Autoren:
Reinhard Brachinger
Berater von BetriebsrätInnen
der AK-Consult in der AK Oberösterreich
Heinz Leitsmüller
Stellvertretender Abteilungsleiter
der Abteilung Betriebswirtschaft der AK Wien
Ein geschichtlicher Irrtum« sei die paritätische Besetzung der deutschen Aufsichtsräte in großen Kapitalgesellschaften, meinte der deutsche Industriepräsident Michael Rogowski. In die selbe Kerbe schlägt der deutsche Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt, wenn er meint, dass die Mitbestimmung in den Aufsichtsräten »modernisiert« und an die »globalisierte Welt« angepasst werden müsse.
Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat wird heftig diskutiert. Vor allem bei unserem deutschen Nachbar ist eine Diskussion darüber entbrannt, ob Arbeitnehmer weiterhin im Aufsichtsrat großer Kapitalgesellschaften vertreten sein sollen. Argumente dafür sind schnell gefunden. Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel etwa behauptet, dass die Mitbestimmung in der Praxis zu zeitraubenden und kostenträchtigen Abstimmungs- und schwerfälligen Entscheidungsprozessen mit oft enttäuschendem Ergebnis führe und sieht darin Grund genug, die Betriebsräte los zu werden. Industriepräsident Rogowski begründet seinen Frontalangriff auf die Mitbestimmung damit, dass Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vor starken Interessensgegensätzen zwischen den Belangen der Beschäftigten und dem Erhalt der wirtschaftlichen Substanz des Unternehmens stünden. Mitunter wird sogar kritisiert, dass die Aufsichtsräte wegen der Betriebsräte für eine effiziente Arbeit zu groß seien und damit die ohnedies mäßige Entscheidungsfreude der Aufsichtsräte noch mehr gedämpft werde.
Dass diese Argumente letztendlich nur als Vorwand dienen, um die Arbeitnehmer aus diesem wichtigem Überwachungsorgan großer Unternehmen zu entfernen, ist leicht zu erkennen. Eigentümer und Vorstände möchten sich nicht gerne über die Schultern schauen lassen und gravierende Entscheidungen wie Umstrukturierungen, Betriebsschließungen oder Produktionsverlagerungen rasch und ohne Widerstände von sich querlegenden Betriebsräten über die Bühne bringen. Betriebsräte sollen sich überhaupt besser nicht in strategische und wirtschaftliche Entscheidungen einmischen und sich auf die ureigensten Vertretungsaufgaben beschränken.
Mitbestimmung in Österreich
In Österreich ist die Mitbestimmung im Gegensatz zu Deutschland weniger umstritten. Eine öffentliche Debatte darüber wird nicht geführt. Aber auch hierzulande ist zu bemerken, dass sich die wirtschaftliche Mitbestimmung wandelt. Am deutlichsten wird dies sichtbar, wenn sich Eigentumsstrukturen von Unternehmen verändern und die neuen »Shareholder« mit Betriebsräten im Aufsichtsrat nichts anfangen können. Besonders schwer tun sich dabei neue Eigentümer aus dem angloamerikanischen Raum. Aber auch die zunehmende Internationalisierung macht so manchem Betriebsrat schwer zu schaffen. So muss damit gerechnet werden, dass in den nächsten Jahren zahlreiche Aktiengesellschaften in die Rechtsform der »Europäischen AG« wechseln werden und sich die heimischen Betriebsräte statt in einem Aufsichtsrat möglicherweise in einem »Board« gemeinsam mit anderen europäischen Betriebsräten wiederfinden werden. Die Mitbestimmungsregeln müssen sie dann etwa mit spanischen und ungarischen Betriebsratskollegen sowie dem englischen Arbeitgeber selbst ausschnapsen. Eine Einigung auf dem hohen österreichischen Niveau des Arbeitsverfassungsgesetzes wird dabei eher nicht sehr wahrscheinlich sein. Mitbestimmungsrechte auf dem Niveau Österreichs sind weltweit nur in Deutschland, den Niederlanden, Dänemark und Schweden zu finden.
Wie schwierig die Mitwirkung im Aufsichtsrat oft ist, bekommen immer mehr die Mandatare in international tätigen Konzernen zu spüren. Konzerne haben heute oft mehrere hundert Tochtergesellschaften, die in der ganzen Welt verstreut sind. Die großen und mittelgroßen österreichischen Unternehmen wie VA Tech, Böhler-Uddeholm, Strabag oder RHI stehen den großen Global-Playern um nichts nach und haben ebenfalls ein weltweit verzweigtes Konzernnetz aufgebaut. Je größer und verzweigter ein Konzern aber wird, desto schwierig ist er zu überschauen und desto schwierig wird es auch für die zuständigen Aufsichtsräte, das Geschehen sorgfältig zu überwachen. Unüberlegte oder übereilte Akquisitionen, unterschiedlichste Rechtsgrundlagen sowie für nicht Eingeweihte undurchschaubare Verrechnungs- und Leistungsströme zwischen den Konzerngesellschaften machen den Aufsichtsratsjob oft zu einer steinigen Wanderung in der stockdunklen Nacht.
Die immer weiter voranschreitende Konzernierung der Unternehmen hat weiters zur Folge, dass der Aufsichtsrat an Kraft und Einfluss verliert, je weiter unten im Konzern die aufsichtsratspflichtige Gesellschaft angesiedelt ist. Die wichtigen strategischen Entscheidungen fallen oben in der Konzernspitze. Damit wird freilich auch die Mitbestimmung der Betriebsräte in den Tochtergesellschaften deutlich in Mitleidenschaft gezogen. Den Arbeitnehmervertretern sitzen in den Gremien immer öfter Geschäftsführer gegenüber, die selbst nichts mehr zu reden haben. Die »gewichtigen« Entscheidungsträger in der Holding sind mitunter in einem anderen Land oder sogar Kontinent angesiedelt und damit für Betriebsräte unerreichbar.
Wozu der Aufsichtsrat gut ist
Allen diesen Tendenzen zum Trotz ist die Mitbestimmung der Betriebsräte in den Aufsichtsräten nach wie vor ein wichtiger Teil der österreichischen Arbeitsverfassung. Aufsichtsräte gibt es jedoch nur bei Aktiengesellschaften und großen GmbHs. Ihre Aufgabe ist es, die Geschäftsführung zu überwachen sowie die strategische Entwicklung des Unternehmens mitzugestalten. Um dies zu gewährleisten, haben Aufsichtsräte die Möglichkeit, sämtliche Informationen über das Unternehmen oder in Verbindung stehende Konzernunternehmen vom Geschäftsführer bzw. Vorstand zu verlangen. Wichtige Geschäfte wie Investitionen, Darlehensaufnahme, Betriebsschließungen oder Beteiligungskäufe darf der Geschäftsführer nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates tätigen. Auch Prüfberichte über die Bilanz sind für Aufsichtsräte kein Geheimnis, sie bekommen das Prüfergebnis direkt vom Wirtschaftsprüfer serviert. Mit so vielen Rechten sind natürlich auch erhebliche Pflichten verbunden. Nicht sorgfältiges Handeln eines Aufsichtsratsmitglieds steht unter der Androhung einer Haftung für damit verursachte Schäden. In den letzten Jahren haben Masseverwalter immer wieder Aufsichtsräte auf Schadenersatz geklagt, Betriebsräte wurden bislang jedoch noch nicht verurteilt. Die drohende Haftung ist für viele Betriebsräte eine erhebliche Belastung, weshalb der ÖGB auch eine Versicherung für gewerkschaftlich organisierte Betriebsräte finanziert. Die Mitglieder des Aufsichtsrates unterliegen der gleichen Sorgfaltspflicht wie Geschäftsführer oder Vorstände, auch wird nicht zwischen Kapital- und Arbeitnehmervertretern differenziert.
Der Betriebsrat im Aufsichtsrat
Hat eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH einen Aufsichtsrat und ist ein Betriebsrat gewählt, so hat letzterer in Österreich auch das Recht auf ein Drittel der Aufsichtsratsmandate. In den Aufsichtsrat dürfen nur gewählte Betriebsräte delegiert werden. Für die Entsendung ist der zuständige Zentralbetriebsrat oder in einem Konzern der Konzernbetriebsrat zuständig. Betriebsräte dürfen nicht nur in den Aufsichtsrat der eigenen Gesellschaft entsendet werden, bei Konzernen können auch Betriebsräte von Tochtergesellschaften in den Aufsichtsrat der Muttergesellschaft (z. B. Holding) entsandt werden. Die Betriebsräte sind damit auch bei wichtigen strategischen Entscheidungen dabei, die in der Regel in der Konzernspitze getroffen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Muttergesellschaft in Österreich befindet, eine Entsendung in eine ausländische Holding ist nicht vorgesehen. Bei der europäischen Aktiengesellschaft, die seit Oktober 2004 auch in Österreich möglich ist, könnte dies aber zukünftig möglich werden.
Durch die Drittelparität im Aufsichtsrat haben die Kapitalvertreter zwar immer die Mehrheit, in der Praxis ist aber zu beobachten, dass Einstimmigkeit bei wichtigen Aufsichtsratsbeschlüssen angestrebt wird.
Damit soll erreicht werden, dass sich Betriebsräte im Nachhinein nicht aus der Verantwortung stehlen – im Sinne von »wir haben es ja immer schon besser gewusst!« Es darf freilich davon ausgegangen werden, dass sich die meisten Betriebsräte nur dann eine Zustimmung abringen lassen, wenn entsprechende Zugeständnisse von den Arbeitgebern angeboten werden.
Was der Aufsichtsrat für den Betriebsrat bringt
Auch wenn Betriebsräte aufgrund der Drittelparität immer zahlenmäßig unterlegen sind, ermöglicht ihnen die Tätigkeit im Aufsichtsrat doch einen rascheren und umfassenderen Zugang zu wichtigen Informationen über das Unternehmensgeschehen. Bilanzen, Quartalsberichte, Soll-/Istvergleiche, Vorschaurechnungen, Investitionsberechnungen, Unternehmenskonzepte und vieles mehr landet auf den Tischen der Betriebsratsdelegierten und ermöglicht diesen damit, ihre jeweilige Betriebsratsstrategie genauer und zielgerichteter aufzubauen. Fehlende Informationen können im Aufsichtsrat durch die Berichtspflicht des Vorstandes/Geschäftsführers einfach eingeholt werden. Sollte die Anfrage eines Betriebsratsdelegierten nicht beantwortet werden, genügt die Unterstützung eines zweiten Betriebsratskollegen und schon muss die Frage beantwortet werden.
Dialog
Der Aufsichtsrat bietet den Betriebsräten aber auch die Möglichkeit, in direkten Dialog mit Eigentümervertretern zu gelangen. Besonders bei einschneidenden Unternehmensentscheidungen wie Umstrukturierungen, Spaltungen oder Fusionen sind die Eigentümervertreter und nicht die Geschäftsführer die relevanten Ansprechpartner. Und letztlich bietet der Aufsichtsrat für den Betriebsrat auch ein entsprechendes Forum, um eventuelle Probleme der Geschäftsführung direkt an die Eigentümer zu bringen. Immerhin sind laut Kreditstatistik des Kreditschutzverbandes von 1870 etwa die Hälfte aller Insolvenzen auf Managementfehler zurückzuführen. Betriebsräte haben hier für die übrigen Kapitalvertreter einen oft unschätzbaren Vorteil – sie wissen, was im Betrieb gut oder schlecht läuft. Ein Wissen, das für die Überwachung der Geschäftsführung von essentieller Bedeutung ist.
Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat bringt aber auch für das Unternehmen bzw. die Eigentümer Vorteile. Ein stabilerer Beschäftigtenstamm, eine höhere interne Flexibilität etwa bei Arbeitszeitmodellen und mehr soziale Stabilität werden in Studien immer wieder als »Pro’s« für einen mitbestimmten Aufsichtsrat genannt. Ein negativer Einfluss auf den Aktienkurs konnte – entgegen den Behauptungen der Mitbestimmungsgegner – bislang nicht nachgewiesen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Investoren für die Mitbestimmung kein besonderes Interesse zeigen und von ihr aber gleichzeitig auch keine Verminderung der Effizienz erwarten.
Apropos Effizienz: Werfen wir nun einen Blick in die Praxis und untersuchen wir einerseits wie die »Effizienz im Aufsichtsrat« erlebt wird, und andererseits, welche Faktoren diese in der Praxis positiv oder negativ beeinflussen.
Wie der Aufsichtsrat in der Praxis funktioniert
Viel wird über die österreichische Aufsichtsratspraxis diskutiert, viel spekuliert. Dennoch gilt der Aufsichtsrat immer noch als »unbekanntes Wesen«.
Um ein wenig Licht in dieses Dunkel zu bringen, hat die AK Oberösterreich in Kooperation mit der AK Wien und dem Institut für Unternehmensrechnung und Wirtschaftsprüfung an der Johannes-Kepler-Universität Linz 105 ArbeitnehmervertreterInnen im Aufsichtsrat aus ganz Österreich zum Thema »Aufsichtsrat und Aufsichtsratspraxis« befragt.
Wird der Aufsichtsrat als effizientes Kontrollorgan erlebt? Wie setzt sich
die Kurie der KapitalvertreterInnen im Aufsichtsrat zusammen? Welche Tätigkeiten führt der Aufsichtsrat durch, um die Geschäftsführung zu überwachen? Erhält der Aufsichtsrat ausreichend Informationsmaterial, um drohende Risiken und Gefahren erkennen bzw. um seine Entscheidungen sachgerecht treffen zu können?
Diese und ähnliche Fragen sollten einen Blick in die Praxis österreichischer Aufsichtsratsgremien ermöglichen. Und die ersten vorliegenden Ergebnisse erscheinen vielversprechend. Werfen wir eine Blick hinter die Kulissen und beginnen wir mit »der zentralen« Grundsatzfrage:
Ist es tatsächlich so, wie immer wieder kritisiert, dass der Aufsichtsrat in vielen Fällen nicht jenes effiziente Kontrollorgan darstellt, das er eigentlich sein sollte?
Hiezu, und das erscheint doch beachtlich, waren 54% der Befragten der Ansicht, dass ihr Aufsichtsrat eher als reines Formalorgan und weniger als effizientes Kontrollorgan zu charakterisieren sei.
Wo könnten die Gründe für diese Einschätzung, für diese erlebte Situation liegen?
Um »Licht in diese Angelegenheit zu bringen« wurde im Rahmen der Befragung in mehrere Richtungen »weiterermittelt«:
- in Richtung »Zusammensetzung der Kapitalvertreter-Kurie im Aufsichtsrat«,
- in Richtung »effiziente Organisation und Informationsversorgung des Aufsichtsrates«,
- in Richtung »Tätigkeiten des Aufsichtsrates« und
- in Richtung »Corporate Governance«.
Zusammensetzung der Kapitalvertreter-Kurie im Aufsichtsrat
Eine wesentliche Grundlage für eine effiziente und professionelle Aufsichtsratsarbeit liegt unserer Ansicht nach in der Zusammensetzung des Aufsichtsrates, und zwar sowohl hinsichtlich der Qualifikation als auch hinsichtlich der fachlichen Ausgewogenheit.
Auf unsere Frage, ob bei der Aufsichtsratszusammensetzung (Kapitalvertreter) in der Praxis auf Qualifikation und fachliche Ausgewogenheit geachtet werde, antworteten immerhin 50% der befragten ArbeitnehmervertreterInnen mit einem eindeutigen Ja.
Und wie sieht sie nun aus, die konkrete Zusammensetzung? Den Löwenanteil halten Gesellschafter bzw. deren Vertreter mit rund 34% aller Kapitalvertreter, dicht gefolgt von den Managern mit rund 25%. Die Gruppe der Familienmitglieder liegt immerhin noch bei rund 9%.
Relativ unterrepräsentiert erscheinen dagegen die Bankvertreter mit rund 8%, die Rechtsanwälte mit rund 6% und die Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer mit rund 5%.
Zu einem interessanten Ergebnis im Zusammenhang mit Zusammensetzung und Qualifikation im Aufsichtsrat kommt auch die Studie von Königswieser, Artho und Gebhardt (»Blick in den erlauchten Kreis«, in: »Organisationsentwicklung« 1/04): Hier wird zum Thema Effizienzmängel unter anderem angeführt: »Die Professionalität wird erschwert durch die Altersstruktur, mangelnde Nachwuchsplanung und Qualifikation sowie durch die gängige Praxis, den Aufsichtsrat als Nebenjob zu betrachten.«
Organisation und Information
Ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor für eine effiziente und professionelle Aufsichtsratsarbeit liegt unserer Ansicht nach in einer entsprechenden internen Organisation des Aufsichtsratsgremiums. Eine ausreichende Anzahl von Sitzungen, Aufgabenteilung sowie rechtzeitig und vollständig gelieferte Unterlagen sind hier nur einige Ansatzpunkte.
Und wie sieht die Praxis aus? Nur in 8% der Fälle tritt der Aufsichtsrat öfter als viermal im Geschäftsjahr zu einer Sitzung zusammen, wobei eine Sitzung dabei durchschnittlich rund 2,8 Stunden dauert.
Der Begriff der Aufgabenteilung ist in vielen Aufsichtsräten ein Fremdwort: Nur 35% der Befragten gaben an, im Aufsichtsratsgremium eine Aufgabenteilung vorzunehmen. Etwas besser erscheint die Situation bei den Aufsichtsratsausschüssen: derartige Ausschüsse sind zumindest in 46% der Fälle anzutreffen. Relativ weit verbreitet sind Aufsichtsrats-Geschäftsordnungen: 68% der Befragten gaben an, dass in ihrem Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung beschlossen wurde. Ein Detail am Rande: 21% der Befragten gaben an, dass es ihnen nicht bekannt sei, ob für ihren Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung besteht.
Und wie sieht es mit den »rechtzeitig zur Verfügung stehenden Unterlagen« aus: Die Einladung steht den Befragten durchschnittlich rund 20 Tage vor der Aufsichtsratssitzung zur Verfügung, die Tagesordnung und der Bericht des Wirtschaftsprüfers über den Jahresabschluss rund 15 Tage, die Unterlagen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten durchschnittlich rund 9 Tage vor der jeweiligen Aufsichtsratssitzung.
Bestätigt werden viele dieser Ergebnisse auch durch die bereits erwähnte Studie von Königswieser und Co: So wird bei den aufgefundenen »Mängeln« unter anderem angeführt: »In zahlreichen Unternehmen gibt es selten Ausschüsse, d. h. kaum Arbeitsteilung oder Delegation von Themenaufbereitungen an Einzelne oder Experten.« Und bei den »Empfehlungen« ist u. a. zu finden: »Mehr als vier Sitzungen pro Jahr«, »Bildung von Ausschüssen/Verteilung von Funktionen«.
Eine Differenz zwischen den beiden Studien zeigt sich in der Frage der »ausreichenden Information«. Während sich laut Königswieser-Studie Aufsichtsräte nicht gut informiert fühlen, gaben 66% der von uns befragten ArbeitnehmervertreterInnen an, ausreichend Informationsmaterial zu erhalten.
Woran kann es aber nun liegen, dass sich rund ein Drittel der Befragten nicht ausreichend informiert fühlt? Eine nähere Analyse der den Aufsichtsratsmitgliedern zur Verfügung stehenden Unterlagen lässt hier erste Schlüsse zu.
Relativ vollständig erhalten die Aufsichtsratsmitglieder in der Praxis den Jahresbericht (95% der sich ausreichend informiert und 94% der sich nicht ausreichend informiert Fühlenden) und den Jahresabschluss bzw. Bericht des Wirtschaftsprüfers (94% der ausreichend Informierten und 84% der nicht ausreichend Informierten). Größere Differenzen zeigen sich dagegen bei den Informationen zu den zustimmungspflichtigen Geschäften (86% der ausreichend Informierten, aber nur 44% der nicht ausreichend Informierten), bei den Planungsrechnungen (59% der ausreichend Informierten und 25% der nicht ausreichend Informierten) und bei den Quartalsberichten (98% der ausreichend Informierten und 72% der nicht ausreichend Informierten).
Beratung für Aufsichtsräte
AK Wien: 01/501 65; Abteilungen
Betriebswirtschaft und Sozialpolitik
AK Oberösterreich: AK-Consult
Schulungen für Aufsichtsräte
IFAM: nähere Auskünfte
ifam.wien.arbeiterkammer.at
Die Tätigkeiten in der Praxis
Ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor für eine effiziente und erfolgreiche Aufsichtsratsarbeit liegt schließlich in der Frage, welche Tätigkeiten der Aufsichtsrat in der Praxis mit welcher Intensität erledigt.
Hier zeigt die Befragung der ArbeitnehmervertreterInnen folgendes Bild: Einer detaillierten und/oder regelmäßigen Überprüfung unterliegen vor allem die Finanz- bzw. Finanzierungssituation (in 50,5% der Fälle), der Jahresabschluss bzw. WP-Bericht (in 46,7% der Fälle) und die zustimmungspflichtigen Geschäfte (in 45,7% der Fälle). Zu überblicksmäßigen und/oder gelegentlichen Überprüfungen kommt es vor allem bei der Investitionsplanung (in 41% der Fälle) und bei den sonstigen Planungsrechnungen (in 36,2% der Fälle). Besonders beachtenswert erscheint jedoch die hohe Zahl jener Befragten, die zu den einzelnen Aufsichtsratstätigkeiten keine Angaben gemacht haben. So machten beispielsweise 38,1% der Befragten keine Angabe zur Kontrolle der Investitionstätigkeit, 33,3% der Befragten zur Prüfung und Besprechung der Planungsrechnungen und jeweils 30,5% der Befragten zur Behandlung zustimmungspflichtiger Geschäfte und zur Überprüfung der Finanz- bzw. Finanzierungssituation. Hier stellt sich jedenfalls die Frage, ob in der Praxis diese Tätigkeiten tatsächlich in so hohem Ausmaß kein Thema in den Aufsichtsräten sind?
Betreffend Corporate Governance (Grundsätze guter Unternehmensführung und Unternehmenskontrolle) bestätigt sich das erwartete Bild: 29% der Befragten gaben an, den Begriff näher zu kennen, in 22% der Fälle ist Corporate Governance Thema im Unternehmen und in 12% der Fälle hat sich das Unternehmen freiwillig dem österreichischen Corporate Governance-Kodex unterworfen.
F A Z I T
Die Mitbestimmung der Betriebsräte in den Aufsichtsräten ist ein wichtiger Teil der österreichischen Arbeitsverfassung – und dies nicht ohne Grund: denn es sind in vielen Fällen gerade die ArbeitnehmervertreterInnen, die durch ihre tiefe Kenntnis des eigentlichen Unternehmensgeschehens wesentlich zu einer effizienten und professionellen Aufsichtsratsarbeit beitragen. Und wenn der Aufsichtsrat in der Praxis dennoch immer wieder eher als reines Formalorgan denn als effizientes Kontrollorgan erlebt wird, so liegt dies unserer Ansicht nach nicht an der Mitwirkung der ArbeitnehmervertreterInnen im Aufsichtsrat, sondern viel mehr an ineffizienten Rahmenbedingungen für die praktische Aufsichtsratsarbeit.
Von Reinhard Brachinger, Heinz Leitsmüller
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .
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