Arbeit&Wirtschaft: Sie sind seit mehr als 25 Jahren Lehrer. Bringt man als solcher die passenden Fähigkeiten als Comedian mit?
Andreas Ferner: Es gibt definitiv sehr starke Parallelen zwischen den beiden Berufen. Humoristisch formuliert: Ich mache im Prinzip den ganzen Tag das Gleiche, stehe vor Leuten und rede Blödsinn. Oder ernst ausgedrückt: Ich stehe in beiden Berufen vor Publikum, vermittle Inhalte und muss dafür begeistern können. Schüler:innen sind allerdings das strengste Publikum der Welt. If you can make it there, you can make it anywhere.
In Ihren Kabarettprogrammen und Büchern thematisieren Sie eine Reihe von Problemen im österreichischen Bildungswesen. Was ist aus Ihrer Sicht derzeit die größte Baustelle?
Ein Riesenproblem ist, dass den Lehrer:innen in den letzten Jahren immer mehr Aufgaben übertragen wurden – und das ohne zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen. Keiner im Bildungswesen wundert sich daher über den Lehrer:innenmangel. Man wundert sich eher, dass es so lange gedauert hat, bis er auftritt. Als ich vor mehr als 25 Jahren mit meinem Beruf begann, war ich in erster Linie Lehrer: Ich habe vorbereitet, unterrichtet, nachbereitet, Schularbeiten erstellt, Hausübungen verbessert, mich um die Kids gekümmert und Elterngespräche geführt. Heute machen Lehrer:innen vieles, das mit den ursprünglichen Aufgaben wenig zu tun hat. In der Coronazeit waren wir beispielsweise plötzlich medizinisch-technisches Personal, das Coronatests durchführte und kontrollierte. Ähnlich verhält es sich mit gesellschaftlichen Problemen, wie Online-Mobbing oder der Integration von Kindern: Hier wird gesagt, dass das die Schule schon alles richten wird.
Selbst meine reflektiertesten Schüler:innen
bezeichnen sich als handysüchtig
Andreas Ferner,
Lehrer, Schauspieler und Kabarettist
Ist das ein österreichisches Problem?
Wir sind laut OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit 38 Mitgliedstaaten) eines der Länder, das am wenigsten Unterstützungspersonal wie Sozialarbeiter:innen, Psycholog:innen und administratives Personal in der Schule hat. Deshalb sage ich im Kabarett immer salopp: In anderen Ländern sind die Lehrer:innen zum Unterrichten da. Wenn die Schulen wirklich alles lösen sollen – was meiner Meinung nach auch nicht der richtige Ansatz ist –, dann müssen sie auch dementsprechend ausgestattet werden.
Das heißt, hier ist auch die Politik gefordert.
Ja, auf jeden Fall in Bezug auf die personellen und finanziellen Ressourcen. Ein anderes Thema sind auch die Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel bezüglich der Nutzung von Smartphones in der Schule. Dafür muss man dringend eine Lösung finden. Smartphones im Klassenraum sind einfach ein wahnsinniger Aufmerksamkeitskiller. Da gibt es kein sinnvolles Lernen und Weiterkommen im Unterricht. Selbst meine reflektiertesten Schüler:innen bezeichnen sich als handysüchtig. Solange es diesbezüglich keine strengeren Regeln gibt, wird sich wenig ändern. Länder wie Frankreich sind bereits einen sehr strikten Weg gegangen und haben ein Handyverbot – auch in den Pausen – eingeführt.
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Im aktuellen Programm erzählen Sie anekdotenhaft von kuriosen Situationen mit Schüler:innen. Sind diese tatsächlich so passiert?
Natürlich ist das Kabarett eine Zuspitzung der Dinge, die im Schulalltag passieren. Einzelne Situationen sind aber wirklich so passiert. Zum Beispiel wollte sich ein Schüler offensichtlich vor dem Turnunterricht drücken und meinte: „Ich kann nicht beim Zirkeltraining mitmachen, ich hab‘ da hinten voll einen Kreuzbandriss“ – und griff sich dabei ins Kreuz, also in den Rücken. Oder ein anderer antwortete auf meine Frage, warum er so viel zu spät kommt: „Gleitzeit!“ Das weiß ich aber irgendwo zu schätzen, denn das zeigt, er passt zumindest in BWL auf. Und es ist ein guter Konter. Nach den Vorstellungen kommen oft Menschen zu mir, die einen anderen Job haben, und sagen: „Sehr lustig, aber in Wirklichkeit ist es doch nicht so arg“. Und dann kommen Lehrer:innen zu mir und die sagen: „Sehr lustig, aber in Wirklichkeit ist es schon ärger“.
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