Mehrere Fronten
Haslinger erlebt in ihrem Bereich Sozialpolitik zurzeit Angriffe auf mehreren Fronten. Neben dem Arbeitszeitgesetz betrifft das etwa den Umbau der Sozialversicherungen, welchen die Sozialpolitikexpertin scharf kritisiert: „Es werden VertreterInnen der Arbeitnehmerschaft hinausgedrängt, Arbeitgeber haben auf einmal das Sagen in der Krankenkasse der Arbeitnehmer.“ Auf der anderen Seite gäbe es massive Geldverschiebungen zu Unternehmern und Privatkrankenanstalten. Dazu kommt: Während Unternehmen weiter steuerlich begünstigt werden sollen, will man bei ArbeitnehmerInnen Steuerbegünstigungen für Zulagen streichen. Und nicht zuletzt werde die AK mit angedrohten Kürzungen der Mitgliedsbeiträge unter Druck gesetzt.
Frauenagenden
Susanne Haslinger ist in der PRO-GE für den Bereich Sozialpolitik zuständig und gut vernetzt mit den anderen Abteilungen. Ihr Arbeitsfeld umfasst Themen wie etwa Arbeitszeit und Datenschutz. Auch die Begutachtung von Gesetzen zählt zu ihren Aufgaben. Gleichberechtigung ist ihr ein wichtiges Anliegen, die Wienerin arbeitet auch intensiv mit der Frauenabteilung zusammen. Das Thema Arbeitszeit etwa hat eine Geschlechterdimension, denn die Kinderbetreuung liegt nach wie vor zum Großteil bei Frauen. „Der 12-Stunden-Arbeitstag ist ein Modell für junge Männer, Frauen mit Kindern werden hingegen aus der Erwerbstätigkeit gedrängt“, so Haslinger. Hier müsse gegengesteuert werden.
Haslinger sieht in der „Sozialpolitik“ der Regierung zurzeit eine Angriffspolitik auf ArbeitnehmerInnen, auf arbeitslose Menschen und auf das Gesundheitssystem. In Hinblick auf die Arbeitszeit bräuchte es für sie nicht nur ein Rückgängigmachen der Reform, sondern ein neues Arbeitszeitgesetz, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht nur die Unternehmensleistung. Dazu gehöre mehr Selbstbestimmtheit bei der Organisation von Arbeit und Freizeit. „Wir sind von unserem Wohlstandsniveau ausgehend so weit, dass eine Arbeitszeitverkürzung und mehr Autonomie zeitgemäß wären.“ Die Gewerkschafterin betont, dass unser Wohlfahrtsstaat tragfähiger ist als in anderen Ländern: „Im Gegensatz zu Deutschland mit Experimenten wie Harz IV und der Riester-Rente stehen wir strukturell gut da“, erklärt Haslinger. Sie beobachtet derzeit aber, dass Maßnahmen der Regierung gezielt die Struktur des Sozialstaats angreifen.
Auf dem Feld für wenig Geld
Eine Branche, in der die ArbeitnehmerInnen immer wieder ausgebeutet werden, ist jene der ErntehelferInnen. „17-Stunden-Tage, miese Arbeitsbedingungen, schlechte Quartiere und Lohnbetrug stehen dort an der Tagesordnung“, prangert Susanne Haslinger an. 2014 wurde das Projekt Sezonieri gestartet. Haslinger ist bei Sezonieri für die Koordination der Bundesländer und der AktivistInnen zuständig. Zweimal im Monat gehen sie auf Felder, um die ArbeiterInnen über ihre Rechte aufzuklären. Haslingers Einsatz für ArbeiterInnen lässt sich auf eine zentrale Frage zurückführen: „Auf welcher Seite stehst du? Ich komme selbst aus der Arbeiterklasse. Eines war mir immer klar: Entweder überwinden wir den Kapitalismus oder wir kämpfen für die Ausgebeuteten.“ Mittlerweile sei sie skeptisch, ob ersteres gelingen kann. „Aber ich möchte die Vision nicht aufgeben, dass wir es irgendwann schaffen.“
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 8/18. Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen
Udo Seelhofer
Sandra Knopp
Freie Journalistinnen
udoseelhofer426@msn.com
sandra.knopp@gmx.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at