Prekär beschäftigt, verunsichert und krank: Junge Beschäftigte unter Druck

Eine junge Frau sitzt an ihrem Schreibtisch und arbeitet und wird von ihrem Chef beobachtet. Der Arbeitsklima Index zeigt, dass der Arbeitsdruck bei Lehrlingen und Auszubildenden steigt.
Der Arbeitsklima Index zeigt, dass der Arbeitsdruck bei jungen Beschäftigten enorm gestiegen ist. | © Adobestock/StockPhotoPro
Junge Arbeitnehmer:innen in Österreich sind unglücklich, wie der Arbeitsklima Index zeigt. Die zum Teil prekären Arbeitsverhältnisse wirken sich negativ auf die Lebenszufriedenheit aus.
Sie haben Angst, die Miete nicht mehr zahlen zu können, kein Geld für Urlaub und sind dennoch beruflich stark belastet. Der aktuelle Arbeitsklima Index der Arbeiterkammer zeigt, dass Unternehmen anfangen müssen, sich besser um ihre Nachwuchskräfte zu kümmern. „Die Arbeitgeber sind gefordert, für junge Beschäftigte gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Denn nur wenn wir die Jungen mit an Bord nehmen, wird der wirtschaftliche Erfolg und Wohlstand in Österreich gesichert“, kommentiert Andreas Stangl, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich, das Ergebnis.

Arbeitsklima Index: Junge Beschäftigte immer unzufriedener

In den vergangenen Jahren hat sich das Arbeitsleben für junge Beschäftigte drastisch verschlechtert, wie der Arbeitsklima Index zeigt. Waren im Jahr 2019 noch 9 von 10 Befragten mit ihrem Leben zufrieden, waren es 2023 nur noch 7 von 10 – und das hat viel mit ihrer jeweiligen Arbeitssituation zu tun. So gaben 32 Prozent an, mit der Beziehung zu ihren Kolleg:innen unzufrieden zu sein, im Jahr 2019 waren es nicht einmal halb so viele. Dementsprechend würde auch nur die Hälfte der jungen Beschäftigten ihren Betrieb weiterempfehlen – im Vergleich zu 75 Prozent im Jahr 2019.

Für die Unzufriedenheit der jungen Beschäftigten gibt es gute Gründe. 58 Prozent der jungen Beschäftigten arbeiten in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Das heißt, sie haben einen befristeten Arbeitsvertrag, sind über eine Leiharbeitsfirma angestellt, arbeiten Teilzeit oder gar nur geringfügig. Der Anteil junger Menschen, die keine Ausbildung machen, aber in einem befristeten Arbeitsverhältnis stecken, hat sich währenddessen sogar vervierfacht.

Niedriges Einkommen, unsichere Lebenssituation

Logisch, dass sich diese prekären Beschäftigungsverhältnisse auch auf das Einkommen auswirken. 28 Prozent können sich keinen Urlaub leisten und 16 Prozent befürchten, in sechs Monaten die Miete nicht mehr bezahlen zu können. Die Inflation hat die Situation zusätzlich verschärft. Immer mehr junge Beschäftigte sind auf Hilfe angewiesen: Vor der Pandemie bekamen 40 Prozent finanzielle Unterstützung, jetzt sind es schon 60 Prozent. Junge Menschen in Österreich machen immer mehr Schulden.

Doch damit nicht genug: Ständig steigender Arbeitsdruck (25 Prozent der jungen Beschäftigten), ständiger Wechsel der Arbeitsabläufe (21 Prozent) und schlechte Gesundheitsbedingungen (16 Prozent) belasten die jungen Beschäftigten. 57 Prozent geben an, dass es ihnen schwerfällt, nach Dienstschluss abzuschalten. Im Jahr 2019 waren es 29 Prozent. „Die Arbeitgeber sind gefordert, für junge Beschäftigte gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Denn nur wenn wir die Jungen mit an Bord nehmen, wird der wirtschaftliche Erfolg und Wohlstand in Österreich gesichert“, mahnt Stangl.

Zahl der Lehrbetriebe geht zurück

Die Arbeitgeber zeigen aber bisher keine Anstrengungen, diese Probleme zu lösen. Tatsächlich geht der Trend sogar in eine andere Richtung. Nach einem Bericht des Arbeits- und Wirtschaftsministeriums ist die Zahl der Lehrbetriebe in Österreich auf ein Langzeittief von 27.083 Betrieben zurückgegangen.

Nur wenn wir auch die Jungen
mit an Bord haben, bleibt auch in Zukunft
der wirtschaftliche Erfolg
und Wohl­stand in Österreich gesichert. 

Andreas Stangl, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich

Besonders alarmierend ist die Situation im Bereich Tourismus, Gastgewerbe und Hotellerie. Dort seien nur noch 7.189 Lehrlinge tätig. Damit hat sich die Zahl der Auszubildenden in dieser Branche seit dem Jahr 2008 mehr als halbiert.

Arbeitsklima Index zeigt Lösungsansätze auf

Die Arbeiterkammer Oberösterreich hat daher drei konkrete Lösungsvorschläge erarbeitet. Erstens sollte es ein Verbot von befristeten Arbeitsverträgen für Personen unter 18 Jahren geben (sachliche Gründe – Ausbildung, Karenzvertretung, Ferialjob – ausgenommen). Zweitens benötigen junge Beschäftigte einen Ausbau der psychosozialen Unterstützung an Berufsschulen.  Sie brauchen Anlaufstellen mit Schulsozialarbeiter:innen und Psycholog:innen. Drittens müssen befristete Mietverträge abgeschafft werden. Das nimmt ein Stück Unsicherheit aus dem Leben der Jugendlichen.

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Über den/die Autor:in

Christian Domke Seidel

Christian Domke Seidel hat als Tageszeitungsjournalist in Bayern und Hessen begonnen, besuchte dann die bayerische Presseakademie und wurde Redakteur. In dieser Position arbeitete er in Österreich lange Zeit für die Autorevue, bevor er als freier Journalist und Chef vom Dienst für eine ganze Reihe von Publikationen in Österreich und Deutschland tätig wurde.

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