So funktioniert die 4-Tage-Woche in der Bauwirtschaft

Ein Elektroinstallateur auf eine Baustelle verlegt Kabel. Elektroinstallateur Kagerer hat durch eine Arbeitszeitverkürzung eine 4-Tage-Woche durchgeführt.
Eine Arbeitszeitverkürzung und 4-Tage-Woche funktioniert auch auf dem Bau, wie Elektroinstallateur Kagerer beweist. | © Adeobestock/astrosystem
Beschäftigte und Unternehmen können von einer Arbeitszeitverkürzung profitieren. Das geht sogar in der Bauwirtschaft, wie der oberösterreichische Elektroinstallateur Kagerer beweist.
Die Arbeitszeitverkürzung funktioniert. Nicht nur in einigen wenigen Berufen oder Industrien, sondern branchenübergreifend. Der oberösterreichische Elektroinstallateur Kagerer mit Hauptsitz in Pasching hat 2022 die Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden verkürzt und die 4-Tage-Woche eingeführt. Die Fluktuation ist gesunken, die Beschäftigten sind zufriedener. Doch um eine Arbeitszeitverkürzung auf breiter Basis durchzusetzen, braucht es eine Initiative der Regierung.

Arbeitszeitverkürzung funktioniert auch in der Bauwirtschaft

Dass eine Arbeitszeitverkürzung gelingen kann, ist längst kein Geheimnis mehr. Praxisversuche in England und Belgien haben das bewiesen. Die Arbeitszufriedenheit steigt, was die Bindung an das Unternehmen erhöht und die Fluktuation minimiert. Gleichzeitig büßen Unternehmen keinen Umsatz ein. Ganz im Gegenteil. In einigen Fällen ist er sogar gestiegen. Zudem sinkt die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage und die Unternehmen werden als Arbeitgeber attraktiver.

Doch ein zentraler Vorwurf bleibt. Kritiker:innen meinen, dass die Arbeitszeitverkürzung und der 4-Tage-Woche sich nur für Bürojobs in ausgewählten Branchen eignet. Der Elektroinstallateur Kagerer beweist seit einigen Jahren das Gegenteil. Das Unternehmen beschäftigt 150 Angestellte an zwei Niederlassungen. Im Jahr 2022 hat Geschäftsführer Christian Ebner nach Absprache mit den Beschäftigten und dem Betriebsrat die Arbeitszeit auf 36 Stunden reduziert. Seitdem müssen seine Arbeitnehmer:innen freitags nicht mehr arbeiten.

Die Arbeitszeit-Forschungsgesellschaft Ximes hat im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) den Betrieb evaluiert. Die Kernaussagen:

  • 89 Prozent der Beschäftigten sagen, dass sie jetzt Beruf und Familie besser vereinbaren können.
  • 54 Prozent sagen, dass es ihnen gesundheitlich besser geht.
  • 68 Prozent sind mit ihrer Arbeit insgesamt zufriedener.

Praxisbeispiel Kagerer: 4-Tage-Woche auf dem Bau

Vor der Arbeitszeitverkürzung im März 2022 gab es beim Elektroinstallateur Kagerer eine klassische 5-Tage-Woche mit einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Dann allerdings suchten zwei Mitarbeiter:innen das Gespräch mit Geschäftsführer Ebner. Beide wollten ihre Arbeitszeit verkürzen – der eine aus gesundheitlichen Gründen, der andere wegen seines ehrenamtlichen Engagements bei Feuerwehr und Rotem Kreuz. Aufgrund dieser Initiative überlegte Ebner, das Modell auf den gesamten Betrieb auszuweiten.

Das war allerdings nicht leicht und ein Anwalt für Arbeitsrecht musste unterstützend eingreifen. Weder die Ansprechpartner:innen bei der WKO noch der zuständige Gewerkschaftssekretär verfügten über standardisierte Leitlinien, um eine Arbeitszeitverkürzung in die Arbeitsverträge zu übernehmen. Tatsächlich haben jetzt alle Beschäftigten eine Einzelvereinbarung. Zusätzlich gibt es eine mit dem Betriebsrat. In der Praxis hat Ebner die Arbeitszeitverkürzung und die 4-Tage-Woche umgesetzt. Auf dem Papier haben alle Angestellten aber immer noch eine 38,5-Stunden-Woche, arbeiten aber nur noch 36 Stunden. Genau genommen haben sie eine zusätzliche Pause von 2,5 Stunden.

Das ist auch der Grund, warum AK-Präsidentin Renate Anderl von Arbeitsminister Martin Kocher ein Politprojekt fordert. Dabei soll ermittelt werden, welche Vorteile eine Arbeitszeitverkürzung in Österreich bringt und wie sie hierzulande umgesetzt werden könnte. Auch, damit Unternehmer wie Christian Ebner einen einheitlichen Rechtsrahmen haben, wenn sie eine Arbeitszeitverkürzung oder 4-Tage-Woche anstreben.

Arbeitszeitverkürzung ist in Österreich überfällig

Österreich gehört zu den Europameistern, wenn es um die Arbeitszeit geht. Das Statistische Bundesamt Deutschland hat die Wochenarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten verglichen. Dabei kam heraus, dass Österreicher:innen in allen Altersgruppen die meisten Arbeitsstunden leisten.

Durchschnittliche geleistetes Wochenarbeitszeit in Stunden von Vollzeitbeschäftigten:

Altersgruppe Österreich EU-Durchschnitt Deutschland Niederlande
15 bis 24 Jahre 39,6 39,0 39,1 36,9
25 bis 54 Jahre 41,9 40,6 40,6 39,7
55 bis 64 Jahre 42,6 40,8 40,7 39,1

Dazu kommt die hohe Zahl an (unbezahlten) Überstunden. Im Jahr 2023 haben Österreichs Arbeitnehmer:innen insgesamt 180 Millionen Mehr- und Überstunden geleistet, zeigen Zahlen der AK. Davon haben die Unternehmen 46,6 Millionen weder bezahlt noch durch Zeitausgleich abgegolten. Den Arbeitnehmer:innen entgingen dadurch insgesamt 1,45 Milliarden Euro an Bruttoentgelt und dem Staat 430 Millionen Euro an Sozialversicherungsabgaben.

Bei der Präsentation der Ergebnisse wird auch Anderl deutlich. „Wir sind bei überlangen Arbeitszeiten derzeit Europameister und leisten Millionen an Überstunden. Mit Diskussionen über längere Arbeitszeiten wird niemand die Arbeitswelt verbessern. Es geht dabei nur um mehr Gewinne für die Betriebe. All diese Vorschläge gehen aber auf Kosten der Beschäftigten.“

4-Tage-Woche als Wettbewerbsvorteil

Ein wichtiger Aspekt der 4-Tage-Woche sei für Ebner gewesen, attraktiver für Bewerber:innen zu werden. Zwar sei die Fluktuation seit Einführung der 4-Tage-Woche gesunken, aber die Zahl der Bewerbungen sei noch nicht im erwarteten Ausmaß gestiegen. Habe das Unternehmen früher zwanzig Bewerbungen pro offener Stelle bekommen, seien es jetzt noch fünf oder sechs – immerhin mehr als bei vielen Mitbewerber:innen. Allerdings habe sich die 4-Tage-Woche beim Elektroinstallateur Kagerer auch noch nicht in der Breite herumgesprochen.

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Anderl appelliert nicht nur an Arbeitsminister Kocher, sondern blickt schon über die Wahlen im Herbst hinaus. „Die neue Bundesregierung muss dann die neue, kürzere Vollzeit ganz oben auf ihre Agenda setzen. Zu den Pilotprojekten gibt es positive Beispiele aus Großbritannien, Island und Irland. Deutschland, Spanien und noch viele andere Länder haben ebenfalls damit gestartet.“

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Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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