Burma: Pagoden und Zwangsarbeit

Goldene Kuppeln und Türmchen buddhistischer Pagoden vor einem tiefblauem Himmel, phantastische Monsterfiguren an bizarr ornamentierten Fassaden – Motive der Tourismuswerbung Burmas mit hohem Bekanntheitsgrad. Weniger bekannt ist der Umstand, dass in dem südostasiatischen Land, dessen Namen die Regierung in Myanmar geändert hat, eine Militärdiktatur herrscht, die zu den repressivsten Regimen der Gegenwart zählt: Unterdrückung der demokratischen Opposition, Verbot der Gewerkschaftsbewegung, Diskriminierung ethnischer Minderheiten, Korruption und Drogenhandel zählen zu seinen Markenzeichen. Die Verfassung ist seit 1988 aufgehoben. Ein »goldener Gulag«, wie das deutsche Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« Burma im Jahr 2003 nannte.

Nobelpreis
Einzelheiten über die Menschenrechts-lage in Burma wurden und werden von Anhängern der Demokratiebewegung mühsam vor Ort dokumentiert und unter hoher persönlicher Gefährdung an Hilfsorganisationen im Ausland weitergegeben. Sie finden sich dann – über das Internet leicht zugänglich – in den Berichten der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen sowie von Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International oder dem Internationalen Bund Freier Gewerkschaften (IBFG), dem auch der ÖGB angehört. Aufkeimende Studentenproteste hatten die Militärs 1988 noch zusammenschießen lassen, 1990 jedoch stimmten sie aufgrund internationalen Drucks der Abhaltung freier Wahlen zu. Überragende Siegerin derselben wurde die von der charismatischen Tochter des Führers der Unabhängigkeitsbewegung gegen Großbritannien, Aung San Suu Kyi, begründete Nationale Liga für Demokratie (NLD). Aung San Suu Kyi erhielt zwar 1991 für ihr gewaltloses Engagement für Gerechtigkeit den Friedensnobelpreis, ihre Partei jedoch wurde von den Generälen ihres Wahlsiegs beraubt und in den Untergrund gedrängt, die Parteivorsitzende selbst unter Hausarrest gestellt.

Zwangsarbeit
Ein weiteres Element der menschenrechtswidrigen Repression in Burma ist die Heranziehung der Zivilbevölkerung (insbesondere der ethnischen Minderheiten des Landes) zu unbezahlter Zwangsarbeit. Ein großer Teil derselben kommt dem Verkehrs-, Infrastruktur- bzw. Tourismussektor Burmas zugute – ein Faktum, das für die aktuelle politische Diskussion zu »Myanmar« von Bedeutung ist.

Wie die allgemeinen bürgerlichen Freiheiten sind auch die gewerkschaftlichen Rechte erheblich eingeschränkt. Der demokratische Gewerkschaftsbund des Landes, die der Demokratiebewegung nahestehende Föderation der Gewerkschaften in Burma, ist in den Untergrund gedrängt (seitens der Militärjunta wurde eine Quasi-Arbeitnehmervereinigung ins Leben gerufen, deren Mitgliedschaft für alle Beschäftigten verpflichtend ist); Neugründungen von unabhängigen Organisationen auf betrieblicher oder branchenmäßiger Basis sind legal praktisch unmöglich. Zusammenkünfte von fünf oder mehr Personen bedürfen einer Genehmigung der Polizei, andere Formen gewerkschaftlicher Betätigung oder gar Streiks sind verboten. »Wer Mitglied einer unrechtmäßigen Vereinigung ist«, heißt es in der Verordnung Nr. 2/88 des so genannten Staatsrats für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung (heutiger Name: Staatsrat für Frieden und Entwicklung), »oder an ihren Sitzungen teilnimmt bzw. Beiträge für eine derartige Vereinigung entgegennimmt oder erbittet … wird mit einer mindestens zweijährigen und nicht mehr als dreijährigen Haftstrafe belegt.«

Haft und Todesurteile für Gewerkschafter
Dass der Gewerkschaftsbund angesichts dessen nur im Untergrund bzw. vom Exil aus tätig ist (etwa 1,5 Millionen burmesische Arbeitsmigrant/inn/en arbeiten in Thailand), nimmt nicht wunder. Im Inland werden unabhängige Gewerkschafter häufig mit langen Haftstrafen belegt (so die Funktionäre der Petrochemiegewerkschaft U Myo Aung Thant und U Khin Kyaw), im Ausland werden Wanderarbeiter/innen und vor allem die burmesischen Matrosen auf hoher See bespitzelt und eingeschüchtert, um sie von Kontakten zur Internationalen Transportarbeitervereinigung abzuhalten. Mehrere Personen, die Informationen an das ILO-Büro in Rangoon geliefert hatten, wurden 2003 zum Tod verurteilt und erst vor kurzem nach heftigen internationalen Protesten zu langjährigen Gefängnisstrafen »begnadigt«.

Als 1990 klar wurde, dass die Militärjunta in Rangoon nicht daran dachte, den Wählerwillen zu respektieren und die NLD, die einzige von der Bevölkerung demokratisch legitimierte politische Kraft, mit der Regierungsbildung zu beauftragen, begann sich internationale Kritik und Solidarität mit dem Widerstand zu formieren. In verschiedenen Ländern Westeuropas bildeten sich Solidaritätsgruppen, welche die NLD unterstützten und Maßnahmen gegen die burmesischen Militärs forderten.

Zugleich begannen auch einzelne Staaten, Maßnahmen gegen die Diktatur zu ergreifen. Regierung und Konzerne aus den Vereinigten Staaten machten den Anfang, teils wegen des rasch wachsenden burmesischen Drogenhandels, dessen Verzweigungen in höchste Regierungskreise reichen, teils im Zeichen einer (vom damaligen US-Präsidenten Bill Clinton geförderten) »politischen Korrektheit« aus Protest gegen die offene Missachtung demokratischer Wahlen. Führende Tourismus- und Ölfirmen aus den USA z. B. zogen sich aus Burma zurück, auch die meisten Kreditkarten (Visa und Mastercard z. B.) sind für den »goldenen Gulag« nicht gültig. 1996 verhängte auch die Europäische Gemeinschaft teilweise Sanktionen gegen »Myanmar«, die bis heute gelten und unter anderem eine Aussetzung offizieller politischer Besuche sowie ein Waffen- und Technologie-Embargo enthalten.

Tourismus und Diktatur
Vor allem die Tatsache der in Burma weitverbreiteten und von den Generälen systematisch organisierten Ausbeutung von Zwangsarbeiter/innen rief die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in Genf auf den Plan. Zwangsarbeit wird als gravierende Verletzung der international akkordierten und auch von Burma selbst ratifizierten grundlegenden Arbeitsnormen gewertet. Insofern war es nicht zufällig die ILO, die im Jahr 2000 als erste internationale Organisation Strafmaßnahmen gegen »Myanmar« wegen Verstoßes gegen das Zwangsarbeits-Übereinkommen forderte; unter anderem wurde für die Einstellung aller touristischen Verbindungen zu Burma plädiert, sofern dieselben auf Leistungen aus Zwangsarbeit beruhen oder das System der Zwangs-arbeit fördern. Damit wurde neuerlich – wie seinerzeit im Fall des Apartheid-regimes in Südafrika – die umstrittene Frage nach der Bedeutung von Tourismus und Tourismuswerbung für diktatorische Regime gestellt: Führt Fremdenverkehr zur schrittweisen Liberalisierung eines Systems oder leistet er im Gegenteil noch Schützenhilfe für derartige Diktaturen?

Gefängnis für Japaner
Die erste Meinung wird, kaum verwunderlich, vor allem seitens der Reiseveranstalter sowie von Tourist/inn/en vertreten, die nicht selten von der Schönheit des Landes und der Freundlichkeit seiner Bevölkerung beeindruckt sind. Wenigen Burma-Reisenden freilich ist bewusst, dass sich nicht nur der organisierte (Reisegruppen), sondern auch der Individualtourismus nur innerhalb sehr enger vom Regime gezogener Grenzen bewegt. Politische Repression und Zwangsarbeit werden von den in der Regel sprachunkundigen und auf (geheimdienstlich überwachte) Fremdenführer und Hotelpersonal angewiesenen Tourist/inn/en kaum wahrgenommen; ebenso wenig der Umstand, dass weite Teile des Landes von den Militärs zu Sperrzonen erklärt wurden und nur mit Sondergenehmigungen betreten werden dürfen. Erst am 24. September 2004 wurden in Mandalay beispielsweise drei japanische buddhistische Mönche zu dreijährigen Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie einige Wochen zuvor eine Nacht in Mogok, einer gesperrten Zone etwa 200 km nördlich von Mandalay, verbracht hatten. Gemeinsam mit ihnen wurden ihr burmesischer Chauffeur, ihr Dolmetscher sowie zwei Studenten verurteilt.

Dass solche zwar wohlmeinenden, politisch aber naiv unternommenen Versuche von Reisenden, auf eigene Faust einen Beitrag zur »Demokratisierung« des Landes zu leisten, in Wirklichkeit nur die lokale Bevölkerung gefährden, ist ein Umstand, der auch aus anderen Diktaturen bekannt ist.

Darüber hinaus bieten touristische Verbindungen und vor allem die von Fluglinien und Reisebüros betrieben Werbemaßnahmen (im Fall Burmas die Hochglanzbroschüren mit den goldenen Tempeln vor blauem Himmel) dem Regime eine willkommene Propagandaplattform im Ausland.

Aufruf des IBFG
Die internationale Gewerkschaftsbewegung – vor allem der IBFG sowie die Internationale Transportarbeitervereinigung, die für den Verkehrssektor zuständig ist – vertreten daher die zweit-genannte Meinung. IBFG-Generalsekretär Guy Ryder: »Die globale Gewerkschaftsbewegung ruft die internationale Gemeinschaft und im besonderen die multinationalen Konzerne zu Wirtschaftssanktionen gegen Burma auf, um auf diese Weise mit friedlichen Mitteln eine Demokratisierung des Landes und die Übertragung der Regierungsgewalt an die durch Wahlen legitimierte Nationale -Liga für Demokratie durchzusetzen.«

Österreich ist von dieser Debatte in besonderer Hinsicht betroffen. Nicht nur hat ein privates (gewerkschaftlich nicht organisiertes) Reisebüro Burma als eine Marktlücke entdeckt, als einzige europäische Fluglinie führt vielmehr auch die Lauda Air während der Wintersaison Direktflüge von Wien nach Rangoon und unterläuft somit den von der Internationalen Arbeitsorganisation geforderten Tourismusboykott – an den sich zwar nicht die asiatischen, immerhin aber US-amerikanische und die anderen EU-Fluglinien halten. Auch abgesehen davon ist die Optik nicht die beste: Wie angesichts der Verhältnisse im militärisch regierten Burma nicht anders zu erwarten, wurde die Flugverbindung Wien – Rangoon der Lauda Air im November 2002 im Rahmen einer feierlichen Zeremonie eröffnet, an der hochrangige Generäle wie Verkehrsminister Hla Myint Swe und der Minister für Hotel und Tourismus, Thein Zaw, teilnahmen – was in der regierungsnahen Presse in Burma natürlich groß berichtet wurde.

Verantwortung der AUA
Dadurch provoziert, laufen seit März 2003 in mehreren europäischen Ländern NGO-Proteste gegen Austrian Airlines, koordiniert von dem (mit Unterstützung der EU agierenden) Burma-Zentrum in Amsterdam. Eveline Bontje, zuständige Kampagnemanagerin, erklärt dazu:

»Austrian Airlines propagiert durch diese Flüge einen Massentourismus nach Burma, der das Militärregime finanziell und moralisch unterstützt, Zwangsarbeit stützt und den Wünschen der demokratisch gewählten Oppositionspartei, des NLD, entgegenläuft.

Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und Burma-Solidaritätsgruppen in mehr als 15 Ländern protestieren dagegen durch Petitionen, Briefe und auch Demonstrationen auf den Flughäfen. Und diese internationale Kampagne gegen Austrian Airlines geht weiter.«

Das Image der österreichischen Airline, die sich in anderen Bereichen als sozial und ökologisch verantwortungsbewusste Fluglinie profiliert hat, sieht sich dadurch in Frage gestellt.

Gehen die Proteste weiter, stehen AUA und Lauda Air über kurz oder lang vor der Alternative, entweder kurzfristige Erträge durch politisch bedenkliche Flüge in einer »Marktnische« zu erwirtschaften oder sich langfristig ein positives Image im Sinne der corporate social responsibility zu schaffen bzw. zu erhalten. Auch für die Beschäftigten von Austrian Airlines, die den umstrittenen Flügen ihrer Firma in vielen Fällen selbst ambivalent bis kritisch gegenüberstehen, sind die internationalen Proteste nicht angenehm.

ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch hat deshalb das AUA-Management und Vertreter der internationalen Gewerkschaftsbewegung ersucht, Gespräche über die umstrittenen Flüge nach Burma und die von Gewerkschaften und NGOs daran geübte Kritik aufzunehmen.

Über die Ergebnisse wird »Arbeit&Wirtschaft« sicher berichten.

Von Walter Sauer (Internationales Referat des ÖGB)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .

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