Arbeitsdruck: Wo bleibt da der Sinn?

Illustration von einem Mann im Anzug, der erschöpft am Boden liegt. Neben ihm sein umgefallener Bürostuhl und sein Schreibtisch. Symbolbild für den steigenden Arbeitsdruck.
Arbeiten bis zum Umfallen: Stress und Überlastung lassen immer mehr Menschen an der Sinnhaftigkeit ihres Jobs zweifeln.
Arbeiten bis zum Umfallen: Arbeitsdruck, Stress und Überlastung lassen immer mehr Menschen aus dem System aussteigen. Denn die große Sinnsuche in der Arbeitswelt hat gerade erst begonnen.
Die Arbeitszufriedenheit hat sich verschlechtert – daran besteht kein Zweifel. Das zeigt der Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK) – Gradmesser der Stimmung unter den Beschäftigten in Österreich. Arbeitsdruck und Stress sind in allen Berufen gestiegen, nicht nur in den dafür schon länger bekannten Branchen wie der Pflege oder dem Handel. Standen vor rund zehn Jahren (2013) nur 3,5 Prozent der Befragten stark unter Arbeitsdruck, sind es mittlerweile 7,2 Prozent; und gaben damals 4,8 Prozent sehr hohen Zeitstress zu Protokoll, waren es zuletzt 9,6 Prozent.

Dass der Arbeitsdruck zu hoch ist, ist allerdings kein neumodisches Phänomen. Bereits in den 1970er Jahren wurde der Begriff Burnout in der Forschung genannt. „Von da an sahen wir eine kontinuierliche Entwicklung, in der sich Menschen immer mehr für ihre Arbeit auspowern“, erklärt Prof. Dr. Tatjana Schnell der Universität Innsbruck und MF Specialized University Oslo beim 79. Treffpunkt der Sicherheitsvertrauenspersonen in der Arbeiterkammer.

Arbeitsdruck: Dauerkrisenmodus

Zu diesem Arbeitsstress kommen dann noch die großen Krisen da draußen hinzu: Corona-, Teuerungs- und Flüchtlingskrise, der Krieg in der Ukraine, der Klimawandel. „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten“, heißt die Abrechnung der deutschen Journalistin Sara Weber mit der Arbeitswelt. In ihrem aktuellen Buch schreibt sie:

„Ich war so müde, dass ich einen richtig guten Job gekündigt habe. Weil ich nicht mehr konnte. Weil ich ausgebrannt war. Von der Arbeit. Vom Streben nach immer mehr Produktivität. Von meiner ‚Karriere‘. Von der Welt um uns herum. Und ganz besonders von all den Krisen. Unsere Welt steht in Flammen, im wahrsten Sinne des Wortes. Und wir? Brennen aus, um bloß keine Deadline zu reißen. Was zur Hölle machen wir da eigentlich? Warum tun wir uns das an?“

 

Karriere? Nein, danke!

Ein neuer Trend auf dem Arbeitsmarkt und ein heißes Medienthema ist die geringe Karriereneigung der sogenannten „Generation Z“. Diese um die Jahrhundertwende herum geborene, oft im Wohlstand aufgewachsene, gut ausgebildete Altersgruppe will zunehmend nur noch Teilzeit arbeiten. In den USA macht der Trend unter dem Schlagwort „The Great Resignation“ die Runde – ein Horror für Arbeitgeber:innen in Zeiten des „Fachkräftemangels“.

„Dass die Arbeitgeber:innen in Sorge sind, kann man verstehen. Aber wieso teilen auch die meisten Ökonom:innen diesen Standpunkt? Warum hört man von ihnen kaum je Überlegungen dahin gehend, dass die Flucht in die Teilzeitarbeit das Symptom einer überholten Arbeitspolitik sein könnte – einer Politik, die den anhaltenden Produktivitätsfortschritt fast ausschließlich in Form von wachsendem Konsum und höheren Unternehmensgewinnen zu nutzen trachtet?“, fragen Peter Ulrich und Werner Vontobel in ihrem hochaktuellen und lesenswerten Text „Raus aus der Teufelskreis-Ökonomie“, erschienen im Schweizer Onlinemagazin „Die Republik“. Für immer mehr Menschen stellt sich deshalb immer häufiger die Frage nach dem Sinn.

Die große Sinnsuche

So zeigt eine Studie der PwC, dass zwar der wichtigste Grund für einen Arbeitgeberwechsel die faire finanzielle Entlohnung ist, aber bereits an zweiter und dritter Stelle die Frage nach dem Sinn steht. Und das ist bisweilen kein Luxusproblem junger Menschen. Denn wenngleich die Generation Z vehement bessere Arbeitsbedingungen fordert, wünschen sich, laut Studien, Menschen in jedem Alter mehr Sinn in ihrer Arbeit.

Dabei zeigt sich besonders im DACH-Raum eine hohe Unzufriedenheit. Nur 48 Prozent der im DACH-Raum Befragten geben an, dass ihre Arbeit weit mehr als ein ‚Job‘ ist, während in Dänemark die Zahl bei 70 Prozent liegt, so die Global Employee Engagement Benchmark Study von 2022. „Es geht also auch anders“, urteilt Schnell. Und es wird Zeit zu handeln, denn immer mehr Menschen fühlen sich fehl am (Arbeits-)Platz. Tatjana Schnell berichtet, wie Beschäftigte ihr Unternehmen dann immer mehr hinterfragen und kaum noch Verbundenheit verspüren. „Sie denken sich: ‚Deshalb habe ich diesen Job nicht gewählt, denn damit, was diese Führungskräfte tun, kann ich mich eigentlich gar nicht identifizieren’“.

Doch gibt es überhaupt einen Weg raus aus der Misere? Laut Schnell schon. Denn durch gute Arbeitsbedingungen können Unternehmen die Sinnhaftigkeit von Arbeit erhöhen. Denn Sinn ist nichts, was Einzelpersonen allein aushandeln können, so Schnell. „Für sinnvolle Arbeit braucht es einen Strukturwandel. Einen Strukturwandel bezüglich der Art, wie wir Wirtschaft treiben“. Damit Arbeitnehmer:innen engagiert arbeiten, müssen sich Unternehmen ordentlich ins Zeug legen und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Und endlich Schluss mit dem hohen Arbeitsdruck machen.

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