Energiezentren

Richard Wagner war der bedeutendste Denker und Praktiker der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit bis zum Ende der österreichischen Demokratie 1934. In „Arbeit und Wirtschaft“ veröffentlichte er etliche Beiträge zum Thema, zuletzt 1931 aus Anlass des ­Erscheinens einer Studie der Universität ­Münster über „Arbeiterbildung im neuen Deutschland“.
Richard Wagner unterschied drei Ebenen gewerkschaftlicher Bildungsaktivität: die „äußere Bildungspolitik“ – das Fordern und Durchsetzen von Bildungsfortschritten im demokratischen Staat, und zwei Ebenen der „inneren Bildungspolitik“ -, die „Massenbildung“ der Gewerkschaftsmitglieder und die FunktionärInnenschulung.
Im Interesse der Demokratie, deren Weiterentwicklung mit dem Aufstieg der Arbeiterklasse eng verbunden ist, so Wagners Grundaussage zur ersten Ebene, müsse sich die Gewerkschaftsbewegung für Fortschritte im öffentlichen Bildungswesen einsetzen:
Um ein reifes Staatsbürgervolk für die demokratische Republik heranzubilden, müsste schon die Volksschule wirklichkeitsnäher werden. … Aber auch die Berufsschulen müssten systematisch und eingehend österreichische Wirtschafts-, Gesetzes- und Verwaltungskunde vermitteln. Was heute auf diesem Gebiet geschieht, ist in jeder Hinsicht unzulänglich. Auch eigene Schulen für erwachsene Arbeiter und Angestellte sollten geschaffen werden.
Die Aufgaben der inneren Bildungspolitik brachte Wagner in folgenden Sätzen auf den Punkt: Die besondere gewerkschaftliche Bildungsarbeit muss mit zeitgemäßen Mitteln gewerkschaftliche Massenaufklärung leisten und dem Nachwuchs des … Funktionärskörpers eine gründliche Durchschulung bieten. Es sei die große Sonderaufgabe der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit, die Arbeiter für die werdende und zukünftige Betriebs- und Wirtschaftsdemokratie zu erziehen, … klare Vorstellungen und Begriffe über Betriebs-, Volks- und Weltwirtschaft möglichst weit zu verbreiten.
Dies erfordere gründlich geschulte Gewerkschaftsfunktionäre. Die Funktionäreschulung umfasst eine allgemeine, grundlegende Wissensschulung für alle gewerkschaftlich bedeutsamen Gebiete und anschließend Spezialausbildung für die besonderen Zweige des Gewerkschaftswesens. Dabei warnte Richard Wagner aber in einem andern Beitrag vor einseitiger Ressortbildung, ohne den ganzen Menschen ­einzubeziehen. Das Ziel, das der deutsche Gewerkschaftskongress 1928 formulierte, gelte auch für Österreich: Die Gewerkschaftsschulen müssen die „Energiezentren des gewerkschaftlichen Lebens sein.“
Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Pellar brigitte.pellar@aon.at

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Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 02/2011.

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