Ziel in Lembach ist es, Arbeitnehmer:innen möglichst lange die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. Das Bezirksalten- und Pflegeheim bemüht sich also um alterns- und altersgerechtes Arbeiten – zwei Begriffe, denen der demografische Wandel Bedeutung verleiht. Laut Arbeitsmarktservice (AMS) sind heutzutage dreimal so viele Arbeitnehmer:innen über 50 Jahre alt wie noch 1990. 24 Prozent der Männer und 28 Prozent der Frauen schaffen es allerdings nicht direkt aus der Erwerbstätigkeit in die Pension. Ein Teil dieser Menschen blickt auf eine längere Krankengeschichte zurück, die auch mit ihrer Arbeit zu tun hat.
So einfach kann altersgerechtes Arbeiten sein
„Gerade frauendominierte Branchen – Reinigung, Handel, Pflege, Pädagogik oder Sozialberufe – sind physisch und auch psychisch anstrengend“, erklärt Julia Stroj. Sie ist Expertin für Gesundheitspolitik beim Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Frauen seien laut einer WIFO-Studie aus dem Jahr 2021 vor ihrem Eintritt in die Pension durchschnittlich 6,2 Jahre lang erwerbslos. „Altersgerechtes Arbeiten zielt speziell darauf ab, dass ein Arbeitsplatz für das jeweilige Alter geeignet ist“, sagt sie. Beim „alternsgerechten Arbeiten“ käme im Unterschied dazu der Faktor Zeit ins Spiel: „Man schaut sich dabei über die Erwerbskarriere hinweg immer wieder an, ob Arbeitsplätze gesund sind, ob sie die Arbeitsfähigkeit erhalten oder sie vielleicht sogar fördern.“
Und für Letzteres gäbe es viele Möglichkeiten: von technischen Hilfsmitteln über ergonomische Bürosessel bis hin zur Neuverteilung von Aufgaben im Team. „Manchmal ist damit auch eine Frage der Arbeitszeit und -organisation verbunden“, sagt Stroj. Die Investitionskosten seien oft gar nicht so hoch, dafür aber der ökonomische Nutzen. „Die Maßnahmen führen zu einer besseren Bindung der Beschäftigten – die Menschen bleiben gerne, weil die Arbeitszufriedenheit steigt und sie gesund sind.“
Auch in Lembach lasse sich dies beobachten: Im ersten Jahr nach Einführung der altersgerechten Innovationen sei die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage laut Heimleiter Berndorfer zwar erst gestiegen, dann aber hätten die Beschäftigten angefangen, mehr auf sich zu achten. Mittlerweile, im zweiten Jahr, seien die Krankenstände deutlich unter das Ausgangsniveau gefallen. „Die Maßnahmen tragen jetzt Früchte, weil die Mitarbeiter:innen vorausschauend arbeiten und ihre eigene Gesundheit fördern“, sagt Berndorfer.
Altersdiskriminierung im Job
Was die Beschäftigung von älteren Menschen betrifft, zeigt der österreichische Arbeitsmarkt Fortschritte, aber auch Verbesserungspotenzial. „Im Jahr 2019 waren noch rund 31.700 Menschen über 45 langzeitarbeitslos“, so Claudia Nosa. Sie ist in der Diversitätsabteilung der Landesgeschäftsführung des AMS Wien für die Bereiche Generationenmanagement und LGBTQIA+ verantwortlich. „2023 waren es nur noch 21.600. Die Gewinner:innen nach der Pandemie sind also, was den Arbeitskräftemangel betrifft, die älteren Arbeitnehmer:innen“, sagt sie. Als langzeitarbeitslos gilt übrigens, wer über ein Jahr ohne Job ist. „Es bleibt aber dabei, dass es in der Regel, je älter man wird, umso länger dauert, wieder in den Arbeitsmarkt zu finden“, sagt Nosa.
Ältere Arbeitnehmer:innen seien teilweise mit dem Vorurteil konfrontiert, sie seien öfter krank. 25- bis 30-Jährige seien laut Nosa zwar durchschnittlich pro Jahr um drei Tage weniger im Krankenstand als 55- bis 59-Jährige, hätten dafür aber anderweitige Fehlzeiten, durch Pflegeurlaube beispielsweise. Um zu vermeiden, dass ältere Arbeitnehmer:innen aufgrund höherer Gehaltsansprüche nicht eingestellt werden, gebe es seitens des AMS eine Eingliederungsbeihilfe in Form eines Zuschusses zu Lohn- und Lohnnebenkosten und spezialisierte Beratungsangebote. Außerdem, betont Nosa, sei es nie zu spät für einen neuen Job, wenn man bedenke, dass das durchschnittliche Dienstverhältnis in Österreich im Schnitt 1,9 Jahre bestehe.
Erste Schritte setzen
Ein einfacher erster Ansatzpunkt für Unternehmen, die sich mit der Alterstauglichkeit ihrer Arbeitsplätze auseinandersetzen wollen, bietet eine Checkliste der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA): Wie schwer wird gehoben, wie lange gestanden, und ist es besonders heiß oder kalt? Ist die Beleuchtung ausreichend? Sind Warnsignale laut genug? Anhand dieser Bestandsaufnahme kann die Geschäftsführung dann Maßnahmen setzen.
Wer will, dass Arbeitnehmer:innen bis zur Pension gesund im Betrieb bleiben, der muss sich auch um die Gesundheit seiner Beschäftigten kümmern. Betriebliches Gesundheitsmanagement heißt, Gesundheit schützen, fördern & nach langer Krankheit wieder herstellen! #Gesundheitimbetrieb
— ÖGB (@oegb_at) March 30, 2023
„Ein großer Erfolg sind die lebensphasenorientierten Mitarbeiter:innengespräche, die wir entwickelt haben“, sagt Hubert Berndorfer vom Pflegeheim Lembach. Dabei kläre man mit den Mitarbeiter:innen ab, welche speziellen Bedürfnisse es gebe. Dass sich alters- und alternsgerechtes Arbeiten für Unternehmen lohnen kann, zeigen auch die Lembacher Bettenkapazitäten: „Wir hatten immer 83 unserer 113 Betten belegt“, sagt Berndorfer. „Durch die neuen Maßnahmen haben wir genug Mitarbeiter:innen, um in diesem Jahr erstmals auf 98 Betten zu erhöhen – und das in einer Zeit, in der die meisten Pflegeheime Betten abbauen müssen.“
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Gesundheit ist die wichtigste Basis für Arbeitsfähigkeit – und auch die Voraussetzung dafür, dass Menschen gut bis zum Pensionsantritt arbeiten können. Welche Arbeitsbedingungen dafür notwendig sind, verrät der ÖGB-Podcast NACHGEHÖRT / VORGEDACHT.
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