungsbeauftragte für Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung Egon Blum ist sicher ein Hoffnungsfall. Die einzige Frage, die sich für mich stellt, inwieweit lässt die Regierung jetzt zu, dass er das, was er jetzt vor hat, auch wirklich umsetzten kann. Er hat auf jeden Fall sehr gute Ideen.
Von Siegfried Sorz
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