Europapraktikum in Irland

Irland ist von der Größe, der Population sowie vom gewerkschaftlichen Organisationsgrad her mit Österreich vergleichbar. Das war auch ein Grund, mein Praktikum dort zu absolvieren. Es war mir vergönnt, einen Monat die irische Handelsgewerkschaft Mandate von innen zu beobachten. In Dublin angekommen, lernte ich schnell die gewerkschaftliche Vielfalt – in Irland gibt es 52 Fachgewerkschaften – kennen. Die Zusammenarbeit ist dabei nicht immer einfach. Alle irischen Gewerkschaften versammeln sich im ICTU (Irish Congress of Trade Unions) – dieser ist aber nicht wirklich mit unserem ÖGB vergleichbar, da er viel kleiner ist. In diesem Monat erfuhr ich unter anderem viel über die Unterschiede des irischen Arbeitsrechtes im Vergleich zum österreichischen. Vor allem die „Schlichtungsstellen“ haben einen sehr hohen Stellenwert. Die meisten Fälle werden von sozialpartnerschaftlich eingerichteten Stellen behandelt und entschieden bzw. geben diese Empfehlungen ab. Nur wenige Fälle landen dann in den regulären Gerichtsinstanzen.

Kein Kündigungsschutz für Betriebsrat

Größte Verwunderung löste ich aus, als ich den Kolleginnen und Kollegen unser Arbeitsverfassungsgesetz erklärte. Rechtliche Absicherung eines Betriebsrates, Mitwirkungsrechte, Kündigungsschutz, Bildungsfreistellung etc. – im irischen Arbeitsrecht ist das alles unbekannt. Ein „Shop Steward“ wird in Irland zwar auch von der Belegschaft gewählt, aber das war es schon mit den Gemeinsamkeiten. Wenn ein Shop Steward, ein Betriebsrat, gekündigt wird, kann sich dieser nur mithilfe der Beschäftigten und der Gewerkschaft durch Androhung von Kampfmaßnahmen wehren, rechtlichen Schutz gibt es keinen! Die Wirtschaftskrise hat zu einem Umdenken in den irischen Gewerkschaften geführt. Viele staatliche Förderungen, vor allem im Bildungsbereich, wurden gestrichen. Ein Großteil der gewerkschaftlichen Bildungsmaßnahmen wurde bis dahin durch staatliche Zuschüsse finanziert. Die Konsequenz war, dass eine Bündelung der Ressourcen unumgänglich wurde, um den Standard zu erhalten. Das Ergebnis war ein erstes gemeinsames Bildungsprogramm. Eine neue Dimension von Kooperationen war auch bei öffentlichen Aktionen sichtbar. Demonstrationen, Veranstaltungen und Kundgebungen wurden von verschiedenen Gruppierungen organisiert. Es entstand eine Zusammenarbeit, die es ohne die sehr schwierige wirtschaftliche Situation im Land vermutlich nie gegeben hätte. Einen der schwersten Rückschläge erlitten die Irinnen und Iren bei den Gehaltsverhandlungen. In regelmäßigen Abständen (meist zwei Jahre) wurde ein „Generalkollektivvertrag“ abgeschlossen. Arbeitgeber, Staat und Gewerkschaft verhandelten dabei über Lohn- und Gehaltserhöhungen. Dabei wurden allerdings keine Mindestlöhne besprochen, sondern ausschließlich eine Ist-Erhöhung auf alle bestehenden Gehälter vereinbart. Das heißt auch, dass ein Wechsel eines langjährigen Arbeitsplatzes meist mit massiven Einkommensverlusten verbunden ist. Man könnte wieder auf Grundlage des staatlichen Mindesteinkommens beschäftigt werden. Seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise fanden allerdings keine Verhandlungen mehr statt. Als Grund dafür wurde vonseiten des Staates und der Arbeitgeber die Krise vorgeschoben. Stagnation im Einkommensbereich ist die Folge. Ein Spaziergang durch Dublin zeigt, wie das Land mit der Krise zu kämpfen hat. Wo man hinsieht, findet man Baustellen ohne Bauarbeiter. Wann und ob diese Baustellen jemals fertiggestellt werden, weiß niemand. Schnell fallen auch die unzähligen Verkaufsschilder vor den Häusern auf. Villen, welche vor zehn Jahren mehrere 100.000 Euro wert waren, können heute um ein Zehntel des ursprünglichen Preises gekauft werden. Das Problem dabei: Niemand kauft sie.

Neue Maßnahmen in neuen Zeiten

Die Zeiten des keltischen Tigers sind eindeutig vorbei. Viele Irinnen und Iren schicken ihre Kinder in andere Länder, damit sie Arbeit finden. Die Perspektivenlosigkeit lässt ihnen keine Wahl. Meine Zeit bei der Gewerkschaft Mandate war mit vielen tollen Erlebnissen verbunden. Faszinierend ist, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad trotz Hindernissen zirka gleich hoch ist wie jener in Österreich. Neue Formen der Organisierung, wie das amerikanische Organizing, werden derzeit höchst erfolgreich in allen Gewerkschaften umgesetzt. Neue Zeiten erfordern neue Maßnahmen.

INTERVIEW
Zur Person – Owen Roberts
Alter: 46
Erlernter Beruf: Verkäufer
Firma: Tesco Ireland
Firmenstandort: Killarney
Gewerkschaft: Mandate Trade Union, www.mandate.ie

Wie ist dein Familienstand? 
Ich bin mit Margaret Cronin Roberts verheiratet. Sie hat ebenfalls Verkauf gelernt. Wir haben keine Kinder.

Seit wann bist du im Eurobetriebsrat?
Seit 2010. 

Dürfen wir dich nach deinem Einkommen fragen?
Ich verdiene 2.000 Euro. 

Was bedeutet dir Arbeit? 
Ich muss arbeiten, um meine Rechnungen zu bezahlen. 

Wie denkst du über die Wirtschaft in Irland? 
Sie ist noch immer im Krankenhaus, man muss sich noch immer Sorgen machen. 

Was bedeutet dir Gewerkschaft?
Sie bringt die ArbeitnehmerInnen zusammen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und ein sicheres Arbeitsumfeld zu gestalten.

Was bedeutet dir die Europäische Union?
Die EU bringt die Menschen zusammen, um gemeinsam eine bessere Zukunft für die arbeitenden Menschen in Europa zu schaffen.

Was ist dein Lieblingsland in Europa und warum?
Spanien, wegen dem Wein.

Was kann der Europäische Betriebsrat (EBR)?
Er ist auch eine Willenseinigung von Menschen, die das Ziel haben, dass ArbeitnehmerInnen in Europa bei allen Themen mitentscheiden können.

Wie viel Urlaub hast du und wie nützt du ihn
Ich habe dreimal im Jahr Urlaub. Im Sommer fahre ich gerne in die Sonne und im Winter schaue ich mir gerne europäische Städte an. Ich versuche, mich über die verschiedensten Kulturen vor Ort zu informieren. Und dann muss noch ein wenig Zeit für mein Hobby, das Angeln, bleiben.

Was wünscht du dir für die Zukunft?
Ich möchte – wie hoffentlich möglichst viele Gleichgesinnte – meinen ökologischen Fußabdruck reduzieren.

Von Michael Huber, Teilnehmer des 60. SOZAK-Lehrgangs

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/14.

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