CSR und Zivilgesellschaft

Seit seiner Gründung als Verein 2006 hat sich das Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe), eine Kommunikations- und Koordinationsplattform von NGOs und ArbeitnehmerInneninteressenvertretungen, in der CSR-Szene etabliert und ist zu einem wichtigen Akteur für zivilgesellschaftliche Perspektiven für CSR in Österreich geworden. Das Netzwerk setzt sich dafür ein, das CSR-Konzept, wonach Unternehmen auf freiwilliger Basis gesellschaftliche Verantwortung in ihr Managementkonzept integrieren und über gesetzliche Vorschriften hinausgehend Verantwortung übernehmen sollen, zu einem Weg für nachhaltige Entwicklung und Demokratisierung weiterzuentwickeln.

Dafür sind einerseits politische Rahmenbedingungen wie klare Spielregeln, Anreize und Kontrollmechanismen und andererseits eine Kulturveränderung in Richtung CSR-Werte nötig, was durch verschiedene Instrumente auf Unternehmensebene gefördert werden kann.

Stakeholderperspektiven

Ein wichtiges Instrument im CSR-Konzept ist der Stakeholderdialog. Die Auseinandersetzung mit den Perspektiven der Stakeholder, also den betroffenen Interessengruppen wie die Vertretung der ArbeitnehmerInnen, NGOs, lokal und regional Betroffene, und die schrittweise Integration der Ergebnisse des Dialogs in die Unternehmenspolitik sollen innovative und für die gesamte Gesellschaft sinnvolle Lösungen fördern. Das NeSoVe hat sich zur Aufgabe gemacht, die unterschiedlichen Stakeholderperspektiven zu koordinieren, das gewonnene Know-how zu bündeln und gemeinsame Perspektiven in die öffentliche CSR-Diskussion einzubringen.

Es hat dabei einerseits eine Watchdog-Funktion, d. h. es zeigt auf, wenn CSR draufsteht, aber nicht drin ist bzw. wenn CSR für Greenwashing missbraucht wird, und andererseits eine starke Dialog-Funktion. Durch den Dialog soll das Wissen der verschiedenen NPOs/NGOs für die Weiterentwicklung der CSR-Strategien der Unternehmen nutzbar gemacht werden.

Glaubwürdigkeit und Transparenz

Von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Entwicklung von CSR in längerfristiger Perspektive ist Glaubwürdigkeit und Transparenz. Für Stakeholder und Öffentlichkeit muss nachvollziehbar sein, ob CSR-Maßnahmen von Unternehmen nur »Sahnehäubchen« darstellen oder einen ganzheitlichen Managementansatz verfolgen, ob ökologische wie auch soziale Kriterien erfüllt werden usw.

Als Grundlage für eine entsprechende Bewertung braucht es eine klare Definition der Anforderungen an CSR, messbare Indikatoren und Vergleichbarkeit mit anderen CSR-Initiativen.

Entstehung des CSR-Kriterienkatalogs

Das Netzwerk Soziale Verantwortung hat nun in Kooperation mit dem Sozialforschungsinstitut IFES – einen CSR-Kriterienkatalog entwickelt, der einen Bewertungsraster für soziale Verantwortung von Unternehmen bietet. Dadurch kann der Dialog des Netzwerks Soziale Verantwortung sowie deren Mitgliedsorganisationen mit Unternehmen auf der Basis von klaren und messbaren Anforderungen erfolgen. Zusätzlich bietet der Kriterienkatalog eine Grundlage für Zertifizierungen und zukünftige rechtliche Verpflichtungen.

Der Kriterienkatalog wurde von ExpertInnen aus dem Netzwerk mit unterschiedlichen fachlichen Perspektiven erarbeitet. So ist das Know-how aus den Bereichen Arbeit, Menschenrechte, Antidiskriminierung, Entwicklungszusammenarbeit, KonsumentInnenschutz und Umwelt eingeflossen.

Der Katalog basiert auf dem Positionspapier des Netzwerks Soziale Verantwortung und orientiert sich an der Gliederung der Global Reporting Initiative und den Kriterien von Ethibel und Clean Clothes.

Der Katalog misst den Grad der Verankerung von CSR im Unternehmen und in der Beziehung zum Umfeld, das CSR-Fundament. Die Leistungskriterien behandeln die ökonomische, die ökologische und die soziale Dimension, wobei letztere die Handlungsfelder Arbeit, Menschenrechte, Gesellschaft und Produktverantwortung beinhaltet. Insgesamt 116 Kriterien werden durch jeweils mehrere Indikatoren konkretisiert. Indikatoren liefern gut feststellbare Anhaltspunkte, an denen man ablesen kann, ob ein bestimmter Sachverhalt zutrifft. Zusammen mit einer definierten Zielsetzung für jedes Kriterium ergibt sich ein Bewertungsrahmen. Die Prinzipien Ganzheitlichkeit (übergreifend, Bezug zum Kerngeschäft), Nachhaltigkeit (Zielorientierung, Langfristigkeit) und Feedback-Schleife/Regelkreis (laufende Evaluierung der Zielerreichung, CSR als Prozess) stellen eine Querschnittsanforderung dar und sind bei der Bewertung aller Kriterien mitzudenken. Der Grad der Stakeholdereinbindung kann mit einem eigenen Bewertungsmaßstab beurteilt werden. Die Bewertungsergebnisse werden mit Hilfe eines Punktesystems für jedes Handlungsfeld ausgewiesen.

Der Kriterienkatalog ermöglicht Unternehmen bzw. Organisationen, den Entwicklungsstand ihrer CSR-Maßnahmen auf allen Ebenen sichtbar zu machen. Wie wir von unseren Testunternehmen rückgemeldet bekamen, werden dadurch blinde Flecken sichtbar und es entstehen neue Perspektiven für die CSR-Entwicklung. Der Katalog kann als Maßstab sowohl für die Selbst- als auch für die Außenbewertung durch Stakeholder genutzt werden.

Bewertungskriterien

Die Kriterien des Handlungsfeldes Arbeit sind eine wichtige Grundlage für den CSR-Dialog von Stakeholdern, Betriebsrat oder Gewerkschaft mit den Unternehmen. Beteiligung und Mitbestimmung sind wichtige CSR-Werte. Dazu gehört die Anerkennung einer kollektiven Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen zur Konfliktregelung. In einem sozialverantwortlichen Unternehmen sollte ein Betriebsrat vorhanden sein bzw. eine Betriebsratsgründung gefördert werden. Indikatoren für eine gut funktionierende Mitbestimmung sind etwa vorhandene Betriebsvereinbarungen und deren Qualität sowie die Einbeziehung des Betriebsrats in die Entwicklung von CSR-Maßnahmen. Organisationen, die mehr tun wollen als das Gesetz vorschreibt, können auch Formen der direkten Mitbestimmung einführen (z. B. dezentralisierte Entscheidungsstrukturen, Verbesserungsvorschlagssystem, institutionalisierte Beschwerdestruktur). Wichtig dabei ist, dass diese Partizipationsformen verbindlich gestaltet werden.

Neben Mitbestimmung im Betrieb umfassen die inhaltlichen Anforderungen im Handlungsfeld Arbeit die Themen Beschäftigung, Arbeitsbedingungen, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Aus- und Fortbildung, Vielfalt und Chancengleichheit. Die Effekte von Maßnahmen können u. a. durch kontinuierliche MitarbeiterInnenbefragungen laufend evaluiert werden, um damit dem Prinzip der CSR als lernendes System gerecht zu werden. Mit den Indikatoren des Österreichischen Arbeitsklimaindex der AKOÖ liegt damit sogar bereits ein verbindlicher Vergleichsstandard vor.

Die Einbindung des Betriebsrates bei CSR-Maßnahmen wie etwa Verhaltenskodizes sollte Planung, Implementierung und Kontrolle umfassen. Ein ideales Instrument dazu stellt das Soziale Audit dar, eine neue Form der Mitbestimmung, das eine strukturierte und prozessorientierte Überprüfung, begleitende Steuerung und Anpassung von Managementmaßnahmen ermöglicht. Arbeitnehmer- und ArbeitgebervertreterInnen überprüfen, bewerten und beurteilen dabei gemeinsam die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Beschäftigten und leiten im Bedarfsfall daraus Verbesserungsmaßnahmen ab. Dadurch werden Win-win-Situationen für UnternehmerInnen und ArbeitnehmerInnen möglich.

Öffentliche Diskussion

Werden die Bewertungskriterien des NeSoVe-Katalogs für das Handlungsfeld Arbeit als Grundlage für Soziale Audits in vielen Betrieben verwendet, entstehen gut vergleichbare Daten, die in der Argumentation für bessere Arbeitsstandards genutzt werden können.

Die Kriterien bieten weiters eine Grundlage für Umfragen über Arbeitsbedingungen und in der Folge eine breite öffentliche Diskussion über die Qualität der Arbeit.

Anstatt über CSR-Ratings, deren Bewertungsgrundlagen meist nicht transparent sind, und Auszeichnungen von Einzelinitiativen, die sich nicht mit anderen vergleichen lassen, zu diskutieren, sollen die inhaltlichen Anforderungen und der Grad der Entwicklung der gesamten CSR-Strategie der einzelnen Unternehmen Gegenstand für eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit werden.

Weblinks
Mehr Infos unter:
www.gpa-djp.at/arbeitundtechnik
www.sozialeverantwortung.at

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Von Dr. Eva Angerler GPA-djp, Abteilung Arbeit und Technik

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