Österreichs Arbeitnehmer:innen zunehmend unter Druck
Das Arbeitsklima in Österreich geht seit Jahren zurück. Vor 25 Jahren startete es mit einem Basiswert von 100. In den darauffolgenden Jahren kletterte der Index immer weiter. Angetrieben von einer Hochkonjunktur. In den Jahren 2007 und 2008 erreichte der Arbeitsklimaindex seinen bisherigen Höchstwert von 112. Doch seitdem ist er im Sinkflug. Derzeit liegt er nur noch bei 103 und damit so niedrig wie seit dem Herbst 1998 nicht mehr, berichtet die Arbeiterkammer Oberösterreich. Die Österreicher:innen wollen weniger arbeiten.
Der neue Arbeitsklima Index der @aklinz zeigt: Zum ersten Mal möchte mehr als die Hälfte der Vollzeitbeschäftigten weniger arbeiten. Also, her mit der Arbeitszeitverkürzung!#Viertagewoche #Arbeitszeitverkürzunghttps://t.co/09J4Rmexao
— ÖGB (@oegb_at) June 15, 2022
Hintergrund ist unter anderem der gestiegene Arbeitsdruck. Dazu kommt die Sorge um die Zukunft. Denn die prekäre Arbeit nimmt zu. Ende der 1990er Jahren hatten 85 Prozent der Beschäftigten eine Vollzeitstelle. Aktuell sind es nur noch 70 Prozent. Die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse habe sich in diesem Zeitraum verdoppelt. Die der Leiharbeitsverhältnisse gar verfünffacht.
Beschäftigte in Österreich wollen weniger arbeiten
Die Arbeitnehmer:innen ziehen darauf Konsequenzen. Sie wollen weniger arbeiten. „Die durchschnittliche Wunscharbeitszeit der Männer ist 37,2 Stunden, jene der Frauen 32,2 Stunden“, heißt es im Arbeitsklimaindex. Das bedeutet, dass die Beschäftigten in Österreich ihre vertragliche Arbeitszeit um durchschnittlich 2,6 Stunden reduzieren wollen. Ein Wunsch, der nur allzu verständlich ist. Im europäischen Vergleich liegt Österreich mit 42,1 Arbeitsstunden pro Woche auf Platz zwei. Nur in Griechenland (43,8 Stunden) arbeiten die Beschäftigten länger. In Deutschland liegt die wöchentliche Arbeitszeit bei durchschnittlich 40,5 Stunden.
Dazu kommt ein allgemeiner Trend gerade unter jüngeren Arbeitnehmer:innen, wie Charlotte Reiff, Expertin für Sozialpolitik im ÖGB, berichtet. „Gerade junge ArbeitnehmerInnen fordern seit Jahren eine gute Work-Life-Balance und verzichten mitunter auch auf Geld, um weniger zu arbeiten. Aus vielen Studien und Beispielen aus der Arbeitswelt wissen wir, dass verkürzte Wochenarbeitszeiten eine deutliche Entlastung für Individuen, Familien und die Gesellschaft insgesamt bringen.“
Flexiblere Arbeitsplätze sind gefragt
Auch Andreas Stangl, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, kann das bestätigen: „Wenn Unternehmer klagen, dass sie keine geeigneten Fachkräfte finden, sollten sie sich die Ergebnisse des Arbeitsklimaindex zu Herzen nehmen. Denn wenn sie flexibel genug sind, die Erwartungen der Beschäftigten an einen guten Arbeitgeber zu erfüllen, dann werden sie ihre Beschäftigten halten und bei der Personalsuche erfolgreich sein können.“ Entsprechend sind diese Punkte auch wichtige Aspekte in den Kollektivvertragsverhandlungen. So ergänzt in diesem Zusammenhang Barbara Teiber, die GPA-Bundesvorsitzenden: „Es stellt sich die Frage, wie wir die Betriebe attraktiv machen. Arbeitszeitverkürzung und die 4-Tage-Woche sind neben dem Geld wichtige Punkte.“
Was ist das "90 für 80"-Modell? Es ist ein Vorschlag der @gewerkschaftgpa die Arbeitszeit freiwillig zu verkürzen, das soll zu mehr Einstellungen in Unternehmen führen. Die Arbeitszeit wird um 20 Prozent reduziert, der Verdienst aber nur um 10 Prozent. https://t.co/aLoDpHl9Kx pic.twitter.com/MQcIfaL02V
— Arbeit&Wirtschaft Magazin (@AundWMagazin) October 7, 2021
Das war bereits im Sommerdialog 2021 eine zentrale Forderung des ÖGB. Stangl führt aus, dass sich Arbeitnehmer:innen heutzutage flexible Arbeitszeiten, mobiles, ortsunabhängiges Arbeiten, wenn möglich 1 bis 2 Tage Home-Office wünschen. Und im besten Fall eine 4-Tage-Woche (die funktioniert sogar in der Bauwirtschaft). Dieses spezielle Modell der Arbeitszeitverkürzung wird in immer mehr Ländern – zuletzt Belgien – ausprobiert. Auch viele Firmen haben sie bereits erfolgreich eingeführt.