Österreichs Beschäftigte wollen weniger arbeiten

Wegen Stress will die Hälfte der Österreicher weniger arbeiten.
Steigender Arbeitsdruck macht die Arbeitnehmer:innen krank. | © Adobe Stock/Farknot Architect
Mehr als die Hälfte aller Vollzeitbeschäftigten in Österreich möchte weniger arbeiten. Das Arbeitsklima ist so schlecht wie seit 25 Jahren nicht mehr.
Österreichs Vollzeitbeschäftigte wollen weniger arbeiten. Die Coronakrise hat den Wunsch nach einer Arbeitszeitverkürzung massiv verstärkt. Zu diesem Schluss kommt der Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer Oberösterreich. Erstmals überhaupt möchte mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer:innen weniger arbeiten. Psychischer Stress, Überstunden, mangelnde Unterstützung durch das Management und überlange Arbeitszeiten sind dafür die Hauptgründe.

Österreichs Arbeitnehmer:innen zunehmend unter Druck

Das Arbeitsklima in Österreich geht seit Jahren zurück. Vor 25 Jahren startete es mit einem Basiswert von 100. In den darauffolgenden Jahren kletterte der Index immer weiter. Angetrieben von einer Hochkonjunktur. In den Jahren 2007 und 2008 erreichte der Arbeitsklimaindex seinen bisherigen Höchstwert von 112. Doch seitdem ist er im Sinkflug. Derzeit liegt er nur noch bei 103 und damit so niedrig wie seit dem Herbst 1998 nicht mehr, berichtet die Arbeiterkammer Oberösterreich. Die Österreicher:innen wollen weniger arbeiten.

Hintergrund ist unter anderem der gestiegene Arbeitsdruck. Dazu kommt die Sorge um die Zukunft. Denn die prekäre Arbeit nimmt zu. Ende der 1990er Jahren hatten 85 Prozent der Beschäftigten eine Vollzeitstelle. Aktuell sind es nur noch 70 Prozent. Die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse habe sich in diesem Zeitraum verdoppelt. Die der Leiharbeitsverhältnisse gar verfünffacht.

Beschäftigte in Österreich wollen weniger arbeiten

Die Arbeitnehmer:innen ziehen darauf Konsequenzen. Sie wollen weniger arbeiten. „Die durchschnittliche Wunscharbeitszeit der Männer ist 37,2 Stunden, jene der Frauen 32,2 Stunden“, heißt es im Arbeitsklimaindex. Das bedeutet, dass die Beschäftigten in Österreich ihre vertragliche Arbeitszeit um durchschnittlich 2,6 Stunden reduzieren wollen. Ein Wunsch, der nur allzu verständlich ist. Im europäischen Vergleich liegt Österreich mit 42,1 Arbeitsstunden pro Woche auf Platz zwei. Nur in Griechenland (43,8 Stunden) arbeiten die Beschäftigten länger. In Deutschland liegt die wöchentliche Arbeitszeit bei durchschnittlich 40,5 Stunden.

Menschen kommen und gehen in ein Büro. Österreicherinnen wollen weniger arbeiten.
Österreicher:innen wollen weniger arbeiten und flexiblere Arbeitszeiten. | © Adobe Stock/Wirestock

Dazu kommt ein allgemeiner Trend gerade unter jüngeren Arbeitnehmer:innen, wie Charlotte Reiff, Expertin für Sozialpolitik im ÖGB, berichtet. „Gerade junge ArbeitnehmerInnen fordern seit Jahren eine gute Work-Life-Balance und verzichten mitunter auch auf Geld, um weniger zu arbeiten. Aus vielen Studien und Beispielen aus der Arbeitswelt wissen wir, dass verkürzte Wochenarbeitszeiten eine deutliche Entlastung für Individuen, Familien und die Gesellschaft insgesamt bringen.“

Flexiblere Arbeitsplätze sind gefragt

Auch Andreas Stangl, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, kann das bestätigen: „Wenn Unternehmer klagen, dass sie keine geeigneten Fachkräfte finden, sollten sie sich die Ergebnisse des Arbeitsklimaindex zu Herzen nehmen. Denn wenn sie flexibel genug sind, die Erwartungen der Beschäftigten an einen guten Arbeitgeber zu erfüllen, dann werden sie ihre Beschäftigten halten und bei der Personalsuche erfolgreich sein können.“ Entsprechend sind diese Punkte auch wichtige Aspekte in den Kollektivvertragsverhandlungen. So ergänzt in diesem Zusammenhang Barbara Teiber, die GPA-Bundesvorsitzenden: „Es stellt sich die Frage, wie wir die Betriebe attraktiv machen. Arbeitszeitverkürzung und die 4-Tage-Woche sind neben dem Geld wichtige Punkte.“

Das war bereits im Sommerdialog 2021 eine zentrale Forderung des ÖGB. Stangl führt aus, dass sich Arbeitnehmer:innen heutzutage flexible Arbeitszeiten, mobiles, ortsunabhängiges Arbeiten, wenn möglich 1 bis 2 Tage Home-Office wünschen. Und im besten Fall eine 4-Tage-Woche (die funktioniert sogar in der Bauwirtschaft). Dieses spezielle Modell der Arbeitszeitverkürzung wird in immer mehr Ländern – zuletzt Belgien – ausprobiert. Auch viele Firmen haben sie bereits erfolgreich eingeführt.

Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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