Big Brother Google

Wir alle mögen die »Suchmaschine« Google, weil es ein verlässliches, einfach zu bedienendes und praktisches Webservice ist; nüchtern gehalten, ein Suchschlitz, in den man einen oder mehrere Begriffe eintippt und innerhalb von Sekundenbruchteilen eine Trefferliste erhält.
Google ist die am häufigsten besuchte Webseite und die beliebteste Suchmaschine der Welt – acht von zehn ÖsterreicherInnen nutzen Google, wenn sie im Internet nach Informationen suchen. Für viele Internet-NutzerInnen ist Google sogar die Startseite, wenn sie sich ins Web einloggen. Ein Leben im Web ohne Google ist für viele nicht denkbar.

Abhängig
Die Dominanz Googles ist drastisch, wie eine exklusiv für das Buch »Die Google-Falle« in Auftrag gegebene Umfrage bei Marketagent.com ergeben hat. Auf die sogenannte Top-of-Mind-Frage »Welche Suchmaschinen sind Ihnen zumindest dem Namen nach bekannt? Bitte nennen Sie uns spontan alle, die Ihnen einfallen« wurde Google von 81,8 Prozent der Befragten zuerst genannt. Lediglich 4,8 Prozent der NutzerInnen sagten zuerst »Yahoo!«. Lycos belegte mit 1,3 Prozent den dritten Platz.

Google dominiert aber nicht nur den Such- und damit verbunden auch den Werbemarkt im Web – ist Ihnen aufgefallen, wie viele Wortanzeigen neben der Trefferliste stehen? -, Google verändert die Gesellschaft. Die Firma beeinflusst die Informationsbeschaffung, das Lernen, fördert die Copy-Paste-Kultur und betätigt sich zudem als Datensammler, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. Google ist zu einem »Big Brother« mutiert, der bald in die hintersten Winkel unserer Privatsphäre blicken kann. Seit wir vernetzt sind, hinterlassen wir eine Datenspur, die man mehr oder weniger gut auswerten kann. Denn anders als bei den derzeit so populären Web 2.0-Diensten wie der Video-Plattform YouTube, dem StudentInnenportal StudiVZ, der Sozialplattform Facebook oder dem Business-Portal Xing, die von den NutzerInnen – freiwillig – mit Informationen angefüllt werden, sammelt Google jene Informationen, die wir unfreiwillig hinterlassen. Darin liegt die Gefahr: Wir sind dem ausgeliefert. Ob wir wollen oder nicht.

»Man muss Google nicht verwenden«, lautet die einhellige Meinung vieler NutzerInnen. Aber die meisten verwenden diese Suchmaschine. Es gibt zwei Gruppen von Internet-NutzerInnen: Die einen legen auf ihre Privatsphäre wert und wollen wissen, was mit ihren Daten passiert und welche Informationen gesammelt und ausgewertet werden. Den anderen ist es egal, was man über sie weiß – entweder nach dem Motto: Ich habe nichts zu verbergen, oder weil sie der Meinung sind, dass es im Web ohnehin unmöglich ist, die Datenpreisgabe zu verhindern.

Google kommt jedenfalls sehr trickreich an unsere Informationen und an unseren Datenschleim. Der Google-Trick ist an sich ein sehr banaler, er basiert nämlich auf der Maxime »Geben und Nehmen«. Google sorgt für diese Balance. Es verteilt neben der kostenlosen Suchfunktion auch Gratisprogramme, vom Office- über das Bildverarbeitungs- bis hin zum E-Mail-Programm. Die wenigsten wissen, dass Google die E-Mails von G-Mail-NutzerInnen scannt und zum Inhalt des Mails passende Anzeigen schaltet. Wer in einem Mail den Job-Verlust beklagt, bekommt Job-Anzeigen eingeblendet »Arbeiten Sie von zu Hause aus« oder »Eröffnen Sie Ihr eigenes Online-Casino«.

Googles Devise lautet »Gratis gegen Privatsphäre« sozusagen. Wir dürfen eine Vielzahl von Gratis-Diensten nutzen und geben dabei Daten von uns preis, die einem Konzern dazu verhelfen, seine Werbeeinnahmen und Profite zu erhöhen. Misstrauen wäre angesagt, aber kaum eine/r misstraut einer Firma, die so viele praktische Dienste zu verschenken hat und ihre MitarbeiterInnen so behandelt, wie es wohl jeder gerne von seinem Arbeitgeber sehen würde: Gratis-Essen, Gratis-Shuttles, Gratis-Internet daheim und Zuschüsse beim Autokauf.

Jedem Suchmaschinenbetreiber ist klar, dass die Suche nur dann perfektioniert werden kann, wenn man viel über die NutzerInnen weiß: Vorlieben kennt, vorausahnen kann, wonach sie suchen, und sie so mit den passenden Treffern versorgen kann. Im Jahr 2006 sind von Google beim US-Patentamt nicht weniger als acht Erfindungen eingereicht worden, die dem Themenbereich des »User Tracking« zuzuordnen sind. »Die Erfindungen, die mit der Benutzerverfolgung zu tun haben, haben zugenommen«, sagt US-Analyst Stephen Arnold. Schon die Namen der Patente machen klar, worauf die jeweilige Erfindung abzielt – mehr über den/die NutzerIn zu erfahren. So wird nicht nur das Surf-Verhalten auf Basis vergangener Besuche und der »Web-Geschichte« analysiert, sondern auch prognostiziert, was er/sie tun könnte – nach allen Regeln der Kunst, mit den neuesten Methoden und Analyse-Instrumenten werden Google-NutzerInnen ausspioniert.

So werden wir ausspioniert
Beim Surfen im Web erhält jeder Rechner eine IP-Adresse – je nach Provider – entweder eine statische (immer das gleiche »Autokennzeichen« auf der Datenautobahn) oder eine dynamische (bei jedem Mal einwählen ins Web ein anderes Kennzeichen). Der Provider weiß, mit welcher dynamischen IP-Adresse man zu einer bestimmten Zeit im Web unterwegs war. Abgesehen davon, dass es Provider geben soll, die immer wieder die gleiche dynamische IP-Adresse vergeben, womit sie fast zu statischen werden und viele NutzerInnen mit ihrem Rechner ständig online sind und sich die IP-Adresse seltener ändert, ist die Annahme, dass man anonym unterwegs ist, ein Irrglaube.

Google legt auf Rechnern ein sogenanntes Cookie ab, eine Protokolldatei, die das Verhalten und Surfen von NutzerInnen analysiert, speichert und an Google schickt. So wird man wieder erkannt, wenn man die Google-Seite anwählt. Jeder/jede eBay- oder Amazon-Kunde/Kundin hat das sicherlich selbst schon festgestellt, wenn er/sie namentlich begrüßt wird. Mit Hilfe des Cookies können auch jene, die mit dynamischer Adresse unterwegs sind, eindeutig zugeordnet werden. Es gibt zwar die Möglichkeit, die Annahme von Cookies zu verweigern, allerdings kann man dann viele Dienste im Web nicht nutzen. Eine weitere Möglichkeit wäre, ständig die Cookies zu löschen – was aber die meisten nicht tun.

IT-SicherheitsexpertInnen kritisieren Cookies schon lange, wie etwa der CEO des Antiviren-Experten Symantec, John W. Thompson. Er bezeichnet Cookies als »schwerwiegenden Eingriff in die Privatsphäre der Nutzer«. Er habe ein großes Problem mit der Tatsache, dass Cookies ohne Wissen der Internet-NutzerInnen auf einem Rechner platziert werden, denn die wissen nicht, was mit den gesammelten Informationen geschieht. Er fordert, dass Google & Co offiziell bekanntgeben, was konkret mit den gesammelten Informationen passiert und macht sich dafür stark, dass man vorher gefragt werde, ob man Cookies wolle. Diese Möglichkeit gibt es im Prinzip auch heute schon in den Browsern: Man kann Cookies deaktivieren, wodurch diese nicht auf den Rechner geladen werden.

Die Datensammelleidenschaft wird allerdings noch intensiver, Google arbeitet an einer Such-Technologie, die sich PSE (Programmable Search Engine) nennt, also programmierbare Suchmaschine. Diese soll künftig allen Internet-NutzerInnen individuelle Treffer liefern – weil das System nicht nur auf vorhandene Suchanfragen zurückgreift, sondern auch andere Datenbanken abfragt, in der weitere Informationen über die NutzerInnen gespeichert sind. Wenn jemand künftig nach einer Digicam Nikon D300 sucht, soll das System sofort wissen, ob man bereits eine besitzt und eine Service-Stelle sucht oder ob man eine kaufen will. Solche Treffer sind nur dann möglich, wenn man den/die NutzerIn in- und auswendig kennt.
Doktor Google und DNA-googeln

Google will auch an unsere Gesundheitsdaten. Ein großes Ziel von Google-Gründer Sergej Brin ist, dass man Google in einigen Jahren auch für die Genom-Suche nutzen kann, also seine eigenen Gene (oder die eines anderen) googeln, oder seine Gene mit jenen eines Stars vergleichen kann. »In zwischenmenschlichen Beziehungen könnten plötzlich Fragen nach solchen Profilen eine Rolle spielen«, malt der renommierte österreichische Genforscher, Univ.-Prof. Markus Hengstschläger, ein fragwürdiges Szenario an die Wand.
Vor einem Rendezvous wird der/die potenzielle PartnerIn DNA-gegoogelt, um so Krankheiten, die er/sie hat oder bekommen könnte, zu erfahren. Science-Fiction? An zwei DNA-Firmen ist Google bereits direkt und indirekt beteiligt. An der Firma von Sergej Brins Ehefrau Anne Wojcicki »23andMe« sowie an dem DNA-Projekt der Universität Harvard mit der Bezeichnung PGP (Personal Genome Project). Eine Horrorvision. Egal wie man das Blatt auch dreht und wendet, ob Schnüffelei, Datensammelleidenschaft oder Gesundheits-Offensive. Man bekommt es mit der Angst zu tun. Google ist ein Gewinnmaximierer, der sich seiner Verantwortung als Marktführer nicht bewusst ist.

WEBLINKS
Homepage des Autors
www.reischl.com
Internetlexikon Wikipedia über den Autor
de.wikipedia.org/wiki/Gerald_Reischl
Google
www.google.com
Die Googlefalle online
www.googlefalle.com

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Von Gerald Reischl (Kurier-Journalist und Buchautor)

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