Bad Ischler Dialog 2009

Das ländliche Dirndl- und Trachten-Idyll im malerischen Bad Ischl im Salzkammergut täuscht: Denn während sich Blasmusikkapellen im Kongresspark ein Stelldichein geben, beraten die Sozialpartner, wie der Scherbenhaufen, den die Finanzwirtschaft der Welt hinterlassen hat, beseitigt werden kann. Die Krise bewältigen und künftige Krisen verhindern – das waren die Schwerpunkte der Beratungen der Sozialpartner beim Bad Ischler Dialog 2009.

Einig im Befund

Der Sozialpartnerbeirat für Wirtschafts- und Sozialfragen hat in den vergangenen Monaten unter dem Titel »Wege aus der Krise« umfassende Vorschläge zur Reform der Finanzmärkte erarbeitet. In der Analyse der Ursachen der Krise sind sich die Sozialpartner ebenso einig wie bei den Maßnahmen, die nun folgen müssen. Entfesselte, unregulierte Finanzmärkte haben den Crash verursacht – Gegenmittel können daher nur strengere Regeln und bessere, europaweit koordinierte Kontrolle sein.
Die Sozialpartner schlagen Maßnahmen vor, die in zwei Richtungen gehen: Die Krankheit behandeln und künftige Ausbrüche verhindern. »Mit einem Bild aus der Medizin ausgedrückt, laboriert die Wirtschaft an einer schweren Lungenentzündung und hat dagegen Antibiotika bekommen«, sagte WKO-Präsident Christoph Leitl in Bad Ischl. »Es ist wichtig, die Medikamentierung nicht vorzeitig abzusetzen, sprich Maßnahmen zur Überwindung der Krise nicht frühzeitig einzustellen. Das birgt die Gefahr eines enormen Rückfalles in sich.«
Auch ÖGB-Präsident Erich Foglar warnte davor, sich zu früh zurückzulehnen: »Die positiven Effekte der Konjunktur-, Arbeitsmarkt- und Bankenpakete wären zunichte gemacht, wenn wir zu früh wieder mit dem Sparen beginnen.« Die Hauptleidtragenden wären die ArbeitnehmerInnen, die für die Krise am allerwenigsten können. Foglar sieht die Talsohle der Krise erreicht, es stehe allerdings noch ein sehr schweres Jahr 2010 bevor, in dem mit weiter steigender Arbeitslosigkeit und sinkender Beschäftigung zu rechnen sei.
Nach der Krise darf es keine Rückkehr zum Status quo geben, sonst steuert die Welt auf die nächste Krise zu, konstatieren die Sozialpartner. »Es handelt sich nicht um einen Betriebsunfall, sondern um einen Systemfehler«, sagte Foglar und forderte mehr Verantwortung im Finanzsektor ein: »Es geht um Stabilisierung, Regulierung und verbesserte Kontrollinstanzen. Der Finanzsektor muss sich wieder auf seinen Kernbereich konzentrieren: Finanzieren statt Spekulieren.« Gertrude Tumpel-Gugerell, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), teilte die Grundauffassung der Sozialpartner, dass es keinesfalls eine Rückkehr zum Zustand vor der Krise geben dürfe: »Es ist wichtig, die Krise zu überwinden, es ist aber auch nötig, alles dafür zu tun, dass eine solche Krise nicht mehr eintreten kann.« Die Reformen zur Stabilisierung des Finanzmarktes, die die G-20 beschlossen haben, müssten nun in die tägliche Praxis umgesetzt werden – »nicht verzögert und nicht verwässert«.
Der Bad Ischler Dialog ist auch ein Forum für ExpertInnen. Dabei gingen die Meinungen über den aktuellen Statuts der Weltwirtschaft doch ein wenig auseinander. »Die aktuelle Krise ist vorbei, wir sind am Boden angekommen, ein weiteres Abfallen ist nicht zu befürchten«, meinte Henning Klodt vom Institut für Weltwirtschaft. Er räumte allerdings ein, dass die Gefahr der nächsten Krise überhaupt nicht gebannt sei. Für Karl Pichelmann, Generaldirektor der EU-Finanzdirektion, ist die Freude, dass der Wirtschaftsabschwung zu Ende ist, bescheiden. »Wir sind ziemlich hart aufgeschlagen.« Auch jetzt sei kein steiler Wachstumspfad zu erwarten, sondern eine »Wellblechkonjunktur«, also immer wieder kurze Phasen des Aufschwungs, auf die wieder solche des Abschwungs folgen würden.

Mit Migration gegensteuern

»Eine Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt geht immer sehr schnell, eine Verbesserung immer nur schleppend«, sagte Michael Landesmann vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche. Erschwerend kommt dazu, dass nun langsam eine Phase kommt, in der auch die Bevölkerungsentwicklung stark wirkt. Hier muss, so Landesmann, migrationspolitisch gegengesteuert werden.
Den traditionellen Abschluss des Bad Ischler Dialogs der Sozialpartner machen die GeneralsekretärInnen von ÖGB, AK, WKO und Landwirtschaft. »Für die Menschen bedeutet die Krise Arbeitslosigkeit, weniger Einkommen, auch Spekulationsverluste bei Privatpensionen, Zukunftsängste und Entsolidarisierung – ihnen wird bei aller Notwendigkeit eine europäische Ratingagentur im täglichen Leben ziemlich egal sein«, sagte der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz. »Wir haben schon viel für die Menschen erreicht, von Arbeitsmarkt- und Konjunkturpaketen bis zu Steuersenkungen. Aber wir dürfen hier nicht nachlassen.« Auch für AK-Direktor Werner Muhm wird die Arbeitsmarktpolitik eine zentrale Herausforderung der nächsten Zeit. Dabei würden nicht alle am gleichen Strang ziehen, kritisierte Muhm vor allem die Industrie, die die Ausbildungsplätze für junge Menschen um 40 Prozent zurückgeschraubt hat. Dabei hat die Wirtschaftspolitik gerade für die Industrie am meisten gemacht, darunter Gruppenbesteuerung, Köst-Senkung oder Forschungsförderung. Ein »ungeheures Ungleichgewicht«, das beseitig werden muss.

Weblinks
Mehr Infos unter:
www.oegb.at
www.sozialpartner.at

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
nani.kauer@oegb.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Von Nani Kauer, MA (Leiterin ÖGB-Pressereferat)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/2009.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion
aw@oegb.at

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.